Veranstaltungen Literaturhaus Frankfurt: Büste von Marcel Reich-Ranicki enthüllt

Hauke Hückstädt, Carla Ranicki

Gestern Abend, vor Beginn des 45. Literarischen Quartetts im Frankfurter Literaturhaus, wurde eine Bronzebüste von Marcel Reich-Ranicki enthüllt. Dazu war aus London Enkelin Carla Ranicki mit Sohn Nico angereist.

Hauke Hückstädt, Leiter des Literaturhauses, begrüßte die Gäste. „Über ein Jahr war die Büste des Literaturkritikers Mitbewohner in meinem Büro. Jetzt hat sie ihren Platz im Foyer gefunden, gegenüber den Gedichten zum Mitnehmen. Der Sockel hat ein Zeitschriftenfach. So kann man sich informieren. Wir denken, Reich-Ranicki hätte dieser Platz gefallen.“ Das seit 2008 im Haus stattfindende Literarische Quartett beziehe sich auf die bekannte Fernsehsendung, die Marcel Reich-Ranicki von 1988 bis 2001 leitete.

„Ich bin glücklich, mit meinem Sohn hier sein zu können“, äußerte Carla Ranicki. Ihr Vater Andrew Ranicki, ein vielfach ausgezeichneter Mathematiker, war im Februar 2018 gestorben. Carla Ranicki dankte dem Literaturhaus, der Georg und Franziska Speyer‘schen Hochschulstiftung, der Bürgervereinigung Dichterviertel und der Stadt Frankfurt für die Unterstützung.

Frankfurts ehemalige Oberbürgermeisterin Petra Roth erinnerte an das Ehepaar Marcel und Teofila Reich-Ranicki. Sie sei stolz darauf, mit beiden befreundet gewesen zu sein. Der Gedanke an die Freiheit habe die Überlebenden des Warschauer Ghettos geprägt. Die 1920 Geborenen hatten selbst noch für Demokratie kämpfen müssen. Beide haben die längste Zeit ihres Lebens in Frankfurt verbracht, Teofila „Tosia“ Reich-Ranicki starb 2011, Marcel Reich-Ranicki zwei Jahre später.

Die Büste sei ein Ausdruck der Wertschätzung für den bekannten Literaturpapst. Roth schlug allerdings vor, die Büste um 90 Grad zu drehen, dann könne sich Reich-Ranicki, wie er es gewohnt gewesen sei, dem Publikum besser zuwenden.

Bildhauer Wolfgang Eckert erzählte von der Entstehung des Werkes, das Teil eines Portraitzyklus‘ ist. 2005 ergab sich endlich die Möglichkeit, Marcel Reich-Ranicki zu treffen. Schon zwei Jahre zuvor hatte Eckert angefragt: „Marcel Reich-Ranicki war eine unausweichliche Portraitoption für mich.“

Die Sitzungen gestalteten sich aufwändig; Eckert baute in Reich-Ranickis Wohnung eine Art Podest mit einem eisernen Drehrad und einem Stuhl darauf auf: Das Modell sollte sich mit dem Künstler auf Augenhöhe befinden. Reich-Ranicki habe den Aufbau mit einer Mischung aus Bewunderung und Entsetzen beobachtet. Beim ersten Erklettern der Konstruktion wäre Reich-Ranicki beinahe gestürzt, Eckert konnte ihn auffangen. „Nach wenigen Minuten fragte der Literaturkritiker, wann wir denn fertig wären. Da musste ich mir etwas einfallen lassen und gab ihm ein Telefon. Damit lief er zur Hochform auf, fast wie beim Literarischen Quartett“, berichtete Eckert. Drei Tage arbeitete Eckert bei Reich-Ranicki, kämpfte um Ausdruck und Form. Dann wurden zwei Gipsbüsten angefertigt, eine erhielt Reich-Ranicki, die andere blieb beim Bildhauer.

„Ein paar Tage später rief der Portaitierte an, offensichtlich unzufrieden. Die Nase sei zu breit, die Ohren zu groß, die Brille fehle“, erzählte Eckert. „Reich-Ranicki überzeugte mich, ich bearbeitete die Gipsbüste. Dann war er glücklich.“

13 Jahre später – erst nach langer Zeit wurde man sich einig über den Platz und die Kosten – wurde ein Abguss angefertigt. Nun steht die etwa 39 Zentimeter hohe Bronzebüste im Foyer des Literaturhauses, im linken Gang zum Untergeschoss. Auf der anderen Seite befindet sich eine verkleinerte Fassung der Marmorskulptur von Johann Wolfgang von Goethe, ein Werk des Bildhauers Pompeo Marchesi. Das hat bereits 2004 seinen Platz im Literaturhaus gefunden.

Hartwig Graf von Westerholt, Zweiter Vorsitzender des Vorstands des Literaturhauses, sprach anschließend und dankte ausdrücklich Christina Althen, Mitglied des Kuratoriums des Literaturhauses, für ihr Engagement, um der Büste eine Heimat zu geben.

Bürgermeister und Stadtkämmerer Uwe Becker nahm den Bezug zu den zwei literarischen Größen im Haus auf und erinnerte an die Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille 1992 im Schloss Biebrich in Wiesbaden an Marcel Reich-Ranicki. Am gleichen Ort hatte Johann Wolfgang von Goethe 145 Jahre vorher seinen 65. Geburtstag gefeiert. Das war dem Literaturkritiker natürlich bewusst. Reich-Ranicki war bereits 1984 mit der Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt geehrt worden und erhielt 2002 den Goethepreis – um nur einige von zahlreichen Auszeichnungen zu nennen.

Nun also hat Marcel Reich-Ranickis Bronzekopf eine Heimat im Literaturhaus Frankfurt gefunden.

JF

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