Alexander Oetker, erfolgreicher Autor der Serien „Luc Verlain“ (Hoffmann & Campe) und ZARA & ZOË (Droemer-Knaur) wechselt das Genre und legt in diesen Tagen mit „Und dann noch die Liebe“ bei Hoffmann & Campe auch seinen „ersten Roman“ vor, wie es auf seiner Webseite heißt. Das war Anlass für unser heutiges Autorengespräch:
Herr Oetker, worum geht es denn in Ihrem „ersten“ Roman?
Alexander Oetker: Nun, Und dann noch die Liebe ist in erster Linie eine sehr persönliche Abrechnung mit dem Jahr 2015. Ich war in diesem Jahr als junger Reporter auf dem ganzen Kontinent unterwegs, habe die Flüchtlingsboote auf Lesbos ankommen sehen, die weinenden Menschen in Paris und die Blumen vorm Bataclan und habe in Brüssel nächtelang über Griechenlands mögliche Pleite berichtet. Ich habe, wie wir alle wohl, gedacht, dass das eines der umwälzendsten Jahre in Europas jüngerer Geschichte war …
… bis Corona kam …
Ja, wie schnell ist so ein unglaublich bewegtes und bewegendes Jahr fast vergessen. Ich habe damals angefangen darüber nachzudenken, was all das mit unseren persönlichen Leben macht. Und so kam ich auf die Kernfragen meines Romans: Wie soll man sich noch verlieben, in einer Welt, die sich so schnell dreht?
Haben Sie denn darauf eine Antwort?
Der Versuch einer Antwort steht in meinem Buch – und es ist dazu die sehr persönliche und non-fiktionale Fluchtgeschichte meiner Großmutter 70 Jahre vor 2015. Denn auch sie hat am Ende des Krieges eine Liebesgeschichte eben nicht bis zum Ende erleben können. Die Gespräche mit ihr über ihre Flucht, die waren für mich sehr berührend und sehr denkwürdig.
Und mit welchem Argument kann ein Buchhändler Und dann noch die Liebe denn wem am besten verkaufen?
Es ist ein Buch für alle, die sich die großen Fragen der Zeit stellen: Wie geht es weiter mit den Flüchtlingen? Mit dem Kampf der Religionen? Wie steht es um die Freiheit der Medien? Aber auch: Wie ist das mit der Vereinsamung der Menschen in den Städten? Und dann noch die Liebe ist dazu eine wunderschöne Liebesgeschichte und eine Odyssee durch ganz Europa. Mein Roman zeigt, wie schön und wie grausam unsere Zeiten sind. Worauf ich dabei setze: Auf eine einfache und bildhafte Sprache, auf einen literarischen Pageturner im besten Sinne. Daniel Kampa war mein erster Verleger und der hat mir mal gesagt: „Du bist der erste Autor, bei dem ich keine Seite kürzen muss. Ich würde dich manchmal lieber bitten, noch eine mehr zu schreiben.“ Ich hoffe, das war ein Kompliment.
Ihr Name kommt vielen bekannt vor …
Ja, und ich hoffe, Sie haben einen neuen Oetker-Witz. Ich kenne nämlich schon alle, denke ich. Wenn ein Buchhändler einen neuen hat, kann er mir gerne schreiben: ao@alexander-oetker.de Ansonsten gilt: Ja, wir sind angeblich verwandt, die Pudding-Dynastie und ich. Aber um so viele Ecken, dass ich noch sehr viele Bücher schreiben muss.
Ich meinte gar nicht den Konzern, sondern Sie als Krimiautor bei HoCa, Atlantik, bei Droemer, als Reiseführer-Autor bei Piper. Und nun noch das ernste Fach?
Ja, ich schreibe sehr gern und sehr viel, und ich freue mich, dass ich das – neben dem Journalismus – jetzt jeden Tag tun darf. Dafür gilt mein Dank natürlich den Buchhändlerinnen und Buchhändlern der Republik. Nach all den Krimis ist dann die Geschichte für diesen Roman gereift, eine Verarbeitung der auch für mich schrecklichen Ereignissen in diesem Jahr 2015.
Kommen Sie da nicht selber durcheinander mit all den Krimis?
Ich habe einfach viel Freude an den verschiedenen Charakteren, ich schreibe ja auch noch ein, zwei Reihen unter Pseudonym. Luc Verlain bei HoCa und die Zwillinge bei Droemer sind so unterschiedlich, das kann man bestens trennen. Es ist manchmal auch tagesformabhängig: Bei den Zwillingen etwa geht es ja deftig zur Sache, da wird sehr brutal gemordet. Das schreibt sich am besten, wenn die Kinder mal richtig anstrengend sind. Und wenn alles eitel Sonnenschein ist, dann lasse ich Luc entspannt durch die Weinberge fahren.
Durch Corona keine Lesungen mehr… was macht das mit Ihnen?
Na, zuerst dachte ich, ich könne einfach mehr schreiben. Das war natürlich nicht möglich, weil die Kinder nicht in der Kita waren, sondern daheim und ich ständig die Nachrichten gecheckt habe und wie gelähmt war von all diesen Neuigkeiten um das Virus. Aber inzwischen geht es wieder und ich schreibe jeden Tag, nun also erstmal weniger in Frankreich, dafür in meinem liebsten Café im Herzen Berlins. So langsam laufen die Planungen für Lesungen auch wieder an, ich mache erstmal einige Online-Lesungen von engagierten Buchhändlern und ab Herbst ist es hoffentlich wieder möglich, Buchhändlerinnen und Leserinnen persönlich zu treffen. Das ist schließlich der beste, der direkteste, der nachhaltigste Kontakt für uns Autoren.
Wie wichtig ist Ihnen der stationäre Buchhandel?
Ich glaube, das war besonders in den Lockdown-Zeiten sichtbar: Während das große A besonders bei den kleinen Verlagen keine Bücher mehr nachbezogen hat, haben die Buchhändler in Deutschland, Österreich und der Schweiz ihre Kundinnen und Kunden eben nicht im Stich gelassen. Sie haben sich Dinge einfallen lassen: Bücherlieferungen mit dem Fahrrad, einen Verkauf aus dem Fenster, Lesungen via Zoom. Das war unglaublich, manche Buchhändler hatten Umsätze wie zu Weihnachten, wieder andere haben es einfach für die Gemeinschaft, für ihr Dorf getan.
Ich glaube, die Resonanz darauf hat vielen unserer Leser ein wenig Selbstvertrauen zurück gegeben.
Und ich glaube, das werden die Leserinnen und Leser ihnen nicht vergessen. Natürlich wäre mehr staatliche Unterstützung wichtig gewesen: In Frankreich etwa hat Premier Philippe entschieden, die Buchläden offenzulassen, weil Bücher Lebensmittel sind. Ich schätze Frau Grütters sehr, aber etwas lauter könnte sie manchmal schon auftreten, im Sinne der Verkäufer der schönsten Ware der Welt.
Die Fragen stellte Christian von Zittwitz