Lothar Schirmer über das weggebrochene Kunstbuchgeschäft „Ich möchte das interessierte und engagierte Sortiment dazu animieren, das Kunstbuch wieder sichtbar und greifbar zu machen“

Sind die „stationären Buchhandlungen die letzten Hoffnungsträger für die Versorgung mit Kunstliteratur“? Diese Hoffnung hat Lothar Schirmer im  Editorial seiner Herbstvorschau beschworen  – und wir haben nachgefragt: 

Herr Schirmer, steht es wirklich so schlimm um die Kunstbuchverlage? 

Lothar Schirmer: „Ich möchte das interessierte und engagierte Sortiment dazu animieren, selbst eine kleine Kunstbuchecke einzurichten, um das Kunstbuch wieder sichtbar und greifbar zu machen. Nicht nur, aber auch mit Schirmer/Mosel-Büchern“ (c) Regine Kaiser

Lothar Schirmer: Die Museen waren bundesweit über Monate geschlossen und damit ihre Museumsshops. Ausstellungen wurden über Monate verschoben und damit das Kataloggeschäft und das allgemeine Kunstbuchgeschäft der Verlage zum Erliegen gebracht. Außerdem wird nach wie vor mit Einschränkungen des Publikumsverkehrs gearbeitet, Slots werden vergeben, Sicherheitskontrollen durchgeführt, und es ist kein Wunder, dass die wiedergeöffneten Museen viel an ihrer städtischen Attraktivität verloren haben.

Sie sprechen aus Erfahrung? 

Ich war jüngst in Paris. Ein Museum zu besuchen, war wirklich kein Vergnügen mehr. Es war eigentlich so, als würde man einen Strafgefangenen in einer Strafanstalt besuchen wollen. In Deutschland habe ich ähnliche Erfahrungen gemacht. Da wird es wirklich lange dauern, bis der Museumsbesuch wieder so attraktiv wird, wie er einmal war. Gleiches gilt übrigens auch für die Museums-Buchläden und -Cafés.

Das heißt, das Kunstbuchgeschäft fand auch vor Corona im Grunde nur noch in den Museen  statt? 

Zum großen Teil ja.

Woran lag es denn, dass das Kunstbuch aus dem normalen stationären Handel verschwunden ist?

Einerseits an der Spezialisierung durch spezielle Buchhandlungen, andererseits an der Vulgarisierung im Bildbandbereich hin zu dick, bunt, billig. Da hat der normale Buchhandel die Sache fallen lassen.

In Ihrer Vorschau werben Sie dafür, mit einer Auswahl aus Ihrem Herbstprogramm Kompetenz auch im Kunstbuch Bereich zu zeigen. 

Ja, jetzt kann das von Ausstellungen unabhängige Kunstbuch wieder an Geltung gewinnen. In dieser Situation möchte ich das interessierte und engagierte Sortiment dazu animieren, selbst eine kleine Kunstbuchecke einzurichten, um das Kunstbuch wieder sichtbar und greifbar zu machen. Nicht nur, aber auch mit Schirmer/Mosel-Büchern.

Ich hatte Sie eher als Photobuch-Verleger auf dem Zettel.

Im Grunde waren wir ja immer im Kunstbuchbereich, auch wenn wir uns zunächst mit Photographie beschäftigt haben. Wir haben seinerzeit das Photokunstbuch in Deutschland eingeführt.

Wenn der Handel Ihem Vorschlag folgt: Gehört für eine gute Kunstbuch-Abteilung nicht ein wenig mehr Erfahrung und Fachkenntnis dazu? Die Kunden wissen oft mehr als der beratende Buchhändler…

Die Situation im unabhängigen Buchhandel ist derzeit, bei allem Engagement, sicher nicht einfach. Ein Buchhändler muss und kann nicht alles wissen. Aber er muss und kann auf Nachfrage reagieren. Insofern ist das Verhältnis zum Kunden so gegenseitig wie osmotisch. Und schließlich kann man auch auf erfahrene Verlagsvertreter hören, was das Angebot betrifft.

Ihr Rat oder Tipp ?

Vielleicht ist es ein guter Gedanke, nicht nur auf verkaufsträchtige Belletristik und Ratgeber zu setzen, sondern auch das eine oder andere schöne Kunstbuch im vierten Quartal auf den Tisch zu legen, frontal ins Regal zu stellen und vor allem ins Fenster.

War  das Geschäft  – falls es eins war – bisher zu einfach?

Das Buchhandelsgeschäft war und ist nie einfach.

Der Buchhandel könnte etwas trotzig sein, dass er jetzt für Sie die Kartoffeln aus dem Feuer holen soll. Haben die Kunstverlage den Handel in den letzten  Jahren nicht ein wenig vernachlässigt? 

Der Buchhandel muss nicht irgendwelche Kartoffeln aus dem Feuer holen. Er muss die Nachfrage seines Publikums bedienen und sollte immer auch selbst Initiative ergreifen.

Die Frage stellte Christian von Zittwitz

Durch Klick auf Abb. zur Vorschau

Lothar Schirmers Vorschlag für eine eine kleine Kunstbuch-Auswahl aus seinem Programm, als  Grundstock für weitere Titel von anderen Verlagen: 

„Gemalte Tiere“ – Meisterwerke aus sechs Jahrhunderten. Malkunst, Zoologie und literarische Bildbeschreibungen aktueller Autoren. Von Cees Nooteboom über Michael Krüger bis Isabella Rossellini.

Außerdem „Frida Kahlos Kleider“ – und alle unsere anderen Kahlo-Bücher, die einen unbestechlichen Blick für Schönheit, Qualität und sinnliche, selbstbewusste Weiblichkeit offenbaren. Mit einem Vorwort von Elke Heidenreich.

Natürlich „Beuys, Beuys, Beuys …“

Und ganz besonders: Das „Walker Evans“-Buch von Svetlana Alpers, ein Lesevergnügen der besonderen Art.

 

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