Gestern Abend wurde in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften Berlin der mit 40.000 Euro dotierte WISSEN! Sachbuchpreis der wbg für Geisteswissenschaften verliehen. Die Auszeichnung ging an das Buch Warum es kein islamisches Mittelalter gab (C. H. Beck) von Thomas Bauer.
„Das Buch von Thomas Bauer erfüllt im besten Sinne die Kriterien des Preises und hat nicht nur die wbg-Mitglieder, die Buchhändlerinnen und Buchhändler, sondern auch die Jury besonders überzeugt: Es ist didaktisch originell, im Detail anschaulich und gut erzählt, zudem erfüllt es wissenschaftliche Kriterien“, so Jury-Mitglied Peter Frey (ZDF) in seiner Laudatio.
„Die rege Beteiligung am Auswahlverfahren und die große Resonanz auf die erste Vergabe des Preises bestätigt den Stellenwert verständlich geschriebener, geisteswissenschaftlicher Sachbücher. Das zeigte sich bereits im Januar an der Vielzahl von Titeln und der Breite an Themen, die es auf die Longlist geschafft hatten. Die wbg freut sich, mit dem höchstdotieren Sachbuchpreis die wichtige Rolle der Geistes- und Sozialwissenschaften in der Gesellschaft auch in aktuellen Debatten sichtbar zu machen“, betonte Dirk H. Beenken, Geschäftsführender Direktor der WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), vor den zahlreichen Gästen. Der Kabarettist René Sydow thematisierte in seinem Beitrag das Spannungsfeld von Fake News und Wissenschaft: „Echtes erworbenes Wissen ‑ Bildung, wenn Sie so wollen, erzeugt Verständnis, und im Gegensatz zur Meinung auch eine profunde Haltung.“
In seiner Dankesrede stellte Thomas Bauer die Rolle der Geisteswissenschaften heraus: „Meinungsbildung setzt fundiertes Wissen voraus. Dies lässt sich bei naturwissenschaftlichen Gegenständen schwerer ausblenden als bei geisteswissenschaftlichen. Zwar haben auch spektakuläre Nachrichten über die vermeintliche Gefahrlosigkeit von Stickoxiden oder die angeblich verheerenden Folgen von Masernimpfungen Schaden angerichtet, aber der Schaden, den all die ideologisch aufgeladenen Meinungen zu Religionen, Kulturen und ihrer Geschichte anrichten, ist weitaus größer.“ Thomas Bauer sieht auch die Gefährlichkeit falscher Begriffe, die zu irreführenden Interpretationen der Geschichte führen können. „Geschichtsbilder sind wirksam, aktuell und politisch, und manchmal auch militärisch, wie die Kriege im Mittleren Osten der letzten Jahrzehnte gezeigt haben, die immer wieder mit den entsprechenden Geschichtsbildern unterfüttert und gerechtfertigt wurden“, sagte er. „Das ist nur ein Beispiel dafür, was die heute weltweit zunehmende Verwahrlosung der geisteswissenschaftlichen Bildung anrichten kann.“
Für den „WISSEN! Sachbuchpreis der wbg für Geisteswissenschaften“ standen neben dem Preisträger vier weitere Titel auf der Shortlist: Zeit der Zauberer von Wolfram Eilenberger (Klett-Cotta), Die Himmelsscheibe von Nebra von Harald Meller und Kai Michel (Propyläen Verlag), Exil unter Palmen von Magali Nieradka-Steiner (wbg Theiss) und Theoderich der Große von Hans-Ulrich Wiemer (C. H. Beck).
Alle 85.000 Mitglieder der wbg und alle deutschen Buchhandlungen konnten in einem dreistufigen Verfahren an dem Abstimmungsverfahren teilnehmen. Ihre Stimmen flossen in das Gesamturteil der Jury ein, der neben Peter Frey, Jürgen Kaube (FAZ), Hermann Parzinger (Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Berlin), Sandra Richter (Literaturarchiv Marbach) und Hubert Wolf (Universität Münster) angehören.
Der »WISSEN! Sachbuchpreis der wbg für Geisteswissenschaften« wurde aus Anlass des 70-jährigen Bestehens der wbg ausgelobt und wird durch Erlöse der wbg und aus Spenden finanziert. Er geht auf Anregungen von Mitgliedern der wbg zurück. Getragen wird er vom Förderverein „Wissen verbindet e.V.“. Der Preis würdigt eine deutschsprachige Originalveröffentlichung, die einen herausragenden Beitrag zu den Geistes- oder Sozialwissenschaften leistet, anschaulich für ein breites Publikum geschrieben ist und gesellschaftlich relevante Fragen behandelt.