BuchMarkt: Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem nunmehr veröffentlichten Beschluss über die geplante Umwandlung von Suhrkamp von einer KG in eine AG geurteilt. Worum geht es?
Rainer Dresen: Nach ersten Meldungen dachte ich, dass es wie so oft in dieser scheinbar unendlichen Geschichte vor allem um juristischen Insiderkram geht, bei dem man gar nicht mehr zuhören will: Nach den bekannten Streitigkeiten zwischen den Suhrkamp-Gesellschaftern wurde ja vor ein paar Monaten von der Berkéwicz-Seite der vermeintliche Königsweg eines sog. Schutzschirm-Insolvenzverfahrens präsentiert. Als dessen Folge sollte Suhrkamp von einer KG in eine AG umgewandelt werden, mit dem „erfreulichen“ Ergebnis, dass der bisher von vielen als so lästig empfundene, weil mit allerlei Sonderrechten ausgestattete Kommanditist Barlach zu einem künftig zahmen Aktionär herabgestuft werden soll. So stand es im Insolvenzplan, dem alle Suhrkamp-Gläubiger mit Ausnahme Barlachs bereits zugestimmt hatten, nachdem man ihnen versichert hatte, dass wohl niemand (ein gewisser Barlach vielleicht ausgenommen) auf irgendwelche Forderungen verzichten muss. Eine erstaunliche Zusicherung, die ja in sonstigen Insolvenzverfahren, in denen üblicherweise alle Beteiligten Einbußen hinnehmen müssen, eher selten vorkommt. Diesen Insolvenzplan also hat das Amtsgericht Charlottenburg als zuständiges Insolvenzgericht bestätigt. Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde von Barlachs Medienholding hat das Landgericht Berlin aus formalen Gründen als unzulässig zurückgewiesen. (Für Insider: U.a. deshalb, weil die Medienholding vor der Bestätigung des Insolvenzplans keinen sog. Minderheitenschutzantrag gestellt hatte.) Auf die Rechtsbeschwerde der Medienholding hat der Bundesgerichtshof nun beide Entscheidungen aufgehoben und die Sache an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.
BM: Und was bedeutet das? Muss das Landgericht jetzt einfach nur die Formalien besser als das Amtsgericht beachten, darf aber den Insolvenzplan trotzdem nach wie vor bestätigen?
RD: So etwa war ein erster Bericht in der SZ durch den kenntnisreichen und gewöhnlich exzellent informierten Prozessbeobachter Andreas Zielcke noch zu verstehen. Doch wie nun von der FAZ zuerst gemeldet, ist das alles nicht so einfach. Lapidar sagt der BGH dazu in seinem nun einsehbaren Beschluss in vermeintlicher Zurückhaltung: „Das Landgericht hat nunmehr umfassend über die Zulässigkeit und Begründetheit der sofortigen Beschwerde der Medienholding zu befinden.“ Bemerkenswert ist dabei aber, dass der BGH zwar einen Großteil des Beschlusses, nämlich 21 der 22 Seiten auf die formale Frage der Beschwerdebefugnis verwendet und diese schließlich, nachdem er auch seinen geduldigsten Leser erschöpft hat, doch noch bejaht hat. Viel interessanter und spannender liest sich, ganz wie in den besten Suhrkamp-Krimis, aber die letzte Seite des Textes. Dort nutzt der BGH die Gelegenheit und teilt dem Landgericht schon mal vorsorglich und in deutlichen Worten mit, welche erheblichen substantiellen Zweifel der BGH am Insolvenzplan selbst hat.
BM: Und die wären?
RD: Es spräche, so der BGH, manches dafür, dass die Barlach-Seite tatsächlich durch den Insolvenzplan eine „wesentliche Schlechterstellung“ hinnehmen musste. Wörtlich führt er aus, dass Barlach „auf der Grundlage der unstreitigen und offenkundigen (.) Tatsachen eine wesentliche Schlechterstellung im Sinne überwiegender Wahrscheinlichkeit (.) glaubhaft gemacht hat (.) Nach dem Inhalt des Insolvenzplans werden hier alle Insolvenzgläubiger ohne die Notwendigkeit weiterer Sanierungsmaßnahmen voll befriedigt. Vor diesem Hintergrund hätte (der Suhrkamp Verlag)in der bisherigen Rechtsform weitergeführt oder der Geschäftsbetrieb im Wege einer übertragenden Sanierung veräußert werden können. Angesichts des Fortbestands des insolventen Unternehmens ist nicht der (.) Regelfall gegeben, dass der Wert der Beteiligung an der insolventen Gesellschaft wirtschaftlich mit Null anzusetzen ist (.). Bei einer Fortsetzung (des Verlags) in der unveränderten Rechtsform hätte für (die Barlach-Seite) die Möglichkeit bestanden, jederzeit ihre Kommanditbeteiligung nach eigenem Ermessen an einen beliebigen Erwerber zu ihrem vollen Wert frei zu veräußern. (.). Ungeachtet der (vom Verlag) geäußerten Bedenken ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass angesichts seiner Stellung im Verlagswesen und der in ihm vereinigten Werte die lohnende Veräußerung einer Kommanditbeteiligung oder des gesamten Geschäftsbetriebs ohne weiteres möglich wäre.“
BM: Und was bedeutet das nun wieder?
RD: Der BGH wundert sich. Er wundert sich darüber, dass trotz Insolvenz alle Gläubigerforderungen erfüllt werden sollen, wenn auch zum Teil nach einer Stundungsfrist. Dann aber wäre die Suhrkamp KG durchaus und wohl entgegen der Angaben im Insolvenzplan werthaltig und hätte auch ohne Umwandlung in eine AG verkauft werden können.
BM: Was folgt daraus?
RD: Wenn der BGH einem nachgeordneten Gericht mitteilt, dass er sich wundert, geht er davon aus, dass das dort registriert und von den befassten Juristen alles unternommen wird, den Grund für die Verwunderung alsbald zu beheben. Es ist deshalb nach der deutlichen höchstrichterlichen Maßgabe nur schwer vorstellbar, dass das Landgericht seine Bestätigung des Insolvenzplans im bisherigen Umfang aufrechterhalten wird.
BM: Und wie geht es dann weiter?
RD: Tja, die Antwort darauf präsentieren sicher schon bald die zahlreichen beteiligten Insolvenzrechtler aus den renommiertesten und teuersten Kanzleien Deutschlands, die schließlich das Ganze ausgeheckt haben. Diese, je nach Sichtweise um mit Suhrkamp-Autor Peter Sloterdijk zu sprechen, „Schrecklichen Kinder der Neuzeit“ oder aber, um Don Winslow zu zitieren, diese „Kings of Cool“ haben sich für ihre kreative Auslegung des Insolvenzrechts bereits in juristischen Kolloquien feiern lassen und werden mit etwas Phantasie hoffentlich schon bald eine Lösung finden, vielleicht inspiriert vom Lasker-Titel „Denk‘ Dir ein Wunder aus“. Wobei das ganze Hin und Her für den Verlag schon lange einen darstellt „Stich ins Herz“ und die „Illusion des Getrenntsein“ hoffentlich nicht irgendwann doch noch zum „Scheintod“ führt.