Der Verleger und Autor Johannes Thiele wird heute 70 Jahre alt. Literaturagent Roman Hocke (AVA) gratuliert zum runden Geburtstag:
Johannes Thiele ist für mich ein Glücksbringer, der mich auf meiner Karriereleiter als Literaturagent von Beginn an begleitet hat. 1997 strich ich auf der Frankfurter Buchmesse als auf eigenen Wunsch hin neu geschaffener Literaturagent durch die Hallen, bemüht, Kontakt zu den Verlagsmenschen herzustellen. Ich hatte zwar 17 Jahre lang für den Weitbrecht Verlag gearbeitet, kannte viele Autoren, aber in der Verlagswelt war ich nicht bewandert. Ich kannte niemand und niemand kannte – das war die erschütternde Feststellung! – mich. Da schaute mir überraschend aus dem Stand des Verlagshauses an der Goethestraße ein freundlicher Mann voller Neugier direkt in die Augen. Ich kannte ihn aus der Branchenpresse. Es war Johannes Thiele, der sich mit dem Verleger Christian Strasser zusammengetan hatte, um, wie sich später herausstellte, ein neues Bücher-Imperium zu schaffen. Ich erinnere mich heute noch genau daran, wie ich auf ihn zuging, die Hand zum Gruße ausgestreckt, um ihn zu fragen, ob ich in dem Bund nicht der Dritte sein könnte. Er nahm meine Hand tatsächlich an, nicht aber mein Angebot. Stattdessen führte er ein ausgesprochen interessantes, überaus angenehmes und besonders zukunfthaltiges Gespräch mit mir, dem Nobody. Und das war mein endgültiger Eintritt in die Welt des Buches als selbstständiger Literaturagent. (Johannes, sehr herzlichen Dank für deine unglaubliche Offenheit, Büchern und Menschen gegenüber!)
Johannes Thiele war auch der erste Verlagsmensch, der ein durchaus attraktives Erstangebot für Peter Pranges Longseller „Das Bernstein Amulett“ abgab. Leider hat er den Zuschlag damals nicht erhalten, denn der Scherz Verlag war bereit, unsere finanziellen Erwartungen zu erfüllen. Aber sein Angebot tat gut, machte sicher und gab den Mut, größer zu denken. In dieser Zeit entwickelte sich unsere Bekanntschaft zu einer langen Freundschaft, in der es immer zu schönen und interessanten Begegnungen gekommen ist. Viele Buchprojekte haben wir über alle seine Verlage hinweg, in denen er gearbeitet hat, bis in die heutigen Tage verwirklicht. Seine Bücher mit den Gemälden des phantastischen Künstlers Friedrich Hechelmann sind kleine Kunstwerke, und ihm ist es zu verdanken, dass Max Kruse bis kurz vor seinem Tod noch seine Gedichte veröffentlichen konnte. (Johannes, besten Dank für das Vertrauen und die Zusammenarbeit!)
Geboren 1954 in Paderborn als Sohn eines Orgelbauers, studierte Johannes Thiele Theologie und Philosophie, Germanistik und Geschichte, um ein Spezialist für die bunte Vielfalt menschlicher Wirklichkeiten zu werden, und war als Programm- und Verlagsleiter in verschiedenen deutschen Verlagshäusern tätig: Vom Kreuz Verlag, über den Patmos Verlag, Hoffmann & Campe Verlag und dem Verlagshaus an der Goethestraße bis hin zum Bastei Lübbe Verlag: Überall zeichnete er sich durch sein Gespür für qualitativ hochwertige und interessante Bücher aus.
Dem Gentleman der Verlagswelt, wie er unter Freunden gerne genannt wird, verdanke ich eine weitere Sternstunde meines Lebens. Als frischgebackener Literaturagent war ich auf der Suche nach einem Partner, der über eine vorhandene Bürostruktur verfügte, denn die wachsende Verwaltungsarbeit nahm mir zunehmend die Luft für die kreative Arbeit. Ich hatte mit einer Reihe von Kollegen Verbindung aufgenommen, aber nirgends wollte der berüchtigte Funke überspringen. Johannes Thiele stellte dann die Verbindung zu Reinhold Stecher von der AVA in Herrsching her, mit dem er gut bekannt, ja befreundet war. Was für ein Glücksfall! In jenem Mai 2000 führten wir zu dritt ein Gespräch in dem Garten von Reinhold Stecher, das mein Leben verändert hat. (Johannes, besten, sehr herzlichen Dank auch dafür!)
Eigentlich war alles ganz anders gedacht und geplant gewesen! Im Dreiergespann wollten wir die neue AVA gemeinsam gründen und aufbauen, Johannes Thiele und ich wollten später dann Stechers Autoren übernehmen. Das war unsere feste gemeinsame Vision damals. Der Mensch plant, aber Gott lenkt – das wissen wir alle. Dem verlockenden Angebot, Verlagsleiter des Bastei Lübbe Verlages zu werden, konnte Johannes Thiele nicht widerstehen. Er war und ist doch im tiefen Grunde seines Herzens ein Verleger. Dieses Herz setzte sich auch klar und deutlich durch, als wir am Ende seiner Bastei Lübbe Jahre wiederum ins Gespräch über eine Zusammenarbeit kamen, seine Entscheidung aber letztlich doch wieder auf ein ganz spezielles Gemisch von Autorenschaft und Verlegerei fiel, dieses Mal maßgeschneidert auf seine Persönlichkeit.
Seit 2005 ist Johannes Thiele freier Autor und Publizist, seit 2007 Verleger des eigenen Thiele Verlages. Sein Slogan hieß anfangs „Eine Welt aus schönen Büchern“, heute „Verlag für Lieblingsbücher“. Großartig! Die verlegten Bücher sind sowohl inhaltlich wie ästhetisch ansprechend und anregend. Den Verlag betreibt er erfolgreich gemeinsam mit seiner Frau Daniela Thiele, die ihm Glück und den Autor Nicolas Barreau brachte, der den Thiele Verlag auf Platz 1 der Bestseller-Listen katapultierte. Daniela Thiele schreibt über ihren Mann: „Für mich ist Johannes ein ‚Fels in der Brandung‘ und doch zugleich ein ganz beweglicher Geist, ein Mann der tausend Ideen. Ein Mann der Worte und der Bilder. Seine Kreativität, sein Talent, aus nichts etwas Wunderbares zu machen, ist beeindruckend. Da ist er ein wahrer Zauberer. Und er hat die beneidenswerte Gabe, die Kipling in seinem schönen Gedicht ‚If‘ beschreibt: ‚If you can meet with Triumph and Desaster and meet those two imposters just the same‘. Mit ihm zusammenzuarbeiten ist bereichernd und inspirierend. Er hat schon viele Autoren und Autorinnen entdeckt und auf den Weg gebracht, mich eingeschlossen. Und er ist sicher einer der integersten Menschen, die ich kenne.“
Als Autor und Herausgeber hat Johannes Thiele ein großes Werk geschaffen, es dürften wohl deutlich mehr als einhundert Bücher sein. In allen vermittelt er Kultur vom Feinsten. Seine Bücher beschäftigen sich mit Spiritualität, Philosophie, Kunst und Lebenskunst sowie der Suche nach Sinn und Erfüllung. Aus seiner Feder stammen auch wichtige Biografien, beispielsweise über Kaiserin Elisabeth, Königin Luise und Romy Schneider sowie Grundlagenwerke wie „Das Buch der Deutschen” und „Die Bilder der Deutschen”. Seine Arbeit verdient Anerkennung für die Bereicherung der Literaturwelt und die Wertschätzung, die er dem Buchhandel entgegenbringt.
Was ich an Johannes Thiele schätze, ist seine große Bildung, seine Freundlichkeit, seine vornehme und gepflegte Art des Umgangs, sein offenes Ohr, seine große Neugier und sein verlegerisches Geschick. Was ich vermisse, sind die Besuche in seinem Verlagsbüro, seit er von München nach Köln gezogen ist. Ich habe selten ein Office gesehen, dass so klar und deutlich den persönlichen Geschmack seines Besitzers zum Ausdruck bringt. Geprägt von Gemütlichkeit und Funktionalität formten die antiken Möbel, die Ölbilder, die Büsten, die alten Gläser und die Holzregale mit ausgesuchten Buchwerken eine eigene, hochästhetische Welt der Kultur und des Friedens, die wohl die Innenwelt dieses besonderen Menschen und Verlegers aufs Schönste spiegelt.
Lieber Johannes, schön, dass es sich gibt. Du hast wunderbar deine Welt erfunden! Wir schätzen dich als Bücherfreund, Gesprächspartner, Freund, Ehemann, Autor und Verleger. Besten Dank für die Zusammenarbeit und die Bücher. Lass uns weiter nach dem Motto leben: „Litterae thesaurus est“! Das ist UNSER SCHATZ.