Die letzten Jahre waren für Deubner-Geschäftsführer Dr. Klemens Werner und seinem Team mit harter strategischer Arbeit verbunden. Nach drei Jahren hat er den Verlag wieder auf Kurs gebracht. Und macht anderen Verlagen Mut, sich auf den Weg zu machen, altes abzuschneiden und neues zu probieren.
Buchmarkt.de: Ein kleiner Fachverlag wie Deubner scheint heute neben den großen Marken kaum Erfolgschancen zu haben, auch wenn man eine Mutter wie die WEKA im Rücken hat. Zu klein scheint das erwartete Portfolio. Und so kam es zwischenzeitlich zum Tief. Dabei hatte Deubner eine Praxisorientierung im Blick, die durchaus einzigartig war. Hat das nicht ausgereicht?
Dr. Klemens Werner: Die Ausrichtung auf die Erfordernisse der Praktiker gehört sozusagen zur DNA von Deubner. Allerdings ist dieser Wettbewerbsvorteil in den letzten Jahrzehnten zunehmend und z.T. nicht unerfolgreich von Wettbewerbern kopiert worden. Zudem verändern sich die Bedürfnisse der Praktiker weiter. Aufgrund veränderten Wettbewerbsdrucks hat der Rechtsanwalt und Steuerberater immer weniger Zeit für die Recherche von Fachinformationen. Zunehmend gewinnen elektronische Recherchemöglichkeiten, die überall verfügbar sind, an Bedeutung. Für Deubner bestand und besteht die Herausforderung darin, die Praxisorientierung beständig den sich ändernden Bedürfnissen der Kunden anzupassen. Wir verfolgen dabei einen evolutionären und keinen revolutionären Ansatz.
Sie sehen Deubner wieder auf Erfolgskurs. Wie konnte das gelingen?
Im Vordergrund steht für mich das klare strategische Profil von Deubner. Wir überprüfen jedes Jahr genau, was uns im vergangenen Jahr vorangebracht hat und was uns eher nicht vorangebracht hat. Dabei kennen wir keine Tabus. Das was uns voranbringt, fließt sozusagen in die Strategie ein, das was uns nicht geholfen hat, lassen wir zukünftig konsequent sein. Und dieses Wissen um die Strategie ist wirksam, d.h. die Strategie ist nicht nur dem Geschäftsführer oder den Abteilungsleitern bekannt, sondern wirklich allen Mitarbeitern. Zugleich haben die Mitarbeiter entsprechend ihres Reifegrades die Möglichkeit eigenverantwortlich im Rahmen der Strategie und der vereinbarten Ziele zu entscheiden.
Was haben Sie konkret gemacht?
Wir haben z.B. die Stärken von Deubner im Rahmen einer sog. SWOT-Analyse ermittelt. Dabei haben wir zu Beginn eher die Schwächen (Weaknesses) gesehen, u.a. die Anfang 2008 noch bestehende große Abhängigkeit vom Loseblattgeschäft, das kontinuierlich rückläufige Umsätze aufweist. Erst mit der Zeit haben wir herausgefunden, dass die Ausrichtung von Deubner auf das Loseblattgeschäft auch einen immensen Vorteil (Strenght) bedeutet. Die gesamte Organisation ist sozusagen darauf getaktet, im Rhythmus von 2 oder 3 Monaten neue Informationen zu publizieren. Im Zeitalter tagesaktuell verfügbarer Datenbanken ein nicht zu unterschätzender Pluspunkt. Zumal wenn man sich die Angebote der Wettbewerber anschaut, die z.T. ihren Kunden 2 oder 3 Jahre alte Kommentare online offerieren. Wenn Sie mal versucht haben, die Taktung eines solchen Werkes zu erhöhen, wissen Sie wie immens dieser Vorteil ist.
Wie sehen Ihre Produkte heute aus? Welche Regeln haben Sie für die Produktentwicklung aufgestellt?
Wir haben eine handvoll konkreter Regeln aufgestellt, die sorgfältig überprüft werden, bevor wir die Entscheidung für ein neues Produkt treffen. Dabei zählt nicht die Meinung eines Geschäftsführers oder Programmleiters, sondern wir orientieren uns an gemeinsam erarbeiteten Regeln. Eine der Regeln lautet z.B., dass das Produkt einen klaren usp aufweisen muss. Eigentlich ist das für Deubner kein neues Kriterium. Allerdings ist die wahre Bedeutung dieses Kriteriums über die Jahre verloren gegangen. Oft wurde geglaubt, dass es bereits ein usp ist, wenn ein Produkt als praxisnah bezeichnet wird. Wir haben dann gemeinsam die ursprüngliche Bedeutung wieder herausgearbeitet und glauben, dass wir heute nur solche neuen Produkte an den Markt bringen, die einzigartig sind.
Was heißt für die Mitarbeiter, den Umsatz im Blick zu behalten?
Deubner wertet sehr genau aus, mit welchen Produkten Geld verdient wird und mit welchen nicht. Jeder Mitarbeiter kann monatlich anhand von Zahlen genau feststellen, wie sich sein Produkt entwickelt hat.
Woher wissen Sie vorher, ob ein Produkt einen bestimmten Mindestumsatz erreicht?
Grundsätzlich haben wir in unserem Produktentwicklungsprozess festgelegt, dass jedes Produkt vorher mit Kunden besprochen und getestet wird. Aufgrund unserer Erfahrung können wir bei einer bestimmten Reaktion unserer Kunden auf unsere Produkte recht präzise vorhersagen, ob das Produkt sich verkaufen lässt oder nicht.
Welche Kunden wollen Sie ansprechen und was erwarten diese aus Ihrer Sicht heute?
Grundsätzlich sprechen wir kleine und mittelgroße Rechtsanwalts- und Steuerberatungskanzleien an. Für diese Zielgruppen ist einerseits die Konkurrenz immer größer geworden. Andererseits kämpfen sie mit zunehmender Zeitnot. Der Anspruch unserer Produkte ist es, unseren Kunden dabei zu helfen, Zeit einzusparen.
Wie entwickeln sich die Umsätze im Loseblatt und findet ein Wechsel auf die Datenbank inzwischen statt?
Wir stellen nach wie vor zurückgehende Umsätze im Bereich Loseblatt fest. Im kommenden Jahr werden wir mit Onlineangeboten nach unserer Planung erstmals die rückläufigen Printumsätze überkompensieren können. Deubner plant etwa ein Drittel seines Umsatzes im kommenden Jahr mit reinen Onlineprodukten zu erzielen.
Die meisten Inhalte stehen doch schon im Netz: Was kann eine juristische Datenbank wie Ihre anders als das, was Google kann? Wie muss ein Buchhändler in dieser Situation beraten?
Nach unserer Einschätzung finden Sie im Netz zwar Informationen, aber zu wenig Informationen, die im professionellen Arbeitsalltag von Rechtsanwälten und Steuerberatern nutzbar sind. Hier spielen Haftungsfragen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Zudem stellen wir fest, dass unsere Kunden bereit sind, für schnelles Auffinden von nützlichen Hilfestellungen Geld zu bezahlen.
Der Verkauf einer Datenbank unterscheidet sich vom Verkauf eines Fachbuchs oder eines Zeitschrift deutlich. Beim Verkauf von Print kann ein Buchhändler mit relativ wenig Aufwand so beraten, dass z.B. ein Anwalt selbst entscheiden kann. Bei einer Datenbank geht es aber nicht nur um Inhalte, sondern auch um die usability der Inhalte. Damit steigt das Beratungsbedürfnis des Anwalts deutlich an. Ein Buchhändler muss bereit sein, sich selbst mit den verschiedenen Datenbanken und den Bedürfnissen der Kunden auseinanderzusetzen, um Kunden eine fundierte Empfehlung geben zu können. Unsere Erfahrungen zeigen, dass der Verkauf gar nicht so schwer ist, wenn der Buchhändler erst einmal die Scheu vor dem neuen Medium verloren hat.
In wie fern können Sie Synergien der Mutter WEKA nutzen?
Wir nutzen die Synergien hauptsächlich im Bereich des sog. Back Office, also etwa bei der Buchhaltung oder bei der Personalabrechnung. Daneben bietet der Firmenverbund noch die Möglichkeiten, sehr konkrete benchmarkings durchzuführen, etwa wenn man vergleicht, wie bestimmte Herstellkosten bei dem einen oder anderen Unternehmen tatsächlich aussehen. Und nicht zu unterschätzen ist der Austausch mit Kollegen, die in anderen Märkten und Ländern tätig sind über neue Produkte. Einer der wichtigsten Innovationstreiber ist m.E. der Austausch mit Kollegen in anderen Märkten über deren Erfahrungen. Wichtig dabei, dass man auch auf die Feinheiten achtet.
Sie haben jetzt eine eigene Datenbank-Lösung gefunden, warum nutzen Sie nicht mehr die WEKA-Plattform?
Der ursprüngliche Ansatz der WEKA Plattform war es, eine einheitliche technische Plattform für alle Verlage der Gruppe zu schaffen. Allerdings sind die Geschäftsmodelle der einzelnen Verlage derzeit schon recht unterschiedlich. So hat der eine hohe Werbeerlöse, der nächste hat ein umfangreiches Seminarangebot und wieder der nächste sehr umfangreiche Datenbanken. Es hat sich herausgestellt, dass es kaum möglich ist, für diese unterschiedlichen Angebote eine einheitliche technische Plattform zu schaffen. Zudem ändern sich gerade im Internet Geschäftsmodelle sehr schnell, so dass man die Plattform zügig anpassen muss. Bei so vielen Geschäftsmodellen keine einfache Herausforderung. Mit unserer neuen Technologie haben wir bei Deubner die Möglichkeit, die Technik schnell den Bedürfnissen unserer Zielgruppen anzupassen.
Wie haben die Mitarbeiter auf Ihre Ankündigung eines Wandlungsprozesses reagiert und wie sehen die diesen heute?
Ich glaube, dass es Anfang 2008 eine Mischung aus Resignation und Hoffnung war. Eigentlich wusste fast jeder Mitarbeiter, dass es nicht so weiterging wie vorher. Und trotzdem war die Auseinandersetzung damit für den einen oder anderen schmerzhaft. Heute sind nach meiner Einschätzung im Verlag viele Mitarbeiter stolz darauf, dass wir gemeinsam den turn around geschafft haben. Wir schauen sehr hoffnungsvoll in die nächsten Jahre und sind uns sicher, dass wir unseren erfolgreichen Weg weiter fortsetzen werden.
Was wollen Sie anderen Verleger, die in einer ähnlichen Situation wie in der Ihren damals stecken, gern mit auf den Weg geben?
Optimismus ist sicherlich wichtig und der Glaube an die Mitarbeiter. Ich glaube, dass viele Verleger oft ihre eigenen Fähigkeiten überschätzen und zu wenig sehen, welche unglaublichen Potentiale bei ihren Mitarbeitern vorhanden sind. Das ist ein bisschen wie mit Kindern. Wenn man wirklich möchte, dass sie eigenständig ihren Weg gehen, muss man Vertrauen in ihre Fähigkeiten haben.
Und schließlich die Entwicklung einer klaren Strategie. Ich glaube, dass zu viele Verlage voneinander „abkupfern“ und sich zu wenig auf die eigenen Stärken besinnen, die dazu geführt haben, dass sie die aktuelle Marktposition erreicht haben.
Die Fragen stellte Matthias Koeffler