Autorin und Aktivistin Janet Clark über ihr neues Jugendbuch "Ewig wir" (cbj) und ihr unermüdliches Engagement für einen fairen Buchmarkt „Mein Hauptthema ist Gerechtigkeit – in jedem Bereich meines Lebens!“

Janet Clark (c) Astrid Purkert

Janet Clark gehört inzwischen zu den bekanntesten deutschen Autorinnen im Jugendbuch und im Spannungsbereich. Gerade erst erschien ihr neuester Jugendroman Ewig wir bei cbj (ET 10.04), der zweite und letzte Band der Deathline Diologie, um den es hier auch gehen wird.  Vor allem wird es in diesem Gespräch aber um ihr unermüdliches Engagement für einen faireren Buchmarkt gehen – ob als Präsidentin der Autorenvereinigung Mörderische Schwestern e.V. oder als Gründungsmitglied des Netzwerkes Autorenrechte, in dem sie sich für die Rechte von Autoren und Autorinnen einsetzt.  Sie findet: „Eine Veränderung kann es nur geben, wenn Menschen sich aktiv einsetzen, hinterfragen und unbequem sind“.

BuchMarkt: Frau Clark, Sie bezeichnen sich selbst als ‚Autorin, Buchmarktaktivistin, Mutter’ – was dürfen wir unter dem Begriff Buchmarktaktivistin verstehen?

Janet Clark: Mein unermüdliches, ehrenamtliches Engagement für einen fairen Buchmarkt, sei es im Bereich Urheberrecht, Diversität oder Digitalisierung. Derzeit koordiniere ich, u.a.  zusammen mit Nina George, die Erhebung empirischer Daten im Bereich Buchbesprechungen. Dazu wurden im März 83 Leitmedien (Print, TV, Radio) ausgewertet, um der gefühlten Genderschieflage eine konkrete Zahl zuordnen zu können. Erste Erkenntnisse: Die gefühlte Genderschieflage ist real, genauere Zahlen folgen nach der Analyse durch das Institut für Medienforschung der Universität Rostock, dürften aber ähnlich zu denen sein, die Dr. Maria Furtwängler 2017 in der Studie „Audiovisuelle Diversität – Geschlechterdarstellungen in Film und Fernsehen in Deutschland“ aufzeigte: 67% der Hauptrollen wurden von Männern besetzt. Das entspricht etwa der Verteilung von 1975!

Dies zu verändern geht nur, wenn Menschen sich aktiv beteiligen, d.h. aufklären, hinterfragen, Forderungen stellen, unbequem sein. Daher: Aktivistin.

Sie sind seit 2014 Präsidentin der Mörderischen Schwestern e.V. – ein Autorinnenverein, der die von Frauen verfasste, deutschsprachige Kriminalliteratur fördert.  Ist das Thema Frauenrechte bei Ihnen vorherrschend?

Nein, mein Hauptthema ist Gerechtigkeit – in jedem Bereich meines Lebens. Dazu gehört derzeit eben auch der Bereich Krimis und Thriller, in dem es Bücher von deutschsprachigen Frauen – ungeachtet ihrer Qualität –  besonders schwer haben. Nicht nur bei Besprechungen und Preisen, auch bei der Vermarktung und Sichtbarkeit. Werfen Sie einfach einen Blick auf die aktuelle FAZ-Krimi-Bestenliste oder auf die Top-10 deutsche Krimis und Thriller bei Amazon. Wie viele Autorinnen zählen Sie?

Keine …

Genau. Das ist aber nicht das Einzige, was mich stört. Wenn Sie sich die Amazon-Top-10 genauer ansehen, werden Sie feststellen, dass von den 10 Titeln 9 im amazoneigenen Imprint „Edition M“ erschienen sind und über die amazoneigene Flatrate Kindle Unlimited (KU) gelesen werden können, falls dem Leser die Preise zwischen € 2,49 und €4,99 zu hoch sind.  Zuerst wurden die E-Bookpreise systematisch in den Keller getrieben, nun verschwinden die Selfpublisherinnen, die Amazon den Preiskampf ermöglicht haben aus den Toprankings …  Als ich 2016 öffentlich vor dieser Entwicklung gewarnt hatte, wurde das gern als Schwarzseherei abgetan. Heute kommen mehr und mehr Selfpublisher zu der Erkenntnis, dass Amazon nicht nur ihr Gönner ist, sondern sie tatsächlich für seinen Preiskampf benutzt hat und es selbst für bislang erfolgreiche Selfpublisherinnen immer schwerer wird, von ihren Büchern zu leben.

Was Sie als Verlagsautorin allerdings nicht treffen dürfte …

Ganz im Gegenteil. Ich schreibe in einem der Genre, die massiv von Amazon bedient werden. Ein regulär bepreistes Printbuch oder E-Book, das kein Spitzenbestsellermarketing bekommt, hat so gut wie keine Chance mehr, ein sichtbares Ranking zu ergattern. Früher konnte sich ein Verlagsbuch, das nicht flächendeckend im Buchhandel auslag, zumindest online durchzusetzen, wenn es von genug Buchbloggern hochgelobt wurde. Heute gibt es online schlicht zu viele Bücher, die gratis oder für unter fünf Euro zu kaufen sind. Erschwerend kommt die Zunahme der Flatrateleser hinzu. Im Juli 2015 wurden über KU 1,99 Milliarden Seiten gelesen, im Juli 2017 waren es 5,85 Milliarden Seiten (1). Auf Skoobe verbrachten die Leserinnen 2016 zusammen rund 1.000 Jahre und haben dabei über 1 Million Mal ein neues Buch entdeckt (2). Was bedeutet das für die Autoren? Ihre Verkäufe gehen zurück. Die Erlöse aus den Leihen sind marginal. Das ist meine Erfahrung und auch die Erfahrung vieler Kolleginnen, die inzwischen an einem Punkt sind, an dem sich die Frage stellt, ob man nach vielen Jahren als arrivierter Midlistautor sich das Schreiben weiterhin leisten kann. Die Schere zwischen Midlist und Toplist hat sich extrem geöffnet – das ist für niemanden gut, nicht für die Autorinnen, nicht für die Verlage und auch nicht für die Leser.

Waren diese Entwicklungen am Buchmarkt der Grund, warum Sie 2016 Mitgründerin des Netzwerkes Autorenrechte wurden, an dem sich inzwischen 11 AutorInnenverbände beteiligen?

Unter anderem. Die Zusammenarbeit der Verbände begann mit den Aktionen zum Schutz des Urheberrechts und wurde mit Gründung des Netzwerks Autorenrechte auf eine effizientere Plattform gestellt, um bei den derzeitigen Umschichtungen im Buchmarkt die Interessen der Autorinnen zu vertreten. Es geht nicht darum, die Veränderung des Buchmarkts aufzuhalten – das können wir nicht, das macht auch keinen Sinn, die Welt ist im Umbruch, warum sollte der Buchmarkt davon ausgenommen sein? Frank Schätzing sagt in der Welt vom 23.4. (3) zu dem Thema ‚Macht in der digitalisierten Welt’: „Denn die digitale Welt wird kommen. Die Frage ist, wer in ihr das Sagen hat.“ Für Autoren ist es existenziell wichtig, diesen Umbruch mitzubestimmen und dafür zu sorgen, dass wir, die Autorinnen, die ‚Contentlieferanten’ dabei nicht völlig an den Rand gedrängt werden. Leider können wir keine Millionenbeträge für Lobbyisten bezahlen, daher steht und fällt diese Mitbestimmung mit dem ehrenamtlichen Engagement einiger weniger, die dafür ihre Frei- und oft auch Arbeitszeit opfern.

Reden wir über Ihr neustes Jugendbuch. Ewig Wir – Deathline, der zweite und letzte Band der Deathline Diologie. Um was geht es in dieser Diologie?

Durch Klick aufs Cover geht’s zum Buch

Meine Heldin Josie wünscht sich eine große Liebe und eine aufregende Bestimmung, ähnlich einer Romanheldin, die die Welt retten muss. Ein leichtfertiger Wunsch, denn die Liebe erweist sich als äußerst kompliziert und die Bestimmung als hochgefährlich … Verpackt ist das Ganze in einem ungewöhnlichen und hochspannenden Mix aus Thrill, Fantasy, Mystery und Liebesroman. Und natürlich hat es – wie alle meine Bücher –  einen gesellschaftsrelevanten Hintergrund. Triebfeder der Geschichte ist die unersättlich Gier nach Macht, selbst über den Tod. 2015 las ich im Spiegel einen Artikel über die „Macher“ des Silicon Valley und stolperte über die Hoffnung von Ray Kurzweil (Chefingenieur von Google), so lange durchzuhalten, bis die Technologie es schafft, das menschliche Leben zu verlängern. Dazu wirft sich der damals 67-Jährige jeden Tag 150 Pillen ein. (4)  Eine Seite weiter fragt Sebastian Thrun, der Erfinder von Googles selbstfahrendem Auto: „Wer sagt, dass wir nicht tausend Jahre leben können, dass Autos nicht fliegen können?“ (5) Weiter vorne in dem Artikel wird nebenbei erwähnt, dass durch die neuen Technologien immer mehr Jobs verschwinden werden. Wie soll das funktionieren? Wenn Menschen 1000 Jahre leben und weiterhin Familien haben – wie soll die Erde mit der massiven Überbevölkerung umgehen? Oder dürfen nur Auserwählte und Ultrareiche 1000 Jahre leben, während die anderen, die dann Joblosen möglichst schnell vom Erdboden verschwinden sollen, um keine Ressourcen zu verschwenden? Ich habe weiter recherchiert und bin auf die Männer gestoßen, die mit ihren Ideen unser Leben verändern, oft an den Gesetzen vorbei, die uns schützen sollen, Männer, die unvorstellbar reich und mächtig sind und immer noch mehr wollen, egal wie viele Existenzen dabei zerstört werden. Und diese unermessliche Gier nach Macht, selbst über den Tod, war die Triebfeder der Geschichte hinter der Geschichte der Deathline Diologie.

Eine letzte Frage: Sie schreiben Bücher für Erwachsenen und für Jugendliche. Was macht Ihnen mehr Spaß?

Mir macht jedes Buch Spaß und auch nicht, je nachdem in welcher Phase des Schreibprozesses ich mich befinde. Im Erwachsenenbuch bin ich freier, sowohl in der Auswahl der Themen, der Sprache, als auch in der Darstellung des Geschehens. Im Jugendbuch bin ich sehr vorsichtig, denn hier habe ich eine weitreichende Verantwortung meinen Lesern gegenüber, nicht nur was das Kopfkino hinsichtlich Gewalt etc. betrifft. Jugendliche Leserinnen lassen sich ganz anders auf Geschichten ein und identifizieren sich intensiver mit den Protagonistinnen. Aus Fanmails weiß ich, dass meine jugendlichen Leser meine Geschichten durchleben, als wäre es ihre eigene Geschichte. Dass meine Bücher sie, bzw. ihre Denkweise ein Stückweit mitprägen, so wie ich in meiner Jugend von meinen Lieblingsbüchern geprägt wurde. Die Bücher, die ich vor 35 und mehr Jahren als Lieblingsbücher verschlungen habe, sind mir noch heute so lebhaft im Gedächtnis, als hätte ich sie gestern gelesen. Das haben in meiner Erwachsenenzeit nur sehr, sehr wenige Bücher geschafft – auch wenn es großartige Bücher waren. Dieser Verantwortung bin ich mir beim Schreiben bewusst und das ist einerseits ein Hemmschuh, andererseits ein Motor. Zu wissen, dass ich mit meinen Geschichten junge Menschen, während ich sie bestens unterhalte auch zum Nachdenken bringen kann, ist für einen Menschen, der sich seit seiner Kindheit für andere engagiert ein Geschenk. Als ich auf Instagram zum Hintergrund von ‚Ewig Wir – Deathline’ das Lesen des oben erwähnten Spiegelartikels als Ausgangspunkt der Diologie gepostet habe, kam folgende Antwort einer Leserin: „Diese Gier hast du echt super umgesetzt, genauso ein Gefühl hatte ich beim Lesen.“ Das freut mich dann.

Die Fragen stellte Franziska Altepost

 

 

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