Willy Droemer

V.l: Willy Droemer mit seinem Bestsellerautor
Johannes Mario Simmel

Heute, am 18.7., wäre Willy Droemer 100 Jahre alt geworden. Gerhard Beckmann erinnert an den ersten großen Bestsellerverleger: (s. a. BuchMarkt 7/2011, S. 135. Hier die dort versprochene Bilderleiste download(whisper_07_droemer.pdf).

Im Kulturbewusstsein spielen Jubiläen eine eminente Rolle. Das gilt insbesondere für Deutschland. Deswegen ist es auch aufschlussreich, welche historischen Ereignisse und Persönlichkeiten mit ihren Jubiläen keine Beachtung finden.

Ein aktuelles Beispiel bietet Willy Droemer. Er wurde am 18. Juli 1911, also genau vor hundert Jahren, geboren. Wetten, dass dieser große Ehrentag in keinem unserer großen Feuilletons gebührend beachtet wird, dass er vielleicht nicht einmal bemerkt wird? Und das, obwohl Willy Droemer zu den großen Verlegern zählt, der die Lesekultur der deutschen Bevölkerung seit dem zweiten Weltkrieg maßgeblich und nachhaltig geprägt hat.

Die Sache hat Tradition: Die kulturtragende Bedeutung von Verlegern wird überhaupt kaum wahrgenommen. So erwähnt etwa Hermann Glasers „Kleine deutsche Kulturgeschichte von 1945 bis heute“ (2004) keinen von ihnen außer Peter Suhrkamp und Siegfried Unseld, nicht einmal Heinrich-Maria Rowohlt als Begründer der rororo Taschenbücher, dank derer „viele Lieblingsautoren der jungen Nachkriegsgeneration wie Wolfgang Borchardt, Ernest Hemingway und Kurt Tucholsky fast ausschließlich ihr Publikum fanden“ (Reinhard Wittmann).

Noch merkwürdiger – und gewiss mit ein Grund für das öffentliche Vergessen – ist freilich, dass die Buchwelt selbst sein Jubiläum offenbar nicht zu gedenken denkt. Besteht da nicht vielleicht ein Zusammenhang zwischen einem (nicht nur hier spürbaren) Desinteresse an der eigenen Vergangenheit und der weitgehenden heutigen Mut- und Orientierungslosigkeit der Branche? Natürlich sind die Verhältnisse ganz andere, sie waren jedoch in den Jahren nach Kriegsende kaum weniger umbruchartig und schwierig als heute.

Es ist spannend und durchaus lehrreich zu sehen, mit welcher Findigkeit Willy Droemer aus den Trümmern des ererbten Berliner Verlages (Theodor Knaur Nachf.) zunächst im fränkischen Dorf Wiesentheid dann in München sein Haus baute, mit welcher Risikofreude und systematischer Umsicht, mit welchem Geschick er vom Vater übernommene Unternehmenstraditionen zu einer (notwendigen) Neuorientierung (nicht bloß des Programms) nutzte, zu einem vertrieblich und finanziell einzigartigem Erfolg führte und dabei – beispielhaft etwa durch die Innovation internationaler Koproduktionen – dem deutschen Publikum (weil eben auch zu erschwinglichen Preisen) neue Welten von Kunst und Wissenschaft erschloss.

Wir alle sind, wie es erstmals wohl Bernhard von Chartres im 12. Jahrhundert ausdrückte, Zwerge, die auf den Schultern von Riesen der Vergangenheit stehen, was übrigens impliziert, dass Zwerge mehr sehen könnten als die großen Altvorderen – so wie wir uns denn auf ihre Schultern stellen. Es würde sich aber für uns lohnen, Willy Droemer zu gedenken, er zählt zu den Riesen unserer Branche. Doch wo in der Fachpresse hat es Beiträge gegeben, anlässlich des hundertsten Geburtstages dieses Menschen, den die Branche sicherlich substanzielle Initiativen Anstöße verdankt?

Und es könnte wirklich lohnen, ein Kernproblem des gegenwärtigen Buchgeschäftes mit Blick auf Droemer zu überdenken, ohne den Bestseller, ohne den Verlage heute nicht mehr überlebensfähig scheinen. Genau um diese Bestseller ist es jedoch, wie die Dinge inzwischen laufen, schlecht bis miserabel bestellt.

Von 10 als Bestseller avisierten bzw. lancierten Titel enden heute neun als Flop, entweder weil sie im Buchhandel bzw. beim Publikum durchfallen oder weil sie im finanziellen Erlös unter den Aufwandkosten bleiben.

Und selbst bei längerer Platzierung auf dem erstem Listenplatz im Hardcover wird regulär vielleicht gerade mal noch eine Verkaufsauflage von 100.000 Exemplaren erzielt, was sogar im günstigsten Fall von vier entsprechenden Bestsellern jährlich für einen größeren Verlag kaum genug Butter aus Brot streicht.

Man sollte einmal gründlich reflektieren, warum und wie Willy Droemer der erfolgreichste deutsche Bestseller- Verleger geworden ist, mit Spitzenauflagen , die sogar die Absatzzahlen einiger amerikanischer Autoren bei ihren Heimatverlagen übertrafen, vom legendären Phänomen Johannes Mario Simmel ganz zu schweigen.

Es ist eine spannende und aufschlussreiche Geschichte, die bei aller Veränderung des Publikums, des Buchhandels, der Verlage und der Medienwelt einige Lektionen bereit hält, auf jeden Fall aber viel Stoff zum fruchtbaren Nachdenken bietet.

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