Peer Steinbrück in München: „Die Buchpreisbindung würde ich nicht opfern“

Peer Steinbrück

Klare Worte des früheren SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück (Foto) bei der Vorstellung seines soeben erschienen Buches Vertagte Zukunft (Hoffmann und Campe) im voll besetzten Münchner Literaturhaus am Dienstagabend.

„Warum die Politik jetzt handeln muss“ war das Motto des Gesprächs mit Kurt Kister (Chefredakteur Süddeutsche Zeitung). Hans Peter Übleis ließ es sich als Hausherr (Vorsitzender der Stiftung Literaturhaus) nicht nehmen, die einleitenden Worte zu sprechen. Während draußen der Orkan Niklas ums Haus tobte und man es drinnen warm und gemütlich habe, versprach er dennoch einen ungemütlichen Abend. Denn das Nordlicht Steinbrück stehe mit Verstand und Humor für eine „klare Kante gegen das Biedermeier der gegenwärtigen Politik“. In seiner Eigenschaft als Droemer-Knaur-Verleger konnte er sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass er selbst gern der Verleger dieses Buchs geworden wäre, das sofort schon auf Platz 26 der SPIEGEL-Bestsellerliste gesprungen sei.

Hans Peter Übleis (r.) stellt Peer Steinbrück vor

Steinbrück geht es um alles andere als einen larmoyanten Blick zurück auf die missglückte Kanzlerwahl 2013, wobei er durch seine offene Selbstkritik verblüfft: „Diese Kandidatur war ein Fehler – mein Fehler.“ Sein Verhältnis zu Bundeskanzlerin Merkel ist von Respekt getragen, aber natürlich durch konträre politische Perspektiven gewürzt. Respekt für ihren Führungsstil durch Einbeziehen und Vertrauen – Sorge über ihre Rolle „als Hüterin über alle deutschen Porzellankisten“.

Er bricht eine Stange für den leicht zu verunglimpfenden Beruf des Politikers, fordert die Bürger zum Einmischen auf und mahnt die Medien, sich nicht im Oberflächlichen zu verlieren (z. B. Merkels schwarz-rot-goldene Kette statt inhaltlicher Positionen). Er gibt keineswegs den reuigen Sünder, indem er betont, in der Frage der mit Hilfe der Schweizer Banken gezielt dem deutschen Fiskus entzogenen Schwarzgeldern war die Drohung mit der „Kavallerie“ damals richtig – es war die US-Regierung mit ihrer knallharten Haltung, wodurch die Schweiz endlich zur Aufgabe ihres verlogenen Bankgeheimnis-Starrsinns gebracht wurde, nicht das zahme bilaterale Abkommen Deutschland/Schweiz, das Finanzminister Schäuble favorisierte. „Die Hälfte der Politik besteht nicht aus Originalität, sondern aus Penetranz“.

Kurt Kister (SZ, links) und Peer Steinbrück im Gespräch

So ist er geradezu neidisch auf den von Angela Merkel geprägten Begriff der „Bildungsrepublik Deutschland“ – aus dem sie aber keinerlei wirkliche Zukunftsinitiativen eingeleitet habe, im Gegenteil: Die absurde Rückständigkeit von 16 regionalen Bildungssystemen ist ein gravierendes Fortschrittshemmnis erster Güte.

Zu den möglichen Vorteilen und Nachteilen des Transatlantischen Handelsabkommens kritisiert Steinbrück die bisherige Intransparenz des Verfahrens, betont aber zugleich die Wichtigkeit, angesichts von 40% Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft hier zu einer Erleichterung des gegenseitigen Handels zu kommen, auch um sich diese Chance nicht durch eine Bevorzugung des amerikanisch-asiatischen Raums verkleinern zu lassen. Er unterstützt Sigmar Gabriel in dessen Haltung, dass vier Kriterien gesichert sein müssen: 1) Keine Schiedsgerichte außerhalb unseres gesetzlichen Systems; 2) Gewährleistung unserer Umwelt- und Verbraucherschutz-Standards; 3) kein Druck zur Privatisierung kommunaler Unternehmen; 4) Sicherung der kulturellen Vielfalt.

Der vollbesetzte Saal des Literaturhauses München

So klar Steinbrücks Haltung ist – „die SPD eiert in dieser Frage herum“, meinte ein Zuhörer, wie man an der Zustimmung der SPD zur „Ausländer-Maut eines irrlichternden Südländers“ im Bundestag finden kann – gegen ihre eigene Überzeugung und im Interesse der Koalitions-Disziplin. Auf die gezielte Nachfrage, ob die Buchpreisbindung in einem solchen Prozess durch Unachtsamkeit oder als „kleines Opfer für eine größere Sache“ verloren gehen könne, gab Steinbrück die klare Kante: Nein.

Ulrich Störiko-Blume

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