Wo steht die Branchenlösung VLB-TIX? Während das System immer mehr User anzieht – aktuelle meldet VLB-TIX eine neue Marke von 12.000 Nutzern – gibt es immer noch viele skeptische Stimmen im Buchhandel. Wir haben bei Sandra Schüssel, Leiterin Unternehmensbereich VLB-TIX bei MVB, nachgefragt.
BuchMarkt: Frau Schüssel, was waren die wichtigsten Entwicklungen bei VLB-TIX im diesem Jahr?
Sandra Schüssel: Für uns stand 2018 im Zeichen des Wachstums. Die Nutzerzahlen liegen 40 Prozent über Vorjahr, größte Gruppe mit über 4.500 Teilnehmern sind die Buchhändler. Hugendubel hat seinen Einkauf in der Zentrale komplett auf VLB-TIX umgestellt –aus München erreichte uns sehr positives Feedback dazu. Auch mit Thalia geht es in großen Schritten voran. Im unabhängigen Buchhandel ist die Skepsis teilweise noch groß, allerdings verzeichnen wir auch hier deutliche Zuwächse aufgrund kontinuierlicher persönlicher Betreuung. Die Buchhandlungen Graff, Decius, Pustet, Greuter, Morawa oder Schweitzer nutzen VLB-TIX intensiv – neben vielen anderen. Viele Verlage bereiten sich intensiv auf den Umstieg auf die Digitale Vorschau vor. Und wir merken, dass viele Häuser in diesem Jahr deutlich strukturierter und fokussierter interne Projekte dazu aufsetzen. Dieses Bild hat auch eine Nutzerumfrage ergeben, die wir vor Kurzem durchgeführt haben. Es ist nicht mehr die Frage, ob VLB-TIX kommt, sondern wie gut man sich darauf einstellt.
Und produktseitig?
Wir haben den intensiven Systemausbau mit einem äußert engagierten Team fortgesetzt, im engen Austausch mit unseren Nutzern. Ganz neu sind die Aktionspakete, die Verlage in VLB-TIX anlegen und in die Digitale Vorschau einklinken können. Buchhändler können die kompletten Aktionen beim Vertreter bestellen und die Einzelbestandteile, alle Bücher, direkt aus VLB-TIX als Bestellkopie in ihre Warenwirtschaft übernehmen. Ein wichtiger Meilenstein war für uns auch die Anbindung eines Großteils der Marketingverbünde. Mit dabei sind Buchmedia, Nordbuch, LG Buch, AGM, Buchwert und Buchwerbung der Neun.
Wie wollen Sie es schaffen, dass VLB-TIX für alle Buchhändler ein selbstverständliches Arbeitstool wird?
Machen wir uns nichts vor: Prozessumstellungen brauchen ihre Zeit. Digitale Warenwirtschaftssysteme haben auch nicht über Nacht die Laufzettel abgelöst. Wer sich nur oberflächlich mit VLB-TIX beschäftigt, hat vielleicht den Eindruck: „Das habe ich schneller in einem gedruckten Katalog nachgeschaut.“ Wir stellen aber immer wieder, dass diejenigen, die sich intensiver damit beschäftigen, viele Vorteile sehen. Man hat alle Vorschauen an einem Ort im Zugriff, kann auch jenseits der Vorschau ausführlich filtern und sortieren, Werbematerialien oder Leseexemplare ordern und Vorschläge für Bestellmengen vor dem Vertreterbesuch sichten und bewerten. Ein wichtiger Faktor für die Durchsetzung von VLB-TIX ist also das Wissen um die Funktionen im System. Deshalb bieten wir regelmäßig Vor-Ort-Schulungen an, genauso wie Webinare. Unsere aktuelle Schulungsinitiative, die VLB-TIX Winter School, ist mit über 100 teilnehmenden Buchhändlern ein großer Erfolg. Die nächste Runde startet im Januar. Wir waren viel unterwegs in diesem Jahr – bis ins private Wohnzimmer eines Buchhändlers. Stark gewachsen sind auch unsere Peer-to-Peer-Runden: Inzwischen gibt es sieben VLB-TIX-Stammtische in Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Stuttgart und Wien, bei denen sich die Nutzer untereinander austauschen und sich Ideen holen. Zudem stellen wir Multiplikatoren wie Berufsschulen oder Verbünden Materialien zur Verfügung.
In der Branche gibt es aus einigen Häusern die Kritik, dass Buchhändler die Arbeit mit VLB-TIX verweigern. Was istdran?
Letztlich ist die Verteilung bei jedem Veränderungsprozess ähnlich: 20 Prozent Pioniere, 60 Prozent in der Mitte, 20 Prozent Verweigerer. Es wird immer Leute geben, die bei frischem Wind Mauern bauen statt Segel zu setzen. Die Mitte bewegt sich in Richtung VLB-TIX, das belegen die steigenden Zahlen der aktiven Nutzer. Häufig hören wir, das VLB-TIX nur etwas für Filialisten sei. Das stimmt aber so nicht. Wir haben sehr aktive, kleinere, inhabergeführte Buchhandlungen, die aktiv mit VLB-TIX arbeiten.
Und wie steht es mit den Vertretern?
In der Schweiz haben wir in diesem Jahr das Vertretersystem Presto angebunden, über das Aufträge aus VLB-TIX automatisch an den richtigen Vertreter geleitet werden. Das war ein großer Erfolg und wird rege genutzt. In Deutschland und Österreich arbeiten wir auf eine automatisierte Bestellübernahme hin – hier kooperieren wir eng mit den Systemanbietern. Gut angenommen wird auch die neue Möglichkeit, dass sich freie Vertreterbüros mit eigenem Account anmelden können, um verlagsübergreifende Vorschauen zu erstellen. Wir werden unser Engagement für Vertreter noch weiter verstärken. Aktuell ist ein eigener Einstiegspunkt „Vertreter“ in der Hauptnavigation in Umsetzung, hinter dem man die Profile von Vertretern sehen kann.
Es prasseln bestimmt Unmengen von Anforderungen auf Sie ein. Wie priorisieren Sie die Arbeiten?
Indem wir genau abwägen, was auf die Vision von VLB-TIX einzahlt. Was das System sein soll, hat die Branche im Rahmen der Taskforce Metadatenbank erarbeitet – beteiligt waren alle Sparten. Natürlich ändern sich manche Anforderungen im Detail durch die agile Projektentwicklung, mit der wir arbeiten. Aber im Grunde ist das Papier noch sehr aktuell. Zudem haben wir einen Lenkungsbeirat bestehend aus Kunden aus allen Sparten etabliert, der nächstes Mal Mitte Januar tagen wird.
Buchhändler sind ja nicht diejenigen, die für VLB-TIX zahlen. Welche Stimme haben Buchhändler bei der Feature-Entwicklung?
Eine sehr gewichtige. Für Verlage lohnt sich VLB-TIX nur dann, wenn ihre Informationen auch vom Sortiment genutzt werden. Deshalb haben die Verlage ein reges Interesse an der Feature-Entwicklung für Buchhändler. Dieses Jahr haben wir zum Beispiel die Bestellfunktionalitäten weiter verbessert, die Summenbildung bei Dispolisten eingeführt oder die Möglichkeit eines Vorab-Exports von Bestelllisten für den Vertreter geschaffen. Hohe Zugriffszahlen hat auch die Vertretersuche im Vorschaubereich. Man gibt den Namen des Vertreters ein und erhält alle Vorschauen, die der Vertreter in der Tasche hat – vorausgesetzt, der Vertreter ist im Verlagsprofil angelegt.
Wie schaffen Sie Relevanz auf VLB-TIX?
Relevanz im Digitalen funktioniert anders als in Print. Wir analysieren sehr genau große Plattformen wie Netflix oder Spotify und schauen auf Nutzergewohnheiten derjenigen, die nachwachsen. Zwei Entwicklungen werden eine wichtige Rolle spielen:
Zum einen lernende Systeme und Automatisierung, so dass der Nutzer die für ihn wichtigen Titel vorgeschlagen bekommt. Bei Netflix wählt ein Nutzer am Anfang drei Filme oder Serien aus, die seinem Geschmack entsprechen. Auf dieser Basis individualisiert sich das System für den Nutzer, es kommen die Titel auf die Oberfläche, die seinem Geschmack entsprechen. Eine Rolle spielen auch Sichtungs-, Bestell- und Verkaufszahlen. Natürlich stehen daneben alle Suchfunktionen im gesamten Titelvolumen offen, so dass kein Titel hinten runterfällt. Im Gegenteil – auch kleine, feine Titel werden so an die Oberfläche gebracht, die sonst übersehen worden wären.
Zum anderen wird der menschliche Faktor, die persönliche Kuratierung, eine große Rolle spielen. Welchen Autor, welchen Verlag, welchen Buchhändler, welchen Vertreter oder Blogger mag ich und wem vertraue ich? Von diesen Personen werde ich mir auch gerne Titelvorschläge anschauen. Beide Richtungen, Automatisierung und Kuratierung, schaffen Relevanz, die wir dringend brauchen, um im Netz schnell und effizient Informationen aufzunehmen.
Ab wann wird es aus Ihrer Sicht gar keine Printvorschauen mehr geben?
Das ist schwer zu sagen. Einige Häuser stellen bereits jetzt die Weichen. Letztlich ist es auch eine Frage des Geldes: Wie lange kann man es sich als Verlag leisten, einen doppelten Prozess – print und online – aufrecht zu erhalten?
Was wird VLB-TIX für ein Ding in fünf Jahren?
Die Notwendigkeit zu mehr Effizienz in der Branche wird weiter zunehmen. Ich sehe VLB-TIX als wichtigen Beitrag, die Vermarktungsprozesse von Novitäten in den Verlagen zu verschlanken. Gleichzeitig unterstützt VLB-TIX Book Professionals, damit meine ich Buchhandel, Presse, Blogger und Vielleser, mit wenig Aufwand dabei, diejenigen Titel zu entdecken und auszuwählen, die für sie relevant sind. Außerdem vereinfacht VLB-TIX die Abstimmungs- und Kommunikationsprozesse zwischen allen Beteiligten. Es bleibt mehr Zeit für das Wesentliche, die Kommunikation über Buchinhalte. Bestellungen können effizient an Vertretersysteme und Warenwirtschaften übermittelt werden. Hier sehen wir uns als Partner dieser Bestellsysteme und wollen sie keinesfalls ersetzen, sondern arbeiten schnittstellenorientiert.
Wir haben aktuell auch einige Anfragen aus dem Ausland, so dass ich mir gut vorstellen kann, dass Nutzer auch sprach- und länderübergreifend Titel recherchieren und entdecken können.
VLB-TIX hat jetzt schon eine Monopolstellung. Wann erhöhen Sie sie die Preise?
Auf diese Frage habe ich gewartet. Wir planen aktuell keine Preiserhöhungen. In erster Linie kommt es uns darauf an, VLB-TIX auf eine möglichst breite Nutzerbasis zu stellen.
Geben Sie uns einen kurzen Ausblick aufs nächste Jahr?
Das Thema „Relevanz“ wird uns weiter beschäftigen. Aktuell entwickeln wir Themen-, Autoren- und Reihen-Specials und Büchertische. Unser Ziel dabei ist es, Bücher in VLB-TIX noch emotionaler darzustellen. Durch verlagsübergreifendes Denken ergeben sich völlig neue Möglichkeiten: Wieso sollte ein freier Vertreter nicht zum neuen Influencer werden, indem er einen Thementisch mit Büchern seiner Verlage zusammenstellt?
Weitere wichtige Themen sind die technische Ausrichtung des Systems auf weiteres Wachstum, die Ausdifferenzierung des Rechtemanagements, der Ausbau der Schnittstellen zu Warenwirtschafts- und Vertretersystemen, die Anzeige von österreichischen und schweizerischen Preisen als jeweilige Leitpreise in diesen Ländern sowie die Anbindung weiterer Kunden an das System.
Und auch international werden wir unsere Chancen weiter ausloten. Nicht ändern wird sich, dass wir alle Weiterentwicklungen mit der Kundenbrille betrachten. Was bringt Verlage und Buchhändler wirklich voran? Das treibt uns um, jeden Tag.