
Der Autor und Berater Patrick Meier schreibt bei BuchMarkt über eine Branche zwischen Tradition, Sinnsuche und neuen Karrierewegen und wie diese bei der jungen Generation beliebt bleibt.
In Zeiten multipler Krisen ist es keine Selbstverständlichkeit, aber der Buchhandel verzeichnet tatsächlich weiterhin stabile Ausbildungszahlen. Viele junge Menschen entscheiden sich wieder für eine Laufbahn in einer Branche, die lange als gefährdet galt. Hinter dieser Entwicklung steht vermutlich nicht nur die Liebe zum Buch, sondern ein sich wandelndes Berufsbild, das Sinn, Kultur, Community und digitale Kompetenzen miteinander verbindet.
Monika Kolb, Bildungsdirektorin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und Geschäftsführerin des Mediacampus Frankfurt, bestätigt diesen Trend. Große Buchhandelsketten meldeten steigende Bewerber:innenzahlen, doch auch inhabergeführte Buchhandlungen gewännen wieder Nachwuchs.
Sinnsuche als Karrieretreiber
Für viele Auszubildende, die der Generation Z angehören, spielt die Sinnhaftigkeit der Arbeit eine große Rolle, wie Studien zuletzt immer wieder gezeigt haben. So fasst es etwa auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zusammen. Bücher symbolisieren Bildung, Gemeinschaft und kulturelle Identität – Werte, die in vielen anderen Branchen weniger greifbar sind. Der Beruf ist kommunikativ, abwechslungsreich und bietet direkten Kontakt zu Menschen. Kolb beschreibt diese Attraktivität prägnant: «Bücher stehen für Bildung, Kultur und Unterhaltung. Viele bleiben nach ihrer Ausbildung, weil sie sich mit ihrer Arbeit identifizieren und Entwicklungsmöglichkeiten sehen.»
Social-Media-Trends wie BookTok und virale Genres (Young Adult, New Adult, Dark Romance) erzeugen zusätzlich Aufmerksamkeit und sprechen neue Zielgruppen an. Kolb betont jedoch ausdrücklich, dass der langfristige Trend tiefer greift: «Die positive Entwicklung in der Ausbildung hängt nicht allein von bestimmten Genres ab.» Das Interesse an Büchern, die Vielfalt des Berufs und die Freude am Umgang mit Menschen seien langfristig entscheidender als Trendgenres.
Dirk Sackis, Inhaber der Kronberger Bücherstube, erlebt diesen Wandel aus der Perspektive einer inhabergeführten Buchhandlung. Für ihn ist Ausbildung ein wesentlicher Bestandteil seines Berufsverständnisses: «Wir haben ausgebildet und die letzte Auszubildende übernommen. Deshalb machen wir gerade eine Pause, überlegen aber, ob wir später wieder ausbilden. Und ich würde mich sehr freuen – ich finde den Job immer noch richtig toll, sonst würde ich es ja wahrscheinlich auch nicht machen.»
Diese Haltung macht deutlich: Ausbildung ist nicht nur Fachvermittlung, sondern Ausdruck von Begeisterung und Verantwortung für die nächste Generation. Sackis beschreibt die Vorzüge einer Ausbildung bei einer unabhängigen Buchhandlung: « In einer kleinen Buchhandlung gibt es keine große Hierarchie. Jeder muss alles können – und das möglichst so, dass die Kundschaft zufrieden ist.»
In einer früheren BuchMarkt-Serie kamen monatlich Auszubildende zu Wort, die erklärten, warum sie sich für den Beruf entschieden haben. So z.B. auch Petra Bayer, die ihre Ausbildung bei der Bücherinsel Dieburg abgeschlossen hat und damit ihren Traum verwirklichte. Sie sagte im Februar 2024: „Ich bin stolz, dass unsere neuen New Adult-, Manga- und Fantasy-Bereiche auch durch mein Zutun so gut laufen. Denn das heißt, wir locken eine neue Generation Leser:innen in den Laden und verlocken wieder mehr zum Lesen“.
Diversifizierung der Ausbildungsmodelle
Heute existieren neben der klassischen dualen Ausbildung zur Buchhändler:in auch kombinierte Ausbildungswege wie der Handelsfachwirt bzw. die Handelsfachwirtin, E-Commerce-Ausbildungen, duale Studienmodelle und Quereinsteiger:innenprogramme. Kolb beschreibt die Lage optimistisch: «Die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen ist hoch. Die Branche bietet stabile Perspektiven.»
Auch Künstliche Intelligenz hält Einzug in die Ausbildung. Kolb ordnet ihre Rolle klar ein: «KI wird eine ergänzende Rolle spielen, aber ist keinErsatz für zentrale Kompetenzen.» Relevante Einsatzfelder sind die Sortimentsanalyse, automatisierte Empfehlungen, Marketingprozesse und Kund:innenkommunikation.
Nicht ersetzbar bleiben jedoch Beratung, Literaturkompetenz, Empathie und kulturelles Verständnis. Der Buchhandel bleibt ein People Business, das durch Technologie unterstützt, aber nicht ersetzt werden kann. Diese Balance zwischen digitaler Kompetenz und menschlicher Expertise wird auch in der Ausbildung zunehmend thematisiert.
BookTok als Scheinwerfer, nicht als Fundament
BookTok bringt junge Menschen in die Geschäfte – aber es ist nicht der Grund, warum sie bleiben. Sackis bestätigt eine parallele Beobachtung: Die Trendgenres brächten Jugendliche in Kontakt mit Buchhandlungen, doch Berufsethos, Atmosphäre und Kund:innenerlebnisse schafften schließlich die langfristige Bindung.
Die Social-Media-Phänomene funktionieren damit als Türöffner, als erste Berührungspunkte mit der Branche. Die eigentliche Entscheidung für eine Ausbildung fällt jedoch auf Basis anderer Faktoren: durch den Wunsch nach sinnstiftender Arbeit, die Freude am Umgang mit Literatur und Menschen, die Vielfalt des Berufsbildes.
Die Sinnsuche und der Wunsch nach kultureller Identität in einer Generation, die Wert auf Purpose legt, werden damit zu einem möglichen Game Changer, der von der Branche eventuell stärker betont werden sollte.
Der Buchhandel bleibt damit ein attraktiver Beruf für die nächste Generation. Das Berufsbild hat sich erneuert ohne seine Seele zu verlieren.
Patrick Meier, patrick.meier@narratiq.de