Veranstaltungen Mit Martin Mosebach durch das Frankfurter Westend

Gestern, noch vor dem offiziellen Start von Frankfurt liest ein Buch, war eine Gruppe Medienvertreter mit dem Autor Martin Mosebach, dem Literatur-Organisator Lothar Ruske und dem Stadtführer Mikael Horstmann zu Orten im Frankfurter Westen, die im Roman Westend eine Rolle spielen, unterwegs.

Lothar Ruske und Dirk Hülstrunk vor der Christuskirche

Treffpunkt war die Christuskirche auf dem heute grünen Platz, auf den Schumann-, Beethoven-, Schwind-, Schubert- und Corneliusstraße münden.

Gleich zu Beginn des Buches heißt es dazu: „Die kleinen Häuser der Schubertstraße, denen in ihrer Verschiedenheit doch anzusehen war, daß sie aus demselben Baukasten stammten, hatten seit dem Kriegsende einen dunklen Akzent erhalten, weil die protestantische Christuskirche ausgebombt und ausgebrannt in ihrer Mitte stand und nur den gotischen Fensterbogen, der vorher durch eine Glasmalerei geschlossen worden war, wie ein geöffnetes Tor in den Himmel reckte. In diesem Bogen erschien der Himmelsausschnitt mit seinen vom Wetter beständig veränderten Farben wie ein gerahmtes Bild, vor allem, wenn abends die Sonne darin unterging.“

Die 1880 im Stil des Historismus errichtete Kirche des dänischen Architekten Aage von Kauffmann wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und blieb über 30 Jahre eine Ruine. Seit 1978 wird sie als Ökumenisches Zentrum genutzt, steht unter Denkmalschutz und beherbergt in ihren Räumen die evangelische Christus-Immanuel-Gemeinde, eine Serbisch-Orthodoxe Gemeinde sowie die evangelische ostafrikanische Oromo-Gemeinde.

„Das Dach der Christuskirche ist eine Verstümmelung. Die Kirche war in meiner Jugend eine Ruine, durch den gotischen Fensterbogen sah ich im Abendlicht Bildausschnitte des Himmels, das erinnerte an Caspar David Friedrich“, sagte der 1951 in Frankfurt geborene Mosebach. Er fügte auf dem Weg in die Schubertstraße hinzu: „Wenn man Westend liest und nach den Orten sucht, wird man merken, dass es an allen Ecken nicht stimmt. Aber die Schubertstraße führt ja tatsächlich direkt auf die Kirche zu und bot sich wie ein Bühne an.“

An der Schubertstraße 23, Haus einer „zusammengewürfelten Wohngemeinschaft“, wie der Autor bemerkte, fällt der schmückende Frauenkopf an der Fassade auf. Martin Mosebach hat mit seinen Eltern früher selbst in dem Haus gewohnt. Im Roman bewohnt Etelka Kalkofen die Mansarde.

Zum Buch erläuterte Mosebach: „Es hat keinen autobiografischen Charakter. Ich habe das Buch vor allem in Süd-Italien geschrieben, das Viertel Westend romanisiert. Die Häuser sind in sich geschlossen, ich habe die Schubertstraße in einen phantastischen Ort verwandelt.“

Weiter ging es zur Mendelssohnstraße. „Da fuhr früher die Straßenbahnlinie 1 hindurch. Das kann man an den Masten noch sehen. Damals trugen sie die Oberleitung, heute die Straßenlampen“, erklärte Mikael Horstmann.

Mosebach sagte, er habe aus Trotz das Buch in einer reizlosen Umgebung, einem unpittoresken Ort, angesiedelt. In der Mendelssohnstraße steht auch die im Buch von Eduard Has ausgedachte und gebaute Villa, die ein bisschen an Le Corbusier erinnert. „Ganz oben war die Gemäldesammlung“, sagte der Schriftsteller und fügte hinzu: „Gestalten wie die Kehrfrau Scharnhorst, der Heizer, der Kartoffelmann und die Kohlenmänner – heute undenkbar – bevölkern im Buch die Straße. Belebung war mir wichtiger als die Häuser. Heute ist das Stadtviertel verödet.“ In den 1950er und 1960er Jahren habe der Buntsandstein nur noch kulissenhaft gewirkt. „Abriss und Umbau ist zu einem Gesetz geworden, nicht nur in Frankfurt. Immobilien werden wie Wegwerfartikel geplant. Es wird nicht mehr für die Ewigkeit gebaut.“ Mosebach sei jedoch davon überzeugt, dass Architektur Einfluss auf die Menschen habe. „Allerdings ist Frankfurt einer Flughafenlounge ähnlich und hat einen riesigen Durchlauf“, ergänzte der Autor.

Das Buch enthalte zudem eine Hommage an untergegangene Lokale wie das Café Feuerbach und das Café der Tierfreunde. „Im Café Feuerbach trafen sich die Schulschwänzer“, meinte Mosebach.

Martin Mosbach und Mikael Horstmann vor der heutigen Elsa-Brändström-Schule

Weiter führte der Weg über die Westendstraße zur Guiollettstraße und zur heutigen Elsa-Brändström-Schule in der Lindenstraße. Damals befand sich an dieser Stelle die Volksschule, in der die Romanfiguren Alfred Labonté, Toddi Osten und Lilly Has lernten.

Später im Buch spielt auch das Bahnhofsviertel, zu dem es nicht weit ist, eine Rolle. „Das Bahnhofsviertel war mit schönen Geschäftshäusern geplant, wurde aber später zum Rotlichtviertel“, sagte Mosebach.

Auf die Frage, warum in Westend kaum etwas über jüdische Menschen zu lesen sei, antwortete der Autor: „Ich habe kein Geschichtsbuch geschrieben. Das Thema spielt aber in meinem Buch Das Bett, in dem ich Emigration und Rückkehr von Juden schildere, eine Rolle.“ Das Bett, Mosebachs Debüt, 1983 bei Hoffmann & Campe erschienen, leitet die Frankfurt-Pentalogie ein, Westend ist das zweite Buch, dem Eine lange Nacht, Das Blutbuchenfest und Der Mond und das Mädchen folgen.

JF

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