Reinhold Stecher, früher Verleger von Heyne, C. Bertelsmann und Blanvalet und danach Gründer der Münchner Literaturagentur AVA, ist am 19. November 2017 nach langer Krankheit gestorben, im Alter von 84 Jahren. Roman Hocke, sein Nachfolger, erinnert hier an den Mann, der lange Jahre wesentlich und unvergessen den Markt geprägt hat:
Ich erinnere mich gerne an meinen früheren Seniorpartner als einen freundlichen, zuvorkommenden, immer interessierten Menschen, der zurecht als „der Gentleman der Verlagsbranche“ bekannt wurde. Reinhold G. Stecher war ein Mensch, der zwei beeindruckende Leben in der Verlagswelt führen sollte, die bis heute ihre Spuren zeigen.
Es war die Liebe zum geschriebenen Wort, sein untrügliches Gespür für Stoffe, für Autoren und eine starke kaufmännische Begabung, die Reinhold G. Stecher einen außergewöhnlichen Berufsweg ermöglichten. Seine Karriere begann er, nach einem für damalige Zeiten fast schon untypischen Studium der Betriebswirtschaft, in den 1960ern. Bei Kindler avancierte er schon 1966 zum Cheflektor, als Prokurist verantwortete er anschließend sowohl den Kindler Verlag als auch den Lichtenberg Verlag, von dort aus wechselte er als Verlagsleiter zu Heyne. Es folgte ein weiteres Intermezzo als Geschäftsführer bei C. Bertelsmann und Blanvalet, ehe er zu Heyne zurückkehrte und damit seine beeindruckende Karriere in seinem ersten Leben der Buchbranche krönte.
Mit der Gründung der AVA Literaturagentur wechselte Reinhold G. Stecher 1978 nach mehr als eineinhalb Jahrzehnten als erfolgreicher Verlagsmensch auf die Seite der Agenten – eine Pioniertat, da er als einer der ersten Agenten nicht mit ausländischen Lizenzrechten arbeitete, sondern sich auf ausschließlich deutschsprachige Autorinnen und Autoren konzentrierte. Ein Novum auf dem Buchmarkt – und es waren keine Geringeren als die Bestsellerstars Heinz G. Konsalik, Utta Danella oder Sandra Paretti, die von Reinhold G. Stecher vertreten wurden. Autoren, mit denen er bereits als Verlagschef zusammengearbeitet hatte und für deren Werke er nun als Agent eintrat. Rasch gesellten sich weitere Erfolgsautoren hinzu, darunter Marie Louise Fischer, A.E. Johann, Lilli Palmer, Dieter Zimmer, Hermann Schreiber und – seine erfolgreichste Entdeckung, die nicht zuletzt dank ihm zur Königin der Bestsellerliste wurde – Charlotte Link.
In seiner Arbeit als Agent veredelte er, was ihn bereits zum erfolgreichen Verleger hatte werden lassen: Reinhold G. Stecher war ein einfühlsamer Betreuer, ein zuverlässiger Ratgeber, für seine Autoren ging er buchstäblich durchs Feuer, seinen Partnern gegenüber war er stets fair und loyal, er war ein Mann, dessen Wort Gültigkeit besaß. Er schaffte es durch seine ruhige, sanfte und unaufdringliche Präsenz, aus einer Ansammlung natürlicher Widersacher einen Schwarm Gleichgesinnter zu machen. Er schaffte und schöpfte Werte.
Und gleichzeitig schreckte er nicht vor Auseinandersetzungen zurück, wenn diese notwendig waren – seine „gelben Briefe“, die er als Agent schrieb und in denen er das Beste für seine Autoren verhandelte, sorgten ebenso für Gesprächsstoff, wie die schnell zur Legende werdenden Sommerfeste, die er in Herrsching am Ammersee, dem Stammsitz seiner Agentur, abhielt. Bei diesen Festen, bei denen selbstverständlich die traditionelle Weißwürste nie fehlten, galt jene Regel, die große Feste schon immer auszeichnete: In ist, wer drin ist. Und welche Autoren, Verleger, Lektoren, Film- und Medienleute drin waren, ließ sich in der BILD-Zeitung nachlesen, die über die AVA-Feste in Herrsching berichtete. Wer nicht eingeladen war, klagte und tat sein Bestes, um beim nächsten AVA-Fest wieder oder vielleicht auch endlich mit einer Einladung bedacht zu werden.
2002 war ein weiteres besonderes Jahr für Reinhold G. Stecher und vor allem für mich eine der Sternstunden meines Lebens. Als wir uns kennenlernten, war innerhalb weniger Stunden klar, dass wir eine maximale Deckungsgleichheit von der Auffassung der Agentenarbeit hatten.
Dass ich meine noch junge Karriere als Agent mit einem Seniorpartner wie Reinhold G. Stecher gestalten durfte, war für mich ein großes Glück. In den zehn Jahren unserer Zusammenarbeit bauten wir beständig an den Karrieren unserer Autoren und inspirierten uns in der Arbeit als Agenten dabei gegenseitig. Meine Frau und ich freundeten uns bald mit diesem charmanten Mann und seiner Ehefrau Layla an, die ihn bis zu seinem Tod liebevoll umsorgte. Zu viert verbrachten wir viele heitere, gesprächsreiche Stunden, auch in Rom. Mit dem wohlverdienten Ruhestand von Reinhold G. Stecher haben wir den Stammsitz der Agentur 2011 schließlich in die Münchner Innenstadt verlegt.
Dass wir eigentlich ursprünglich eine frühere Staffelübergabe vereinbart hatten, vergesse ich gern aus mehreren Gründen. Es war mir eine Freude und eine große Ehre, mit Reinhold G. Stecher an meiner Seite zu arbeiten, und darüber hinaus fuhren wir nicht nur mit gesetzten, sondern mit geblähten Segeln. Nur selten war die See stürmisch, in aller Regel strahlte uns die Sonne entgegen.
Was wir in der AVA aber nicht vergessen werden, sind die Werte, für die mein nun verstorbener Seniorpartner einst die Basis gelegt hat. Diese Basis vertreten wir heute in der AVA ebenso wie viele der von ihm einst persönlich betreuten Autoren. Ohne diese Werte, die er in seine Arbeit integriert hatte, mit einer überraschenden Selbstverständlichkeit, würde mir meine Arbeit als Agent heute keinen so großen Spaß machen.
Danke für alles, Reinhold, und viel Glück, wo immer du jetzt auf deiner neuen Reise ankommen wirst. In meinem, in unserem Herzen hast du einen festen Platz von beträchtlicher Größe.
Dein Roman Hocke
Wenn die Sonne des Lebens runter geht, dann erscheinen die Sternen der Erinnerungen
Er war ein Gentleman