Das Sonntagsgespräch Erich Schmidt-Dransfeld über Umsatzbringer und Preiskämpfe im RWS-Markt

Erich Schmidt-Dransfeld

Cornelsen hat laut GfK-Zahlen gegen den Trend steigende Umsätze im Segment Recht, Beruf, Finanzen zu verzeichnen. buchmarkt.de hat Erich Schmidt-Dransfeld, Redaktionsleiter beim Cornelsen Verlag Scriptor, in dem Sachbücher und Ratgeber zu Berufskompetenz erscheinen, gefragt, wie man im kommenden Jahr mit dem Segment Geld verdienen kann.

buchmarkt.de: Die jüngsten Zahlen von der GfK bescheinigen der Warengruppe Recht, Beruf, Finanzen keinen leichten Stand. Hat der Handel seine Chance nicht erkannt und die Bücher zu wenig nach vorn gestellt?

Schmidt-Dransfeld: Wir zielen als Verlag auf den Bedarf des Endkunden. Und der ist mündig, viele Wege zu gehen, um an seinen, sagen wir mal neudeutsch: Content zu kommen. Dass das eine Herausforderung für den Handel ist, wissen wir doch alle. Ich halte es auch für zu kurz gesprungen, die Warengruppe en bloc betrachten zu wollen. Sie umfasst unterschiedliche Dinge, die sich auch unterschiedlich im Jahr 2009 entwickelt haben.
 
buchmarkt.de: Welche zum Beispiel?

Schmidt-Dransfeld: Schauen wir uns den Programmbereich Existenzgründungsliteratur an. Vor der Krise gab es 400.000 Gründer im Jahr, daraufhin an die 100 Novis im Jahr 2009. Geht das Thema „Gründung“ also jetzt besser oder schlechter? Das kommt drauf an. Der Bereich spreizt sich ja von Basisratgebern für Gründungswillige und Starter bis zum Special über Finanzierung. Wir haben zwar mehr Orientierung – mehr Menschen prüfen jetzt die Selbstständigkeit als Alternative –, aber weniger Gründungszahlen und zurückgehende Aktivitäten. Die Gründe für den Schwund in der Warengruppe an sich liegen aber tiefer. Gerade die Gründer nutzen Internetportale und Beratungen und kommen längst nicht mehr alle beim Buch an. Wenn Buch, dann muss man es sehr zielgerichtet machen.
 
buchmarkt.de: Haben die Verlage zu wenig Marketing betrieben?

Schmidt-Dransfeld: Mit Sicherheit nicht. Der Marketingaufwand wächst, wie in allen Branchen. Es kann in Zukunft nicht um noch mehr Marketing gehen, sondern es muss um das erfolgversprechendste gehen.
 
buchmarkt.de: Andererseits ist der Markt sehr kleinteilig. Gibt es viel Konkurrenz, sind die Kunden verwirrt?

Schmidt-Dransfeld: Zur Kleinteiligkeit stimme ich zu. Konkurrenz verwirrt die Kunden aus meiner Sicht aber nicht. Ich halte gerade unser Publikum für hoch kompetent, auszuwählen, was einen selbst am besten anspricht. Aber wenn in einem kleinteiligen Markt Konkurrenz herrscht, sinken natürlich die Anteile pro Anbieter.
 
buchmarkt.de: Die GfK bescheinigt dagegen Cornelsen und nur wenigen anderen gegen den Trend wachsende Zahlen. Wie sah das Wachstum aus im schon fast vergangenen Jahr 2009?

Schmidt-Dransfeld: Sie erwarten hoffentlich keine konkreten Zahlen. Wir bedienen mehrere Marktsegmente und die haben sich unterschiedlich entwickelt. Wir haben teils steigende Marktanteile, und in der Summe stimmt das Geschäft.
 
buchmarkt.de: Worauf führen Sie das zurück?

Schmidt-Dransfeld: Nun, wir sind kein typischer RWS-Anbieter, sondern wir bieten etwas an, was wir mit Berufskompetenz umreißen und vielschichtig gestalten. Diese Programmatik funktioniert nicht nur trotz Krise, sondern mindestens partiell gerade wegen der Krise.
 
buchmarkt.de: Welche Titel bzw. Reihen laufen gut bei Ihnen?

Schmidt-Dransfeld: Alles, was konkreten Nutzen bringt, was klar adressiert ist. Und was als Buch noch einen Mehrwert bietet, den man nicht einfach auch aus dem Netz bekommt.
 
buchmarkt.de: Wissen Sie – zum Beispiel durch Umfragen -, was Sie daran richtig machen?

Schmidt-Dransfeld: Aus Umfragen weniger, aber aus Gesprächen mit Multiplikatoren, etwa mit Dozenten. Und wir erhalten gehäuft Angebote von Autoren, die sich momentan mit dem Unterbringen ihrer Titel schwerer tun und uns ansprechen, auch wenn die Dinge nicht wirklich programmatisch passen. Das führt uns immer wieder vor Augen, was wir anders machen als andere. Da blitzen dann viele Manuskripte bei uns ab, weil sie zwar interessante Themen bieten, uns aber zu wenig von der Kundenperspektive her kommen.
 
buchmarkt.de: Und hat der Buchhandel das erkannt? Oder wie hoch ist der Barsortimentsanteil?

Schmidt-Dransfeld: Nehmen wir noch mal unsere Gründer als Beispiel her: Das Segment lohnt, nicht nur für Fachverlage, sondern da sind auch die Taschenbuchkollegen kräftig unterwegs. Aus dem Blickwinkel des Buchhandels sind es aber begrenzte Auflagen, und je nach Standort ist das Thema uninteressant oder hat Chancen. Wenn es einer nicht merkt, dass er ein Gründerzentrum um die Ecke hat und lokales Marketing machen könnte, kann ich ihm nicht helfen. Wenn es konkret für ihn nicht lukrativ genug ist, und er sich bewusst dagegen entscheidet, kann ich das verstehen. Da brauchen wir nicht drum herum zu reden, dass dafür viele Themen der Warengruppe im Bestellgeschäft und im elektronischen Buchhandel hohe Anteile haben. Aber ich freue mich doch über jedes verkaufte Stück Buch. Denn die Alternative – und um diese Baustelle kümmern wir uns natürlich in einem Fachprogramm auch – steuert auf digitale Produkte zu. Sie werden dann irgendwann den BuchMarkt in ContentMarkt umbenennen müssen.
 
buchmarkt.de: Inzwischen ist gerade im unteren Preissegment ein Preiskampf ausgebrochen. Wie kann man da noch etwas holen, ohne an seine Leistungsgrenzen zu gehen?

Schmidt-Dransfeld: Wenn man extra etwas für das unterste Preissegment machen will, kann das kaum funktionieren. Das mag in populären Warengruppen, wo sich sehr große Auflagen erzielen lassen, noch anders sein. In unserem Programm haben die kleinpreisigen Produkte immer auch eine strategische Funktion – und das in mehrfacher Hinsicht. An der Qualität machen wir keine Abstriche.
 
buchmarkt.de: Welche strategische Position haben die?

Schmidt-Dransfeld: Diese Frage geht einerseits ans Eingemachte, andererseits sollte das Ihren Lesern ziemlich klar sein; deshalb nur ganz knapp: In der Programmentwicklung bringt es Synergien, Themen in konzeptioneller Variation in verschiedenen Formaten zu entwickeln. Und da meine ich Format sehr weit. Im Marketing sind die preiswerten Titel natürlich Türöffner. Und am Rande: Sie sind die Spitzenreiter bei unseren Auslandslizenzen: „Pocket Business“ ist eine Reihe, die international gut funktioniert!
 
buchmarkt.de: Kleine Preise lassen keine großen Informationszusammenhänge mehr zu, wie muss man das Segment verkaufen?

Schmidt-Dransfeld: Produkte mit zu kleinen Preisen würde ich nicht verkaufen wollen, weil ich nicht daran glaube, dass das nachhaltig funktionieren kann. Aber die Kunden wollen kompakte Titel, und es ist unser Job als Verleger, da den Grat richtig auszuloten. Was uns beispielsweise mit „Pocket Business“ bisher gut gelungen ist.
 
buchmarkt.de: Welche Chancen sehen Sie im Segment zwischen 10 und 20 Euro?

Schmidt-Dransfeld: Die GfK-Zahlen zeigen, dass dieser Bereich stabil bis steigend läuft. Mir erklärt sich das damit, dass die Nutzerschicht polarisiert ist. Ein Teil wünscht sich ausdrücklich kompakte Titel, für einen anderen  Teil sind die ganz kleinen Ratgeber keine ansprechenden Bücher, sondern man gibt dann eben die 10 bis 20 Euro aus. Wir publizieren mit der Reihe „Crashkurse!“ gerade in dieser Spanne vermehrt.
 
buchmarkt.de: Hochpreisige Bücher finden nur schwer zum Käufer. Werden die zu zögerlich angeboten?

Schmidt-Dransfeld: Ich würde da nicht von zögerlichem Anbieten sprechen, sondern wir haben eher ein Problem, den Produktwert zu kommunizieren. Preiswerte Produkte finden in jeder Branche zum Käufer, während bei teureren doch eher der Kunde gezielt das Produkt sucht und seine Kaufentscheidung sorgfältiger abwägt. Wenn Verkauf über Beratung zurückgeht, müssen wir lernen, andere Kommunikationsinstrumente besser zu spielen.
 
buchmarkt.de: Andererseits benötigen hochpreisige Titel auch eine ausgefeilte Programmarbeit. Was zeichnet ein gutes hochpreisiges Buch in dieser Warengruppe aus?

Schmidt-Dransfeld: Da kann ich nur zustimmen, ich habe gerade den Produktwert ins Feld geführt. Hochpreisige Titel sind gut ausgestattet und/oder bieten Umfang. Natürlich nicht als Selbstzweck, sondern um ein Thema rund darzustellen und in begründeter Gewichtung seiner Facetten. Die Leistung steckt in der inhaltlichen Komposition, in der Verlässlichkeit und nicht zuletzt in einer rezeptionsfreundlichen Darbietung. Alles drei positioniert sich klar gegen das, was man so landläufig schnell aus dem Netz ziehen kann und bietet dem Leser eben guten Service.
 
buchmarkt.de: Eigentlich müsste die Warengruppe angesichts der Krise zur gefragtesten gehören. Was erwarten Sie vom nächsten Jahr?

Schmidt-Dransfeld: Wie ich schon sagte: Die Warengruppe ist inhomogen. Wer seinen Job verliert und deshalb keine Steuern mehr bezahlt, kauft keinen Einkommensteuerratgeber. Jemand anders kümmert sich vielleicht jetzt endlich darum, seine Steuererklärung zu optimieren. Und mit unserem Titel über systematische Schritte aus der Arbeitslosigkeit sollten wir gut aufgestellt sein. Wir sind optimistisch, dass wir die richtigen Themen besetzen, aber doch realistisch genug zu wissen, dass sich die Leute ihr Geld einteilen werden.
 
buchmarkt.de: Welche Themen aus dieser Warengruppe müssen nächstes Jahr vorn stehen?

Schmidt-Dransfeld: Da kann ich nur augenzwinkernd sagen: Lesen Sie unsere Vorschau. Aber im Ernst: Wir sind ein Bildungsverlag, der Berufskompetenz bis zu Ratgebern herunterbricht. Wir starten Crashkurse, auch für das Selberlernen, denn Qualifizierung und Weiterbildung im Job wird einerseits verstärkt, aber andererseits preiswerter stattfinden. Und wir haben Work-Life-Balance begonnen und richten die Themen auf akute Problemlagen aus, zum Beispiel wie man ein Scheitern bewältigt oder mit Veränderungen umgeht. Blicke hinter die Kulissen der Wirtschaft und Finanzwelt halte ich auch für nachgefragt, aber das ist nun nicht unser Programmbereich.

Die Fragen stellte Matthias Koeffler.
 

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