Frauke Buchholz liebt das Reisen und fremde Kulturen. Ihre Erfahrungen spiegeln sich auch in ihren Romanen wieder: Ihr Debüt Frostmond wurde 2021 mit dem Harzer Hammer und 2022 mit dem Stuttgarter Debütpreis ausgezeichnet. Nun ist der Nachfolger Blutrodeo (beide Pendragon) erschienen, in dem die Autorin u.a. für soziale Missstände und wenig beachtete politische Themen sensibilisieren will. Anlass für Fragen:
BuchMarkt: Worum geht es in Ihrem Buch?
Frauke Buchholz: BLUTRODEO beginnt mit dem Mord an zwei alten Männern in Calgary, denen kaltblütig die Kehle aufgeschlitzt wurde. Die Spur führt die beiden Ermittler, eine junge ehrgeizige Polizistin namens Samantha Stern und den erfahrenen Profiler Ted Garner, zunächst in den Norden Albertas, wo der Ölsandabbau verheerende Folgen für die Umwelt und die indigene Bevölkerung hat. Doch es geht nicht nur um die hemmungslose Gier nach Öl, die Profitsucht der Konzerne und die Zerstörung der kanadischen Wildnis, sondern auch um eine Reise in die Vergangenheit, um die Suche meiner Protagonisten nach Sinn, um seelische Abgründe, das Scheitern von Beziehungen und Kommunikation und die fundamentale Entwurzelung in einer Gesellschaft, in der jeder auf sich gestellt ist und um sein Überleben kämpfen muss.
In Ihrem Debüt-Roman „Frostmond“ ging es bereits um das Verschwinden zweier Frauen indigener Herkunft, inwieweit baut „Blutrodeo“ auf den Erstling auf?
Frostmond und Blutrodeo sind zwei voneinander unabhängige Romane, die durch die Figur des Profilers Ted Garner miteinander verbunden sind. Während „Frostmond“ in Montreal und Québec spielt, führt Garner der 2. Fall in den Westen Kanadas, nach Calgary, in die Rocky Mountains und das Ölsandabbaugebiet bei Fort McMurray, also ein gänzlich neues Setting und Ambiente. Dabei geht es zwar auch um das Thema des industriellen Genozids, das heißt die Zerstörung indigenen Lebensraums, doch „Blutrodeo“ ist ein sehr vielschichtiger psychologischer Thriller, der die dunkle Macht von Gewalt und Zerstörung auf ganz unterschiedlichen Ebenen erforscht und beleuchtet. Die äußerst komplexe und amivalente Figur des Ted Garner aus „Frostmond“ hat mich nicht losgelassen und wird in „Blutrodeo“ weiter entwickelt und vertieft, doch man muss den ersten Band nicht gelesen haben, um den zweiten zu verstehen.
Sie selbst lieben das Reisen und fremde Kulturen und haben viele Indianerreservate in Kanada und den USA besucht und einige Zeit in einem Cree-Reservat in Alberta verbracht. Spiegeln sich diese Erfahrungen immer auch in Ihren Romanen wieder?
Frostmond wäre überhaupt nicht denkbar gewesen ohne diese Erfahrungen, und natürlich basiert auch die Episode im Reservat in „Blutrodeo“ auf persönlichen Erlebnissen, doch ist der zweite Roman thematisch sehr viel weiter gefasst. Die Nische der „Ethno-Krimis“ wäre mir auf Dauer viel zu eng, auch wenn das Thema der indigenen Bevölkerung als wichtiger Bestandteil der kanadischen Gesellschaft in der Ted Garner-Reihe immer eine Rolle spielt, doch nicht notwendigerweise eine zentrale.
Was ist Ihnen besonders wichtig in Ihren Geschichten, welches Gefühl möchten Sie den LeserInnen vermitteln?
Es geht mir einerseits um eine Sensibilisierung für soziale Missstände und wenig beachtete politische Themen, aber meine Geschichten sind auch immer psychologische Studien. Ich mag keinen vordergründigen Thrill, sondern möchte die Seele meiner Charaktere, ihre Entwicklung, ihre innere Motivation, ihre Getriebenheit und Qual offenlegen. Meine Figuren sind Verletzte, manchmal sogar Schwerverletzte, traumatisiert, brutalisiert. Vielleicht ist es das Gefühl, dass wir alle letztendlich Suchende sind, und dass unsere Suche nach Sinn und Glück oft scheitert. Letztendlich ist es eine ziemlich düstere Weltsicht, doch es gibt ja auch immer eine ordentliche Prise Humor in meinen Büchern, auch wenn er meist an Sarkasmus grenzt.
Worin sehen Sie hierbei die besondere Herausforderung?
Im Krimi geht es für mich vor allem um einen spannenden Plot. Informationen und Hintergrundwissen über sozialpolitische oder geschichtliche Themen dürfen die Handlung, den eigentlichen Kriminalfall, niemals „erschlagen“, und sie dürfen weder belehrend noch moralisierend daher kommen. Das ist die große Kunst – die Verbindung zu schaffen zwischen einem brisanten sozialpolitischen Thema, eigenwilligen und interessanten Charakteren und einem spannungsgeladenen Plot, der den Leser bis zum Schluss in Atem hält und dann auch noch sauber aufgeht.
An welche Leserschaft richten sich Ihre Bücher?
Meine Krimis sind keine Mainstream-Krimis. Die Sprache ist sehr direkt, ziemlich hart und manchmal sogar brutal, also nichts für allzu empfindliche Gemüter. Ich bin sehr nah an meinen nicht immer sympathischen Figuren, und der Leser muss das ertragen können. Er muss auch mitdenken, es gibt Zeitsprünge, Rückblenden, inneren Monolog. Doch alle, die sich für fremde Länder und Kulturen interessieren, intelligente Plots und Hochspannung lieben, werden mit Sicherheit auf ihre Kosten kommen.
Mit welchem Argument kann der Buchhändler das neue Buch im Laden gut verkaufen?
Ich denke, dass gerade jetzt – im Jahr 2022 – das Riesenproblem von Rohstoffbedarf, der Profitgier und Rücksichtslosigkeit der großen Öl- und Gaskonzerne und der Umweltzerstörung und Klimakatastrophe so deutlich geworden ist wie nie zuvor und das Buch ein brandaktuelles Thema aufgreift. Wie finden wir eine Balance und was können wir von indigenen Völkern über Nachhaltigkeit lernen? Und wie können wir unsere eigenen Egoismen überwinden und Traumata verarbeiten, ohne sie weiterzureichen?
Welche drei Wörter beschreiben „Blutrodeo“ perfekt?
Hart, packend, tiefgründig.
Wird es eine Fortsetzung geben?
Ja, definitiv. Die ersten 5 Kapitel des Folgeromans sind bereits geschrieben. Es geht um einen neuen Fall für Ted Garner, der ihn dieses Mal nach Vancouver an die Westküste führt und in dem er selber zum Gejagten wird. Sehr spannend, auch wenn ich noch keine Ahnung habe, wie es ausgehen wird!
Franziska Altepost