Wie die Familie von Dieter Zimmer mitgeteilt hat, ist der Autor am 17. Juni 2024 verstorben. Sein langjähriger Freund und AVA-Autorenkollege Carl-Ludwig Paeschke, der mit Dieter Zimmer zahlreiche Dokumentationen für das ZDF gedreht und gemeinsam mit ihm Bücher geschrieben hat, erinnert sich an einen großen Autor, der die deutsch-deutsche Geschichte als Lebensthema in den Mittelpunkt seines Werkes stellte, hat einen Nachruf verfasst:
Dieter Zimmer ist tot, verstorben am 17. Juni – ausgerechnet! Fast möchte man schreiben: Es gab kein passenderes Datum.
Er, der Leipziger aus Liebe und Überzeugung, der mit seiner Mutter 1953, also im Jahr des Arbeiter-Aufstandes, die DDR verlassen – und im Westen ein neues Leben begonnen hat. Damals war Dieter Zimmer gerade mal 14 Jahre alt.
Doch Leipzig, die DDR, die deutsche Teilung – diese Themen sollten ihn zeitlebens beglei-ten, ihn nicht loslassen.
So war auch einer unserer ersten gemeinsamen Filme für das ZDF eine Dokumentation zum 30. Jahrestag dieses Aufstandes in Ost-Berlin und der DDR. Ich teilte mit ihm das Interesse an der DDR, lernte von ihm, wie man Dokumentationen dreht, später dann auch über das Bücherschreiben. Und: aus Kollegen wurden Freunde.
Bekannt war Dieter Zimmer zu dieser Zeit schon als Nachrichtenmann der heute-Sendung im ZDF, als Moderator und Reporter. „Ich kenn Sie doch vom Fernsehen“, wurde er oft auf der Straße angesprochen. Inzwischen hatte der „Mann vom Schirm“ aber auch seine zweite Berufung gefunden: er war Autor geworden.
Ausgerechnet Rainer Barzel, wegen dem Dieter Zimmer am Tag des Misstrauensvotums gegen Kanzler Willy Brandt in die SPD eingetreten war, hatte ihn Jahre später dazu ermutigt. „Machen Sie doch etwas, was bleibt!“, hatte Barzel ihm geraten und Dieter Zimmer „machte“. Vielleicht war ihm damals der große Walter Kempowski ein Vorbild: Dieter Zimmer schrieb seinen ersten Roman über ein Thema, das er am besten kannte – seine Kindheit und Jugend im kriegszerstörten Leipzig, die Jahre als dort der Sozialismus aufgebaut werden sollte.
Auf seiner Reiseschreibmaschine – das Wort „Textverarbeitung“ war ja noch nicht einmal erfunden – tippte er Version um Version, dann kamen die Absagen der Verlage – der Autor schluckte und schwieg. Bis ein Brief aus der Schweiz kam: der Scherz-Verlag in Bern würde Für’n Groschen Brause veröffentlichen. Und der Roman wurde aus dem Stand ein Bestseller! Dieter Zimmer schwebte im 7. Autorenhimmel und nicht nur dort:1981 hatte er seine Frau Ulrike kennen- und lieben gelernt.
Durch seinen Erfolg wurde auch Reinhold G. Stecher auf Dieter Zimmer aufmerksam. Stecher hatte wenige Jahre zuvor seine Autoren- und Verlagsagentur AVA gegründet und suchte Talente. In Dieter Zimmer fand er so ein Talent, dass nicht nur schreiben konnte, sondern auch viel schreiben wollte. Es begannen Jahrzehnte einer fruchtbaren Zusammenarbeit, die, später dann als Roman Hocke die AVA übernahm, nahtlos fortgeführt wurde. Alles in Butter, der zweite Teil seiner Autobiographie folgte und Wunder dauern etwas länger, ebenfalls bei Scherz.
Mit dem Kalifornischen Quartett verließ Dieter Zimmer nicht nur den Scherz-Verlag. Er schrieb für Lübbe einen Roman, der in dem Land spielte, dass ihn Zeit seines Lebens anzog: die USA. Schon als Jung-Redakteur hatte er das Ziel. Beruflich ‚geschafft‘ habe er es, erzählte er später “als ich einfach zum Flughafen hätte fahren können, um mir ein Ticket nach New York zu kaufen.“ Und „geschafft“ hatte er es längst, als auch „das Quartett“, wie er es nannte, nicht nur ein Bucherfolg wurde, sondern auch – mit seinem Drehbuch – vom ZDF verfilmt wurde.
Zwei Jahre später, 1989, erschien gerade noch rechtzeitig vor dem Mauerfall bei Lübbe Das Mädchen vom Alex, ein Roman im geteilten Berlin. Im gleichen Jahr veröffentlichten wir auch unser erstes gemeinsames Sachbuch Auferstanden aus Ruinen. Von der SBZ zur DDR bei der DVA. Konnte der Roman noch viele Leser finden, war der DVA-Titel eher ein Flop. Mit dem Fall der Mauer hatten weder die Autoren noch der Verlag gerechnet.
Den 9. November 1989 erlebte Dieter Zimmer im Krankenbett. Wenige Wochen zuvor hatte ihn ein erster Schlaganfall fast aus der Bahn geworfen. Zunächst war vollkommen unsicher, ob er je wieder vor der Kamera stehen könnte. Doch mit dem ihm eigenen eisernen Willen und Selbstdisziplin nahm er den Kampf auf und stand am Wahlabend zur ersten frei gewählten Volkskammer wieder im Studio und präsentierte – wie so oft zuvor – die Hochrechnungen.
Viele Sendungen, viele Dokumentationen und viele Bücher, auch gemeinsame Sachbücher zu unseren Filmen, sollten noch folgen. Doch Dieter Zimmers Gesundheit war und blieb angeschlagen. Ein zweiter Schlaganfall folgte, Jahre später die Diagnose Parkinson – keine Hoffnung auf Heilung. Die Reisen in das geliebte Leipzig wurden seltener, das Reisen insgesamt wurde immer mühsamer und letztendlich unmöglich. Genau wie das Schreiben. Trotz klarem Verstand fiel es ihm körperlich immer schwerer, bis er es ganz aufgeben mußte.
Am 17. Juni ist Dieter Zimmer verstummt.
Carl-Ludwig Paeschke