Der frühere Aufbau-Verleger Bernd F. Lunkewitz hatte im Dezember 2009 eine Klage gegen die frühere Treuhandanstalt eingereicht. Seit zehn Jahren schiebt die Justiz diesen Fall vor sich her, und wieder ist ein Termin vom Gericht verschoben worden. Das war Anlass für unser heutiges Sonntagsgespräch mit dem Mann, der von 1991 bis 2008 Verleger der Aufbau-Verlagsgruppe (Aufbau, Rütten & Loening, Gustav Kiepenheuer) war:
Herr Lunkewitz, schon seit 1995 verklagen Sie die Treuhandanstalt, bzw. die Bundesrepublik Deutschland. Worum geht es?
Bernd F. Lunkewitz: In der ersten Runde wurde im Dezember 1999 die Wirksamkeit meines Kaufs des Aufbau-Verlages vom Kulturbund beim Verwaltungsgericht Berlin gegen die Treuhandanstalt und die Unabhängige Kommission erstritten. In der zweiten Runde habe ich 2008 zivilrechtlich die Klärung der Eigentumsverhältnisse an den Verlagen erreicht. Der Bundesgerichtshof hat damals in drei Verfahren festgestellt, dass der Aufbau-Verlag Eigentum des Kulturbunds war und nicht Eigentum der Treuhandanstalt. Deshalb sind die von der Treuhandanstalt verkauften Geschäftsanteile an der Aufbau-Verlag GmbH i. A. nie entstanden und die mit den Käufern abgeschlossenen Verträge nichtig.
Der aktuelle Stand…?
Seit diesen Entscheidungen des BGH geht es in der dritten Runde um die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Treuhandanstalt. Diese betrügerische Behörde hat beim Verkauf der nicht existierenden Geschäftsanteile u. a. ihre Amtspflichten vorsätzlich verletzt, die Käufer und den Kulturbund arglistig getäuscht und gegen gesetzliche Aufklärungspflichten verstoßen.
Betrügerische Behörde?
In den gerichtlichen Verfahren hat sie durchweg wider besseres Wissen vorgetragen und u. a. auf ihr Betreiben von anderen Behörden manipulierte bzw. gefälschte Urkunden als Beweis präsentiert und ein von ihr selbst fabriziertes Gutachten als von Herrn Professor Bernhard Schlink verfasst vorgelegt.
Die jetzige Klage wurde schon 2009 eingereicht …
… und das Verfahren wurde hin- und hergeschoben. Allein im vergangenen Jahr gab es vier Terminverlegungen, die letzte bestimmte dann den 28. Februar als Verhandlungstermin. Dieser Termin ist aus mysteriösen „dienstlichen Gründen“ nun erneut verschoben worden. Inzwischen ist aus dem Skandal „Treuhandanstalt“ auch ein Justizskandal geworden. Das Verhalten der Justiz verletzt mich fast noch mehr als die Betrügereien der Treuhandanstalt. In der Bananenrepublik Deutschland ist bei Klagen gegen den Staat vielleicht deshalb kein objektives Verfahren möglich, weil es dafür eine Sonderzuständigkeit ausgewählter Spruchkörper gibt, deren Richter eher dem Fiskus als dem Recht dienen.
Das und auch der Ausdruck Bananenrepublik sind sehr harte Vorwürfe.
Die Zustände in der Justiz sind doch erschreckend. Die Gerichte sind generell überfordert aber die für Prozesse gegen den Staat sonderzuständigen Spruchkörper der Gerichte scheinen durchweg befangen zu sein. Mir hat ein Vorsitzender Richter am Kammergericht schon im Jahre 2002 ins Gesicht gesagt: „Herr Lunkewitz, wir wissen, dass Sie Recht haben. Das kriegen Sie hier aber nicht.“ Dieser Haltung entsprechend war dann auch die Urteilsbegründung.
Der jetzt verschobene Prozess ist nicht die einzige gerichtliche Auseinandersetzung, den Sie führen.
Ja, zum Aufbau-Verlag läuft zum Beispiel seit zehn Jahren ein Amtsermittlungsverfahren beim Handelsregister in Berlin, das in 2013 zu der Entscheidung des Kammergerichts führte, die Eintragung des – unzulässigen – Umwandlungsvermerks des Aufbau-Verlages („entstanden nach dem Treuhandgesetz“) im Handelsregister zu löschen. Die Treuhandanstalt hat dagegen Beschwerde eingelegt und seit 2015 „liegt“ im wahrsten Sinne des Wortes diese Sache erneut beim Kammergericht. Ich hatte vor einem Jahr einen Befangenheitsgesuch gegen den Berichterstatter wegen Untätigkeit gestellt, dass sich eben erst erledigt hat, weil der befangene Richter freiwillig aus dem Senat ausgeschieden ist und damit die Feststellung seiner Befangenheit vermieden hat.
Wenn Sie die Justiz für befangen halten, warum klagen Sie überhaupt?
Ich habe noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass es in Deutschland auch Richter gibt, die ohne Ansehung der Person und auf der Grundlage von Gesetz und Recht urteilen, selbst wenn das Urteil den fiskalischen oder politischen Interessen der Regierung widerspricht. Einige Betrügereien der Treuhandanstalt und der anderen Behörden habe ich aus deren eigenen Akten bereits nachgewiesen.
In Hinblick auf den jetzt doch wieder abgesagten Verhandlungstermin haben Sie vor ein paar Tagen das Buch Der Aufbau-Verlag und die kriminelle Vereinigung veröffentlicht
Ich wollte das Buch unbedingt vor dem Termin am 28. Februar gedruckt haben (es gibt es bei ePubli inzwischen auch als eBuch). Das geht so schnell nur auf diese Weise. Der Text ist noch nicht lektoriert und die Geschichte ist auch noch nicht zu Ende erzählt. Aber auch jetzt schon erzähle ich außer der langen Geschichte des Verlages in der DDR dessen Behandlung nach der Wende als ein Zusammenspielt von SED/PDS, Treuhandanstalt, Unabhängige Kommission und dem damaligen Verlagsleiter Elmar Faber, die allesamt den Kulturbund (den tatsächlichen Eigentümer des Aufbau-Verlages) und die gutgläubigen Käufer (das waren außer mir der leider schon gestorbenen Dr. Kossack, Dr. Wechsler und Thomas Grundmann) an der Nase herumgeführt haben.
Und Sie scheuen sich nicht, die Treuhand als als kriminelle Vereinigung zu bezeichnen.
Die SED/PDS und Elmar Faber mögen noch „edle“ Motive – die Rettung des Verlages – gehabt haben, aber die Behörden der Bananenrepublik haben sich durch das gemeinsame betrügerische Vorgehen einiger Mitarbeiter als jedenfalls in Teilen kriminelle Vereinigungen erwiesen.
Was werfen Sie denn der Treuhandanstalt alles vor?
Sie hat die Käufer arglistig getäuscht und vorsätzlich Verträge abschlossen, deren Erfüllung von Anfang an aus Rechtsgründen objektiv unmöglich ist, weil die Verlage nicht volkseigen waren und deshalb die verkauften Geschäftsanteile nicht existieren. In dem Zusammenhang hat die Treuhandanstalt gegen ihre Amtspflichten verstoßen, außerhalb ihrer gesetzlichen Zuständigkeit gehandelt, die Käufer arglistig getäuscht und ihnen unter Verstoß gegen gesetzliche Aufklärungspflichten vorsätzlich Schaden zugefügt, um sich selber zu bereichern.
Dazu: Die Treuhandanstalt wusste schon vor Abschluss der Kaufverträge von den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Aufbau-Verlag wegen dessen jahrzehntelanger Praxis der Plusauflagen (Raubdrucke). Diesen schweren Mangel der Kaufsache hat die Treuhandanstalt beim Verkauf bewusst verschwiegen, um die daraus entstehenden Belastungen auf die Käufer abzuwälzen.
Die Klage der insolventen Aufbau-Verlagsgruppe GmbH und ihre persönliche Klage gegen die Treuhandanstalt sind bereits rechtskräftig abgewiesen worden. Woher nehmen Sie die Hoffnung, dass die Gerichte nun anders entscheiden?
Zu diesen Prozessen werde ich nach dem Ende aller Verfahren ein separates Buch veröffentlichen. Insbesondere dem 1. Zivilsenat des OLG Frankfurt wird darin Rechtsbeugung nachgewiesen. Aber natürlich ist die wohl unvermeidliche Befangenheit der Gerichte bei Klagen gegen den Staat eine nicht zu übersehende Gefahr für jeden privaten Kläger.
Ihre Grundstimmung jetzt?
In dem jetzigen Verfahren hatte die andauernde Untätigkeit der Gerichte aber auch einen Vorteil. Ich habe in den langen Jahren des Wartens zahlreiche Urkunden ermittelt, die in den früheren Verfahren noch nicht vorgelegt werden konnten. Schon immer haben ja die deutschen Schreibtischtäter ihre Akten aufbewahrt. Auch die Treuhandanstalt ist da keine Ausnahme, obwohl die meisten ihrer Akten noch geheim gehalten werden. Irgendwann werden wir feststellen, dass alles noch viel schlimmer war.
Die Fragen stellte Christian von Zittwitz