Immer freitags hier ein Autorengespräch. Heute mit Zana Ramadani über ihr neues Buch „Die verschleierte Gefahr“ (EuropaVerlag)
Zana Ramadani wurde 1984 in Mazedonien geboren und ist Mitbegründerin von FEMEN Deutschland, dem ersten Ableger der in der Ukraine gegründeten Frauenrechtsbewegung, deutsche Staatsbürgerin (seit 2009) und Mitglied der CDU. Mit ihren Eltern kam sie als Siebenjährige nach Siegen. Nach Konflikten mit den muslimischen Werten der Familie flüchtete sie mit 18 Jahren in ein Frauenhaus. Nach Heirat (eines Deutschen) und Trennung zog sie nach Hamburg, dann nach Berlin. Seither setzt sie sich für Menschen und Frauenrechte ein, gepaart mit einer konstruktiven Islamkritik.
Im Frühjahr ist ihr Buch Die verschleierte Gefahr. Die Macht der muslimischen Mütter und der Toleranzwahn der Deutschen im Europaverlag erschienen (seit Wochen auf der Spiegel-Bestsellerliste), in dem sie für eine offene, schonungslose Auseinandersetzung plädiert und sagt:
„Wir müssen aufhören mit der falschen Toleranz gegenüber dem Islam“
Dies war Anlass für Fragen an die Autorin:
BuchMarkt: Frau Ramadani, worum geht es in Ihrem neuen Buch?
Zana Ramadani: Ich setze mich in meinem Buch damit auseinander, dass wir in der westlichen, multiethnischen Gesellschaft ohne religiöse Symbole im öffentlichen Raum leben sollten. Meine Kritik gilt insbesondere den traditionellen Erziehungsmustern und Werte-Vorstellungen muslimischer Mütter, die ihren Töchtern den geringeren Stellenwert gegenüber den Männern beibringen, ihnen nur die eine Rolle als Bedienstete des Mannes und der Familie beibringen bis hin, das Tragen des Kopftuches vorschreiben und ihre Söhne zu kleinen Machos und Prinzen erziehen. Damit kommen wir nie aus den Rollenmustern heraus, was für eine wirkliche Emanzipation und die die Umsetzung feministischer Ziele im 21.Jahrhundert jedoch notwendig ist.
Mit welchem Argument kann der Buchhändler das Buch am besten verkaufen?
Es ist authentisch! Ich bin selber als Muslimin in Skopje geboren worden und habe mich als Kind im Siegerland, wohin ich mit meinen Eltern als Flüchtling kam, sehr schnell und mit großem Wohlwollen meiner Umgebung angepasst. Solche persönlichen Geschichten fließen in mein Buch -zur verständlicheren Erklärung meiner Thesen und dieser Welt- mit ein. – Vor dem Hintergrund des aktuellen Zeitgeschehens ist es in Deutschland und den westeuropäischen Ländern, in die es große Immigrations-Bewegungen in den letzten Jahren – vornehmlich von Menschen muslimischen Glaubens- gab, unbedingt nötig, sich mit dem zu beschäftigen, was ich Geschlechterapartheid nenne: wir müssen im Sinne eines gelingenden Miteinanders von politischer Seite darauf beharren, dass sich Menschen, die hier leben wollen, der Mehrheitsgesellschaft anpassen, vor allem die Frauen, die traditionell die Erziehung übernehmen, MÜSSEN Integrationskurse besuchen. Mein Buch ist ein Appell für Gleichberechtigung und Selbstbestimmung: das Tragen des Kopftuches ist für mich eine Entweiblichung bis hin zur Entmenschlichung. Es ist ein Zeichen des puren Sexismus, der Geschlechterapartheid und Unterdrückt-Seins.
Was ist Ihre Hauptintention? Worauf wollen Sie gezielt aufmerksam machen?
Es gibt eine Kopftuchlobby in der westlichen Gesellschaft, die meine Thesen und Gedanken mit dem Argument auszuhebeln versucht, es handele sich um „religiöse Freiheit“, in der Öffentlichkeit Kopftuch oder Schleier tragen zu dürfen, da es zu deren Kultur gehöre. Ich sehe allerdings, dass die Verschleierung immer in einer patriarchalischen Tradition steht, also keine selbstgewählte „Freiheit“ der Frauen ist. Ich stelle mich ja nicht gegen eine Religion, ich beharre aber darauf, dass das Kopftuch und die Verhüllung von Gesicht und Körper, die durch orthodox-islamische Ideologen vorgeschrieben wird, nicht in die Gegenwart der westlichen Mehrheitsgesellschaft und deren Wertekanon passt und auch nicht zu ihr gehört. Ich ringe darum – und das auch auf politischer Ebene als aktives Parteimitglied der CDU-, dass muslimische Mädchen und Frauen sich emanzipieren und die Chancen, in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft leben und lernen zu können, nutzen.
Welche Leserschaft soll hierbei insbesondere angesprochen werden?
Das Buch ist ein „all-age-Buch“: jeder kommt ja im Grunde mit dieser Thematik irgendwie in Berührung. Die jungen Menschen in der Schule und im Religions-oder Ethik-Unterricht, junge Frauen und Männer in jedem Diskurs zum Thema Integration, Mütter und Väter, die sich mit zeitgemäßer Erziehung auseinandersetzen, Lehrer, Lobbyisten, Politiker, Gleichstellungs-Engagierte, Menschen, die sich für Migration und die Folgen für eine demokratische Gesellschaft interessieren.
Der erzählte Sachbuch-Ton, den ich gewählt habe, macht die Lektüre auch spannend, sehr persönlich und nah am Leser. So als würde ich persönlich mit ihm sprechen und diskutieren. Letztlich will ich auch Menschen gewinnen, sich selbst zu engagieren, z.B. für Frauenrechte und Bildungsarbeit auf allen Ebenen.
Wieso kritisieren Sie muslimische Mütter so vehement?
Wie schon gesagt: traditionell erziehen die MÜTTER ihre Töchter und Söhne, und die Rolle der Frau in islamischen Ländern ist eine sehr männlich geprägte und statische. Je aufgeklärter die Mütter sich selbst mit den Werten der Mehrheitsgesellschaft, in der man sie aufnehmen will, auseinandersetzen, desto liberaler wird auch ihr Erziehungsstil sich entwickeln. Muslimische und nicht-muslimische Mütter sollen bereits früh den Austausch untereinander pflegen, weil das die Offenheit im Denken schult und Ängste nimmt. Wer in archaischen Traditionen verhaftet bleibt, macht sich zur „Täterin“ an der nächsten Generation. Und religiöses Bewusstsein lässt sich nicht „verordnen“, man muss sich mit den (Welt)-Religionen allgemein beschäftigen, um zu einer Verständigung darüber – im Großen und im Kleinen – zu kommen.
Inwiefern spielt Ihre eigene Familiengeschichte da konkret eine Rolle?
Ich bin als ältestes von drei Kindern besonders „behütet“ worden, als wir nach Deutschland kamen. Und, obwohl ich nicht in einer „muslimischen Blase“ aufwuchs, legte gerade meine Mutter – sicherlich auch aus Angst vor der neuen Umgebung, die keine für sie verständlichen traditionell-religiösen Vorgaben machte – eine besondere Strenge an den Tag. Ich wurde zum Beispiel, wenn ich mich als vorpubertäres Kind einer Gruppe Männer näherte, von ihr gemaßregelt: „Benimm Dich nicht wie eine Hure“; sie hat mich geschlagen, und mein Vater, der im Grunde ein künstlerisch-sanfter Mensch ist, hat sie gewähren lassen. Irgendwann bin ich in ein Frauenhaus geflohen, als die Situation zu eskalieren drohte. Mein Bruder hingegen wurde von meiner Mutter immer gehätschelt, er durfte sich alles erlauben – er war ja der Sohn. Ich nutze diese persönlichen Erfahrungen hier und da im Buch als Folie für meine politische Botschaft: religiöse Symbole haben in der Öffentlichkeit nichts zu suchen, jede Art der Verschleierung bedeutet Unfreiheit und Unterdrückung.
Es heißt, Sie nennen Dinge beim Namen, die sich sonst niemand traut. Wie und was ist damit gemeint?
Das sagen und schreiben andere von mir. Ich persönlich habe Dinge schon immer beim Namen genannt. Wenn man Dinge klar und deutlich beim Namen nennt und sie nicht gleichzeitig relativiert, damit man bloß Niemands Gefühle verletzt oder sogar in die falsche Ecke geschoben werden könnte, dann kann man diese Probleme nicht aktiv bekämpfen. Ich war noch nie dafür bekannt ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Ganz im Gegenteil. Es ist nun an der Zeit viele Probleme aktiv anzugehen. Dies kann aber nur geschehen, wenn wir ohne Angst Dinge beim Namen nennen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Dass die Politik sich stark und fordernd denen gegenüber verhält, die als (muslimische) Minderheit in dieses Land kommen und hier – unter Nutzung aller Vorteile – leben wollen. Ich habe in meinem Buch ein Kapitel dazu geschrieben, welches wie ein Integrationsleitfaden zu lesen ist.
Was lesen Sie denn selbst gerne, wenn Sie nicht gerade an einem Bestseller schreiben?
Da ich natürlich beruflich sehr viele politische Bücher lese, flüchte ich mich in meiner Freizeit gerne in andere Welten. Die alte englische Literatur hat es mir auch angetan. Angefangen bei Edgar Allan Poe, Thomas Hardy über Bernhard Hennen bis hin zu DC-Comics. Von Poe, Hardy und Hennen besitze ich fast alle Werke und eine große alte DC Wonder Woman-Sammlung darf ich auch mein Eigen nennen.
In der vergangenen Woche sprachen wir mit Jana Lukas über ihren Roman „Landliebe“ bei Heyne.