Hans-Jürgen Balmes wird heute 60 Jahre alt. Sein Freund Michael Krüger gratuliert dem S.Fischer-Lektor zum runden Geburtstag:
Es gab einmal eine Zeit im vorigen Jahrhundert, da mussten Lektoren nicht drittklassige amerikanische Liebesromane als grosse Ereignisse ausrufen („In zwölf Länder verkauft, endlich hat sich ein Dummer in Deutschland gefunden“), da gehörten zweifelhafte Kriminalromane in die dafür vorgesehenen Reihen und bestimmten nicht die Programme seriöser Verlage, da gab man noch etwas auf Literatur als Kunst. Es liegt mir fern, diese Zeiten als selige in Erinnerung zu rufen, sie waren nur anders. Es gab noch nicht diese verschwitzten Lektorengespräche darüber, wieviel advance man für ein Exposé für einen „ganz tollen“ Liebesroman über eine Dystopie in Nebraska gezahlt hat, und man „berichtete“ nicht an jemand, sondern diskutierte literarische Qualität
mit einem Verleger, der auch etwas darunter verstand. In dieser längst vergangenen Zeit kam ein junger Mann zu uns in den Verlag, der sich schon bald auf eine stille, aber insistente Weise unentbehrlich machte: Hans Jürgen Balmes, der jetzt sechzig Jahre alt wird.
Damals wurde in den Lektoraten noch von Klassikern gesprochen, und einer wie er, der von Hölderlin und Novalis ebenso begeistert war wie von seinen Zeitgenossen, passte zu Hanser „wie die Faust aufs Auge“. Außerdem sah er gut aus, und seine anfängliche Schüchternheit öffnete
das Herz von Felicitas Feilhauer, für die er bald wichtige Aufgaben erledigte. Ich erinnere mich noch an eine Zeitung „Der Ferdydurkist“, die sie anlässlich der Gesamtausgabe von Witold Gombrowicz entwickelt hatte und für die HJ Balmes entscheidende Beiträge verfasste. Aus-serdem wurde er Mitherausgeber der bis heute gültigen Leseausgabe der Werke von Novalis, was damals ungewöhnlich war.Wir waren sehr schnell befreundet, gewissermassen „generationenübergreifend“ – ich bin dreizehn Jahre älter und habe heute, da ich dies im Zug von Düsseldorf nach München schreibe, Geburtstag –, weil Hans Jürgen auch die Poesie liebte. So übernahm er die Redaktion der Jahrbücher des Petrarcapreises, die bis heute eine Fundgrube für die Petrarcarezeption wie für zeitgenössische Lyrik sind. Dann ging er zu Ammann nach Zürich,
wo er neben dem wunderbaren, unvergessenen Berserker noch mehr lernte und seine zweite Begabung weiterentwickelte: Das Übersetzen von Poesie, die dankbarste, schwierigste, wenn auch nicht gerade bestbezahlte Übersetzertätigkeit, die Hans Jürgen bis heute ausübt:
Gerade erscheinen seine Übertragungen von W.S.Merwin im Lyrikkabinett bei Hanser und die Gedichte von Ed Hirsch in der von Balmes mitherausgegebenen „Neuen Rundschau“.Seit 1999 ist er bei Fischer für internationale Literatur zuständig, und wenn er Zeit hat, kümmert er sich um das Werk von Autoren, die er bei uns kennenlernte: Er übersetzt in schöner Regelmässigkeit die Bücher von John Berger, er gibt Bücher über Chatwin und Tranströmer heraus, und gelegentlich schreibt er schöne Porträts in der NZZ. In der NZZ schrieb er in einem Artikel über die Sängerin Joni Mitchell – an ihr kann man sich „wie am Gesang einer Amsel nicht satthören“ – über die Gefahren beim Älterwerden: „Am Ende schließt man sich in seiner eigenen Erfahrung ein und singt nur noch Karaoke zu den eigenen Hits – willkommen in der Hölle der Oldies.“ Ich weiss nicht, ob er mit diesem Satz auf mich anspielen wollte, für ihn jedoch gilt, dass er wahrscheinlich noch lange als Amsel auftreten kann.
Herzlichen Glückwunsch zum sechzigsten Geburtstag am 7. Januar und auf bald!
Dein alter Michel Krüger
Kontakt: info@fischerverlage.de
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