Die von Nachkommen von Helen und Kurt Wolff ins Leben gerufene Förderung für politisch verfolgte Autorinnen geht in die zweite Runde. 2024 werden Helen Wolff Grants in Höhe von 10.000 Euro verliehen. Sie werden an Schriftstellerinnen aus Afghanistan, Gaza, Iran, Libanon und aus Syrien vergeben. Darüber hinaus werden sogenannte „Junior Grants“ an afghanische Nachwuchsautorinnen verliehen, die neben einer finanziellen Unterstützung die Teilnahme an Schreibworkshops beinhalten.
Die Helen Wolff Grants sollen es politisch verfolgten oder von politischer Verfolgung gefährdeten Autorinnen ermöglichen, trotz schwierigster Umstände weiterzuschreiben. Nachdem 2022 alle Grants in Höhe von 18.000 Euro an afghanische Autorinnen gingen, werden in diesem Jahr auch schreibende Frauen aus anderen Krisenregionen berücksichtigt, in denen es nicht möglich ist, frei zu arbeiten und zu publizieren.
Mit der Einführung der „Junior Grants“ sollen gezielt afghanische Frauen gefördert werden, deren Rechte nach der erneuten Machtübernahme durch die Taliban im Jahr 2021, vor allem im Bildungsbereich, radikal eingeschränkt wurden. Besonders durch den Ausschluss von den Universtäten fehlen Räume, in denen Frauen das Schreiben lernen und schreibende Frauen weiterarbeiten können. Die „Junior Grants“ gehen deswegen mit Schreibworkshops unter der Leitung einer erfahrenen afghanischen Autorin einher.
Die Nachkommen der Familie von Helen und Kurt Wolff vergeben die Grants in Zusammenarbeit mit Weiter Schreiben. Das Auswahlverfahren findet innerhalb einer internationalen Jury statt, Initiativbewerbungen sind nicht möglich.
Zum Hintergrund:
Die Namensgeberin des Stipendiums, Helen Wolff, war selbst eine aufstrebende Autorin, als sie 1933 als junge Frau ins Exil gezwungen wurde, nachdem die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht gelangt waren. Zusammen mit ihrem Mann Kurt Wolff, der in den 1910er und 1920er Jahren ein bekannter Verleger war, baute sie in den 1940er Jahren in New York den Verlag Pantheon Books auf und wurde zu einer wichtigen transatlantischen Literaturvermittlerin. Erst 2020 wurde ihr Roman Hintergrund für Liebe wieder entdeckt und im Weidle Verlag veröffentlicht. Helen Wolff hatte nach ihrer Ankunft in den USA immer geheim gehalten, dass sie in Europa selbst schriftstellerisch gearbeitet hatte. Es schien ihr nach dem Krieg zu kompliziert und riskant, die Umstände ihres Schreibens und ihres Scheiterns zu erklären. Helen und Kurt Wolff hätten ihre Flucht durch Europa nicht überlebt, hätten sie nicht die Unterstützung der Netzwerke von zahlreichen Menschen gehabt, darunter etwa dem Ehepaar Emil und Emily Oprecht, das selbst verlegerisch tätig war.
Nachkommen von Kurt und Helen Wolff taten sich 2022 zusammen, um Einkünfte aus einer Familienbiografie, die Alexander Wolff, der Enkel Kurt Wolffs verfasst hat, für die heutige Generation von politisch verfolgten, schreibenden Frauen zu spenden. Auch die Einkünfte aus dem Roman Helen Wolffs, der mit einem langen biografischen Nachwort ihrer Großnichte Marion Detjen versehen ist, fließen in die Grants. Die Familie ist überzeugt, dass die literarischen und verlegerischen Leistungen von Helen und Kurt Wolff nur richtig gewürdigt werden können, wenn die Würdigung mit einer Verpflichtung für Autorinnen einhergeht, die heute nicht frei arbeiten und publizieren können.
Die Helen Wolff Grants sollen auch einen „Brückenpfeiler“ schaffen, damit kulturelle Verbindungen von hier in die Heimatländer gebaut und gehalten werden können; damit das Wissen des Exils sowohl hier als auch dort fruchtbar werden kann.