Buchhandel „Das Bauchgefühl mit Zahlen unterfüttern“

Fabian Siegel (Foto: knk)

Zwischen Zahlen und Buchstaben, Business Intelligence und Buchhandel gibt es oft Berührungsängste. Fabian Siegel, neuer CTO beim Verlagsdienstleister knk, ist den Weg vom Buchladen in die Informatik-Welt gegangen. Im Interview erläutert er, welche Rolle Daten in der Buchwelt spielen.

BuchMarkt: Wie kamen Sie ganz persönlich vom Buchhandel zum Datenmanagement?

Fabian Siegel: Es war sicherlich kein ganz geradliniger Weg oder eine logische Kette. Tatsächlich war der Ausgangspunkt eine Ausbildung in der Buchhandlung Rombach. Im Rahmen dieser Ausbildung haben wir Besuch bekommen von Kommilitoninnen der HTWK Leipzig, die Werbung für den Studiengang Buchhandel und Verlagswirtschaft gemacht haben. Meine Kolleginnen und Kollegen in der Buchhandlung haben mich daraufhin dazu ermutigt, mich für diesen einzuschreiben. Das Studium war breit angelegt, hatte aber auch damals schon einen Schwerpunkt auf Technikvermittlungen im weitesten Sinne. Ich erinnere mich immer gern  an einen tollen Gastdozenten aus den USA. Er war  von Hause aus Bibliothekar und hat uns aber sehr viele Hintergründe zu technischen Themen vermittelt. Das hat mich interessiert, sodass ich mich weiterführend mit Datenbanken beschäftigt und auch meine Praktika danach ausgerichtet habe, um immer wieder Neues zu lernen und in der Praxis anzuwenden.

Während meines Studiums war ich für ein Praktikum  bei Springer in Heidelberg im Global Online Marketing beschäftigt und habe dort alles Mögliche über E-Mail-Marketing und dergleichen gelernt. Nach dem Studium bin ich  bei KNV, heute Zeitfracht gelandet. Ich war dort im Projektmanagement, hatte mit vielen Daten zu tun und habe gemerkt, dass es helfen würde, wenn ich mich selbst noch besser damit auskennen würde. So hat sich das Schritt für Schritt entwickelt, dass man in einer Arbeitssituation denkt: Mensch, das muss doch klüger gehen.

Bei Libri habe ich danach im Datenmanagement gearbeitet und hatte immer wieder Berührungspunkte zu IT-Abteilungen und deren Arbeitsweise. Dabei lernt man nach und nach, welche Informationen die IT braucht. Bei der knk Gruppe habe ich mich dann als ERP-Consultant beworben und bin geblieben. Heute ist es mein täglich Brot, immer wieder Lösungen zu finden für Probleme, die man gestern noch nicht kannte, aber gerne morgen gelöst haben möchte.

Was genau verstehen Sie unter Datenmanagement und wie lässt sich dieses mit dem Buchhandel verbinden?

Datenmanagement ist tatsächlich ein Sammelbegriff hinter dem sich ganz schön viel verbirgt, Wenn man aus der Perspektive der Buchhändler:innen, des Zwischenbuchhandels oder auch auf die Verlage schaut, dann lassen sich darunter Dinge wie die Meldenummer verstehen, die ich direkt in meinem Warenwirtschaftssystem angezeigt bekomme, oder dass ich in Echtzeit Bestände einsehen kann. Es geht um das Zuordnen, Zusammenzuhalten und die Weiterleitung an die richtige Stelle, in dem man Informationen aus verschiedenen Datenquellen zusammenbringt, konsolidiert und am Ende eine einheitliche Meldung bekommt. Ich möchte meine Informationen in einer standardisierten Form, mit der ich gut arbeiten kann.

Ihre neue Funktion bei knk dreht sich darüber hinaus auch um Business Intelligence. Was lässt sich darunter verstehen?

Business Intelligence baut auf dem Datenmanagement auf. Welche Informationen stecken in den Daten? Es geht im Grunde genommen um Auswertungen verschiedenster Art. Bei den Buchhändler:innen sind es zum Beispiel die Lagerdrehzahlen, die Remissionsquoten, aber auch essenzielle Kennzahlen wie den Umsatz oder verkaufte Stückzahlen. Mein Bauchgefühl liefert meistens schon sehr gute Ergebnisse, man kann das Ganze aber natürlich auch noch mit Zahlen unterfüttern.

…Um aus den Daten-Erkenntnissen konkrete Handlungen abzuleiten.

Ja und das im besten Fall vorausschauend. Die meisten unserer Kund:innen sind bisher Verlage, aber mittelbar profitieren auch die Buchhändler:innen davon. Der Außendienst der Verlage kann so etwa alle relevanten Zahlen für diese einzelne Buchhandlung mitbringen und sieht, welche Titel oder Autor:innen vor Ort gut liefen.

Grundsätzlich sind wir natürlich auch gerne für Buchhandlungen tätig, aber während die größeren Ketten oft ihre eigenen Lösungen haben, bietet es sich für kleinere Buchhandlungen eher an, solche Lösungen in Zusammenschlüssen wie den Genossenschaften anzugehen oder über den Zwischenbuchhandel. Eine einzelne Buchhandlung kann es meist nicht stemmen in die Softwareentwicklung einzusteigen, aber Kooperationen und Standards bieten sich hier an.

Was nehmen Sie sich für dieses Jahr vor?

Wir sind fest entschlossen noch mehr Business Intelligence Lösung für Verlage anzubieten nicht nur als Projekt, sondern auch mit leicht zugänglichen Standard Reportings. Wir haben außerdem gerade eine Ausgründung in der Firmengruppe vorgenommen, in der es um künstliche Intelligenz und Daten geht, um an der Zukunft teilzunehmen. Und grundsätzlich sind wir als Unternehmen natürlich immer auch daran interessiert, gute Leute zu finden. Das dürfen gerne Quereinsteiger:innen sein! Wir suchen tatsächlich weniger nach den Informatikerinnen und Informatikern. Ein ganz wichtiger Bestandteil bei der Softwareentwicklung und der Zusammenarbeit mit unseren Kundinnen und Kunden ist es, einen Perspektivwechsel vornehmen zu können. An dieser Stelle hilft die Branchenkenntnis. Ein bisschen Stallgeruch schadet nicht!

Ich hatte in meinem Werdegang tolle Vorgesetzte, die mir Freiräume für Weiterentwicklung verschafft und es zugelassen haben, auch mal einen anderen Ansatz zu wählen. Dafür bin ich unglaublich dankbar und wünsche das vielen Leuten in der Branche ebenfalls: Also, dass sie die Freiräume haben, mal über den Teller zu schauen, zu verstehen, wie etwas funktioniert oder warum man sich über manche Schritte ärgert. Dazu gehört auch zu überlegen, ob man diese vielleicht automatisieren oder ganz lassen kann. Es gibt heute tolle Möglichkeiten und wenn man da Lust drauf hat. Man sollte auf jeden Fall mutig sein.

Die Fragen stellte Hanna Schönberg