Preis der Leipziger Buchmesse 2022 Auszeichnungen für Tomer Gardi, Uljana Wolf und Anne Weber

Soeben wurden die Preise der Leipziger Buchmesse 2022 verkündet. Gewonnen hat in der Kategorie Belletristik Tomer Gardi für Eine runde Sache (Literaturverlag Droschl). In der Kategorie Sachbuch wurde Uljana Wolf für Etymologischer Gossip. Essays und Reden (kookbooks) ausgezeichnet. Den Preis für Übersetzung erhält Anne Weber für ihre Übersetzung aus dem Französischen von Nevermore von Cécile Wajsbrot (Wallstein Verlag).

Kategorie Belletristik:  Tomer Gardi, Eine runde Sache (zur Hälfte übersetzt aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer; Literaturverlag Droschl)

Zur Begründung der Jury: Unverschämt, dieser Tomer Gardi. Den ersten Teil seines Romans erzählt er nicht in astreinem Deutsch, sondern in einer Kunstsprache mit eigenartiger Rechtschreibung und merkwürdigem Satzbau. Broken German. Es gibt einen zweiten Teil, oder besser: Es gibt den Roman doppelt. Jetzt hat Tomer Gardi ihn auf Hebräisch geschrieben. Anne Birkenhauer hat ihn ins Deutsche übersetzt. … „Eine runde Sache“ ist ein Schelmenstück. Wirklichkeit und Fiktion prallen darin aufeinander wie das Echte und das Gemachte. Dabei spielt Gardi ebenso kunstvoll wie dreist mit Lesegewohnheiten und Erwartungen an einen Roman, zumal an einen deutschsprachigen. „(…) ein Schriftsteller ist jemand, der Schwierigkeiten hat mit die deutsche Sprache“, schreibt er und hinterfragt unser Bedürfnis nach Korrektheit und Geradlinigkeit ebenso wie ästhetische Normen. Dahinter lauert die bittere Frage, wie es einem Menschen überhaupt gelingen kann, seine eigene Sprache zu finden. Kurzum: „Eine runde Sache“ ist ein großzügiger Roman von hoher sprachlicher Präzision.

Kategorie Sachbuch / Essayistik: Uljana Wolf, Etymologischer Gossip. Essays und Reden (kookbooks)

Zur Begründung der Jury: Uljana Wolf hätte in allen drei Kategorien für unseren Preis nominiert werden können, und in allen drei auch mit diesem einen Buch, denn das ist sehr vereinfacht gesprochen ein Sachbuch übers Übersetzen von Lyrik – allerdings höchst komplex geschrieben von einer Poetin, die auch als Übersetzerin renommiert ist. Wolfs „Etymologischer Gossip“ bietet denn auch sowohl hinreißende Gedichte als auch brillante Übertragungen aus anderen Sprachen. Doch gewonnen hat der Band zu Recht in der Sparte Sachbuch, denn diese Lebensthemensammlung seiner Verfasserin ist ein Musterbeispiel für Essayistik. Und geradezu übermütig sind Wortgewitzheit und Assoziationsfreude, mit denen Uljana Wolf ans Werk geht. Dieses Sachbuch ist nicht zuletzt ein Lachbuch: Wer wissen möchte, wie eine fröhliche Sprachwissenschaft sich liest, der hat damit die geeignete Lektüre zur Hand. Ihrem „Etymologischen Gossip“ möchte man gar nicht mehr aufhören zu lauschen.

Kategorie Übersetzung: Anne Weber, Nevermore von Cécile Wajsbrot (übersetzt aus dem Französischen; Wallstein Verlag)

Zur Begründung der Jury: Eine französische Autorin, die auch Übersetzerin ist, übersetzt „To the Lighthouse“ von Virginia Woolf. Sie wird ihrerseits übersetzt von Anne Weber, einer Deutschen, die ebenfalls Schriftstellerin ist. Was diese drei Frauen hier aufführen, das ist ein Krimi des Bezeichnens! Doch wo ist das Bezeichnete eigentlich? „Jedes Ding verbirgt ein anders“, liest man in Anne Webers Worten bei Cécile Wajsbrot. Und so führt sie uns im Flüsterton dreier Sprachen ein in ein Reich der Abwesenheiten: in das ausgebombte Dresden, die im Krieg zerstörte Kathedrale von Coventry, das verseuchte Gebiet um Tschernobyl und zur Industrieruine der High Line in New York. Etwas lebt an diesen Orten, das sich immer wieder entzieht. So wie das Original sich dem Übersetzer entzieht. Gespensterorte und – Gespensterworte. Anne Weber, herzlichen Glückwunsch zu diesem „Roman Noir“ der Übersetzungskunst. Herzlichen Glückwunsch auch zum Preis der Leipziger Buchmesse.

Das waren die weiteren Nominierten 2022:

Belletristik

  • Dietmar Dath: Gentzen oder: Betrunken aufräumen. Kalkülroman (Matthes & Seitz Berlin, August 2021)
  • Heike Geißler: Die Woche (Suhrkamp Verlag, März 2022)
  • Emine Sevgi Özdamar: Ein von Schatten begrenzter Raum (Suhrkamp Verlag, Oktober 2021)
  • Katerina Poladjan: Zukunftsmusik (S. Fischer Verlag, Februar 2022)

Sachbuch / Essayistik

  • Horst Bredekamp: Michelangelo (Verlag Klaus Wagenbach, August 2021)
  • Hadija Haruna-Oelker: Die Schönheit der Differenz. Miteinander anders denken (btb Verlag, März 2022)
  • Christiane Hoffmann: Alles, was wir nicht erinnern. Zu Fuß auf dem Fluchtweg meines Vaters (Verlag C.H.Beck, Februar 2022)
  • Juliane Rebentisch: Der Streit um Pluralität. Auseinandersetzungen mit Hannah Arendt (Suhrkamp Verlag, Februar 2022)

Übersetzung:

  • Irmela Hijiya-Kirschnereit, übersetzte aus dem Japanischen: Dornauszieher. Der fabelhafte Jizō von Sugamo von Hiromi Itō (Matthes & Seitz Berlin, August 2021)
  • Stefan Moster, übersetzte aus dem Finnischen Im Saal von Alastalo. Eine Schilderung aus den Schären von Volter Kilpi (mareverlag, Oktober 2021)
  • Andreas Tretner, übersetzte aus dem Russischen: Wunderkind Erjan von Hamid Ismailov (Friedenauer Presse, März 2022)
  • Helga van Beuningen, übersetzte aus dem Niederländischen: Mein kleines Prachttier von Marieke Lucas Rijneveld (Suhrkamp Verlag, September 2021)

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