Seit Nikolaustag fragen wir wieder bis zum 6. Januar 2023 (Heilige Drei Könige) in der Buchbranche herum: „Wie war Ihr Jahr?“. Heute beantwortet Robert Wildgruber (Verlagsleitung Der Hörverlag / Random House Audio / cbj audio) unseren „anderen Fragebogen“:
Welcher Tag war Ihr schönster im letzten Jahr?
Messe-Mittwoch, der 19. Oktober – und da speziell der Abend. Nach einem dynamischen Auftakt und vielen (Wieder-)Begegnungen tagsüber in den Hallen, endlich ohne Masken und Trennscheiben, AUDIOMANIA, die Messe-Party im Tanzhaus West. Die Audiobranche präsentierte sich cool, inspirierend, kommunikativ und feierfreudig, ganz wie es unsere Art ist also.
Worüber haben Sie sich 2022 am meisten geärgert?
Über die fortschreitende gesellschaftliche Frontenbildung – Gruppen, Lager, Menschen, die nicht miteinander sprechen, sondern sich unversöhnlich gegenüberstehen. Wo der Austausch, das Ringen um gegenseitiges Verständnis und Kompromisse nicht stattfinden und gemeinsame Lösungen kein erstrebenswertes Ziel mehr sind.
Was war 2022 Ihr schönster Erfolg?
Nur einer? Nein, viele! Ein weiteres Jahr gemeinsam mit einem hoch engagierten Hörbuch-Team arbeiten zu dürfen. Wunderbare Editionen wie „Die Vertreibung des Geistes“ realisieren zu können. Lob von Kritik und Publikum für unsere Veröffentlichungen zu sammeln. Mit unserer Programmstrategie monetären Erfolg zu haben … und nun mit zwei Nominierungen für den Deutschen Hörbuchpreis ins neue Jahr zu segeln…
Und Ihr traurigster Misserfolg war?
So manchen Titel hätten wir liebend gerne veröffentlicht, haben jedoch den „Zuschlag“ nicht bekommen. Das schmerzt natürlich im ersten Moment und ist gleichzeitig das Spannende und Aufregende an unserem Geschäft.
Ich hake das relativ schnell wieder ab und ziehe eher Lehren und Ideen daraus, wie wir beim nächsten Mal eher zum Zug kommen könnten.
Ihre schönste Buchhandlung/Ihr liebster Verlag im letzten Jahr?
Literatur Moths, einen kurzen Spaziergang von mir entfernt und in diesem Jahr mit der Auszeichnung als „besonders herausragende Buchhandlung“ gewürdigt. Aufgrund des Angebot, der Atmosphäre und Ästhetik ein Paradies zum Stöbern, Entdecken, Verschenken und – was mich persönlich natürlich besonders freut – auch mit einer kleinen feinen Auswahl an physischen Hörbüchern.
Von welchem Thema wollen Sie (warum) in diesem Jahr nichts mehr lesen?
Von „Kommunikationsblasen“, die aneinander zerschellen, statt durchlässig zu sein und in den Austausch zu gehen. Von Menschen, die schreibend oder sprechend übereinander herfallen.
Und über welches Thema wollen Sie mehr lesen?
Über das Einander-Zuhören, denn dafür sind wir Spezialist*innen.
Welchen Fehler aus dem letzten Jahr möchten Sie in diesem Jahr vermeiden?
Mich im Verlag in Abläufe einzuklinken, die ohne mich bestens eingespielt sind.
Und welchen Fehler werden Sie trotzdem wiederholen?
Ob ich wirklich aus meiner Haut kann…?
Welches Buch hat Ihnen im letzten Jahr besonders viel Freude gemacht?
Als Hörbuch wunderbar von Sascha Rothermund interpretiert und bereits im Herbst 2021 erschienen, aber ich kam erst in diesem Jahr dazu, es im Urlaub selbst zu lesen: Crossroads von Jonathan Franzen. Mich fasziniert das Eintauchen in (Familien-)Romane à la Frantzen.
Welches wird Ihr wichtigstes (Hör-)Buch im neuen Jahr?
Was für eine schwierige Frage …!
Der zweite Teil unserer Jahrhundertstimmen wird weit vorne liegen. Wie schon Band 1 mit O-Tönen aus der Zeit von 1900-1945 ist auch der folgende über den Zeitraum 1945-2000 ein Kraftakt für alle Beteiligten.
Von der unglaublichen Recherche und Auswahl durch die Herausgeber über die kleinstteilige Rechteklärung in der Lizenzabteilung und sorgfältige Betreuung im Lektorat bis hin zur Ausstattung und Gestaltung.
Von wem würden Sie gern auch mal die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?
Wladimir Kaminer im Zwiegespräch mit Elke Heidenreich.
Welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie eigentlich gern beantwortet?
Wie lange veröffentlichen Sie noch Hörbücher auf CD?
Hier können Sie die auch beantworten:
Wohl länger, als wir uns das derzeit vorstellen können. Der Mensch, das physische Wesen, will – neben aller Flüchtigkeit und Virtualität – begreifen, besitzen und um sich haben.
Gestern antwortete Margit Ketterle, morgen fragen wir Kat Menschik und Jörg Czyborra.