Mittwoch: Maja, Milch und Metanutzen
Liebe Freunde,
herzlich willkommen zu dreißig Jahren Leipziger Buchmesse und zum 11. Leipziger Messe-Mayer.
Der Messe-Mayer wird Sie täglich durch die Messe begleiten, also als Mensch vorweg, weil ich immer in Ihrer Nähe sein könnte, während Sie was Dummes, Schönes oder Lustiges sagen oder tun, und auch als Dienstleistung des Branchenmagazines BuchMarkt, das Sie neben allen wichtigen und wesentlichen Informationen zur Messe auch mit dieser subwichtigen und parawesentlichen Glosse täglich unterhält.
Nutzen hat das schon lange keinen mehr (und konzeptionell auch noch nie gehabt), aber es macht allen Beteiligten großen Spaß. Das ist sozusagen metanützlich.
Ich moderiere diese Glosse dieses Jahr als Grizzly Adams.
Den Aufbau- und Eröffnungsmittwoch hat man bang auf den Frühlingsanfang gelegt und ihm allerlei Gesteck gewidmet, damit Petrus uns nicht wieder eine Schneedecke schickt und die Türklinken vereist. Das hatten wir hier alles schon. Crazy Leipzig, Mister Freeze. Aber es scheint zu klappen:
Als ich die Kamera aus meinem Messe-Koffer holen will, finde ich die Thienemann-Kino-Freikarten, die ich letztes Jahr im Kino so gut hätte gebrauchen können.
Na, und das sind doch lauter gute Omen für den Auftakt. Kinokarten gefunden, Wetter okay, Rasierer kaputt. Und Kanada und Kosovo sind zum ersten Mal mit dabei!
Pressekonferenz zur Eröffnung
Ein nicht sehr großer, aber immens hoher Raum steht für diesen Empfang zur Verfügung. Aber Häppchen gab es heute keine. Anscheinend hat man in Leipzig keine große Lust mehr, sich angenehm von Frankfurt abzuheben.
Die fünf Musketiere, die jedjährlich die Messe eröffnen, sind die Leipziger Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke, Buchmessedirektor Oliver Zille, Messedirektor Martin Buhl-Wagner, Börsenvereinsgeschäftsführer Alexander Skipis und Julia Lücke, die Pressesprecherin.
Ich habe immer leicht unken, wenn ich diesen Konferezen dieselbe Redundanz unterstelle wie den jährlichen Neujahrsansprachen des Kanzleramtes, denn für Meinungsfreiheit und Leseförderung und gegen Zensur und Unrecht ist man ja jährlich, aber als neue Schlagworte fielen in diesem Jahr die Medienerziehung und der Übersetzermarkt, und nicht ein einziges Mal die Vielfalt und die Meinungsfreiheit. Hut ab.
(Für die Nichtnennung von Vielfalt will ich aber keine Gewähr übernehmen.)
Stolz erwähnt sein muss hingegen der Ausstellerzuwachs von 2 %. Das klingt nicht nach viel, aber wenn das so weitergeht, müssen wir in 50 Jahren das Gelände verdoppeln. Falls Prozentrechnung so geht.
Dieses Jahr hat Leipzig sogar beschlossen, das Gastland „sichtbar zu machen“ (Zille), anstatt es also wie sonst unter einer Papierserviette zu verstecken. Dieses Jahr wird es, nunja, präsentiert eben. Man hat ja immer ein Gastland, aber dieses Jahr wird es richtiggehend gefrankfurtert. Ich weiß nicht, ob Tschechien einen eigenen Pavillon verbasteln muss, aber sie haben immerhin für diese Messe eine eigene Leserzeitschrift!
Mit dem tschechischem Kulturminister Antonín Staněk und dem international renommierten Illustrator Peter Sís hat die Messe zwei hochkarätige Fürsprecher der tschechischen Belange gewinnen können.
Minister Staněk hat eine Rede in sagenhaft brüchigem Deutsch mehr ab- als vorgelesen, aber der anhaltende Applaus galt der sympathischen Unverdrossenheit, mit der er die harschesten deutschen Kofferwörter meisterte. Denn als Tscheche muss er ja Übung mit herausfordernder Phonetik haben.
Peter Sís guckt zwar hier sehr ernst, aber das ist eben sein ernstes, tschechisches Gesicht. Eigentlich war seine englische Rede voller Anekdoten und Schmunzelstellen und voller Leidenschaft.
Weil die Tschechen eigentlich die ganze Redezeit aufgebraucht haben, haben die restlichen Redner noch ein paar Kamellen ins Publikum geworfen und dann diesen Vormittag offiziell beendet.
So ganz stimmt dieser Hergang nicht, aber ich musste gegen Ende nach draußen, weil meine Mama einen Barcode nicht gefunden hat.
(Meine Mama vertritt mich in meinem Buchladen.)
(Ich bin jetzt Geschäftsführer.)
Mein Gang durch die Hallen
Gerade weil es am Eröffnungstage noch nicht viel zu sehen gibt, habe ich Zeit für die Kleinigkeiten und Besonderheiten vor der Messe.
Das mögen Bilder der Ruhe und der Mitte sein:
Aber dann gibt es auch verstörende Bilder wie diese hier. Und das ist auch gut so, denn Kunst will nicht nur unser Behagen.
Da steht weder ein Verlag noch eine Standnummer dran. Aber das Produkt ist echt, ich habe es gegoogelt. (Das wird sich super machen in Browserverlauf der Redaktion.)
Jedes Jahr darf man von Neuem gespannt sein auf das Treppenstufenmotiv der Glashalle: Diesmal wird das Lesen gefeiert.
Bei Rowohlt hat man sich das Leipziger Mustermessenmännlein© in die Auslage gestellt, weil man dort nicht weiß, dass das ein streng geschützes Warenzeichen ist.
Dafür darf ich aber schon einen Tag vor der eigentlichen Messe mein erstes Geschenk abgreifen: Den ganz, ganz neuen Bobo Siebenschläfer, und zwar zusammen mit Bobo-Kuscheltuchpuppe. Danke, Rowohlt-Vertreterin Andrea Ribbers!
Und so zeigt jeder, was er hat. Der relaunchte Kultverlag Zweitausendeins zum Beispiel wedelt mit dem Poster zum Woodstock-Buch. Ich zeige zugleich das gelungene und das misslungene Foto:
Versuch Eins ist natürlich das hübschere Foto.
Auch bei Droemer Knaur ist man guter Dinge, aber das habe ich dort auch noch nie anders erlebt. Die Messehelden packen an, bis alles im Lot ist.
Ich helfe inzwischen hier aus:
Und als Theatermensch habe ich ja eine große Schwäche für Zettel mit Regieanweisungen, so wie diesen hier:
Zum Geleit
Apropos nächtliches Tippen von Dingen, die genau mein Ding sind: Ich schließe nun für heute und beziehe mein gewohntes, liebgewonnenes Quartier im Gewerbegebiet Sachsenpark. Dort erwarten mich drei Überraschungen:
Das war letztes Jahr schon so, aber ich hatte es vergessen.
Zweitens: Durch großflächige wie plötzliche Lagerhallenbebauung ist der Messeblick nun noch besser geworden:
…aber wie Karl Kraus ja sehr richtig sagte: Gemütlich bin ich selber.
Und drittens:
Feine Idee, hier das verbandseigene Kundenmagazin auszulegen. Und nächstes Jahr dann eine Drehsäule mit allen Magazinen von Anabel.
Nun: Mag ich als frischgebackener Inhaber auch dieses Jahr schlecht vorbereitet und schlecht rasiert sein – ich werde wieder viel Spaß haben und kann Ihnen jetzt schon ein paar interessante Gesprächspartner verheimlichen. Den wie zufälligen Charakter des Hingehudelten, der sonst immer eine hochessenzielle Drechselarbeit ist, werde ich eben dieses Jahr noch sehr viel authentischer hinkriegen.
Krassestes Getränk des Tages, serviert vom frisch relaunchten Bernhard Fetsch beim Athesia-Kalenderverlag:
Keine Sorge, am Wochenende gibt’s natürlich wieder Whisky. Aber ich liebe kalte Milch, und mir war gerade danach.
Einen guten Messedonnerstag wünscht
Ihr
Matthias Mayer
Wunderschöne Liedeinstiege von Karel Gott,
der goldenen Stimme aus Prag,
1 von 5:
„In einem unbekannten Land,
vor gar nicht allzu langer Zeit,
war eine Biene sehr bekannt,
von der sprach alles weit und breit.“
(Die Biene Maja, 1976)
Kaum bin ich mal nicht dabei, schon werde ich nicht mehr durch den Kakao gezogen. Wenigstens das hättest Du erwähnen können
„Der größte Feind des Buches ist das Handy“
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.buchmarkt-gruender-christian-von-zittwitz-der-groesste-feind-des-buches-ist-das-handy.c9f7ee47-32bb-4bdd-be7f-b8c696fc76bb.html
Dann fehlt ja einer der Wichtigsten! Aber – Wie soll er denn jemanden durch den Kakao ziehen, wenn er nur kalte Milch trinkt? Das wäre ja richtig ungemütlich!
Ich brauche keinen genuinen Kakao. Zur Verhonepiupelung genügt mir bereits die vorhandene Luftfeuchtigkeit.
Wie jetzt – ausgerechnet Du hast die Häppchen nicht gefunden?!? Die waren um die Ecke auf dem Gang und sehr, sehr lecker…
Das wird mir sicher ewig nachhängen: Essen, das mir entwischt ist.
Prozentrechnung geht so nicht!
* schnurr *