Thomas Pierce veröffentlichte 2016 mit dem Erzählband Hall of Small Mammals sein Debüt. Am 18. Februar erscheint bei DuMont jetzt sein Roman Die Leben danach – ein Buch, das vom Tod handelt und voller Wärme und Humor vom Leben erzählt, und in dem sich „Pierce nicht davor scheut, die großen Fragen zu stellen“, heißt es in der New York Times. Anlass für Fragen an den Autor:
Wie würden Sie Ihren Roman selbst pitchen?
Dieses Buch wird jede einzelne Frage darüber, was nach dem Tod kommt, beantworten. (Oder verspreche ich da zu viel?)
Wann fingen Sie an, an dem Roman zu arbeiten? Und was war zuerst da – die Idee, darüber zu schreiben, was (oder was nicht) passiert, wenn wir sterben oder die Figur Jim Byrd?
Ich begann mit der Arbeit am Roman ein Jahr, nachdem wir unser erstes Kind bekommen hatten. Ursprünglich war die Idee nicht zu ergründen, was geschieht, wenn wir sterben. Es ging mir zunächst eher darum, über den verzweifelten Wunsch einer Person nach einer echten spirituellen Erfahrung zu schreiben. Ich war mir nicht sicher, wohin die Geschichte führen würde, bis ich Jims Erzählton, seine Stimme, fand, und diese Stimme entstand aus einer Reihe von Fragmenten, an denen ich seit einer Weile gearbeitet hatte (Gedanken, Bruchstücke von Beschreibungen, Dialoge). Jim nahm flackernd Form an, eine Seele ohne Körper. Sein Leben wuchs um seine Stimme herum und verband sich mit ihm wie eine Ansammlung von Zellen, und daraus entsprang dann die Handlung.
Etwas sehr Besonderes an Ihrem Roman ist die Mischung aus realistischem Erzählen, fast wissenschaftlichen Überlegungen und Humor. Welchen dieser drei Herangehensweisen ist Ihnen am liebsten?
Danke, das freut mich zu hören. Ich bin mir nicht sicher, ob ich einer Herangehensweise den Vorzug geben würde. Ich beschäftige mich gern mit Physik, Technologie und Religion und deshalb halten diese Themen auch Einzug in meine Arbeit. Aber ich denke auch, dass es – generell, aber insbesondere in einem Buch wie diesem – wichtig ist, Momente der Leichtigkeit zu schaffen. Es geht mir dabei nicht um plumpe Witze. Ich meine eher eine Einstellung zu den Dingen, eine Art und Weise, die Welt wahrzunehmen. Mein Ziel war es, ein Buch zu schreiben, das immer mit einem Bein auf dem Boden der Tatsachen bleibt, egal was für außergewöhnliche Dinge behandelt werden. Ich glaube, das ist der Grund, weshalb ich mir eine eher realistische – oder sogar memoir-ähnliche – Erzählform zu eigen gemacht habe. Im Buch kommen Geister vor, Hologramme und Nahtoderfahrungen. Aber ich wollte, dass der Leser das Gefühl hat, es mit einer absolut realen Person zu tun zu haben, die absolut reale Sorgen und Fragen hat. Eine Person, die sich mit Hypotheken, Rechnungen und den Strapazen des Alltags herumschlagen muss, aber gleichzeitig von Neugier und Skepsis angetrieben wird und in ein Abenteuer gerät. Ich dachte ein wenig an Henry James und Das Durchdrehen der Schraube. An einen Erzähler, der einem am Kamin eine Geschichte erzählt oder vorliest. Etwas sehr Intimes.
In Die Leben danach ist die Geschichte von Clara, Robert und Wendell Lennox miteingewoben. Welche Rolle spielen sie in dem Roman?
Zu der Zeit, als ich anfing, den Roman zu schreiben, waren wir gerade dabei, einen alten Kamin zu renovieren und entdeckten alte Briefe und Rechnungen, versteckt hinter einem Backstein. Die Dokumente stammten aus den Zwanzigerjahren und offensichtlich waren diejenigen, die sie dort verstaut hatten, in finanziellen Nöten gewesen. Viel mehr wussten wir über diese Leute nicht, aber mir hat es Spaß gemacht, mir vorzustellen, was für ein Leben sie wohl in unserem Haus geführt haben mochten, die nur durch die Zeit (die unabhängig von uns womöglich gar nicht existiert) von uns getrennt waren. Daraus sind Clara, May und die Lennoxbrüder entstanden. In meinem Buch verschwimmt die Grenze zwischen
Raum und Zeit und mir gefiel die Idee, dass sich diese Leben von allen Seiten in Jims Geschichte in der Gegenwart hineindrängen.
Hatten Sie ein Vorbild im Kopf, als Sie die Stadt Shula entwarfen?
Meine Familie und ich leben in den Blue Ridge Mountains, in Virginia. Ich liebe diese Landschaft und fühle mich mit ihr sehr verbunden. Die Blue Ridges sind seicht und hügelig und irgendwie ätherisch. Unser Haus steht auf einem Hügel und wenn wir morgens aufwachen, herrscht oft dichter Nebel. Mir gefiel die Idee, eine Geschichte über die unscharfen Grenzen zwischen Leben und Tod an einem Ort anzusiedeln, der von einem permanenten Dunstschleier umgeben ist. Shula selbst ist eine Kombination aus verschiedenen Städten, in denen ich früher Zeit verbracht habe.
Haben Sie einen Lieblingscharakter in Die Leben danach?
Sally Zinker, die Physikerin und Erfinderin der Wiedervereinigungsmaschine.Jim Byrd, Ihre Hauptfigur, scheint von einem kleinen Gerät, das seinen Herzschlag überwacht, geradezu besessen zu sein.
Können Sie sich mit ihm identifizieren?
Ich habe mitunter einen Hang zur Hypochondrie und kann daher definitiv nachvollziehen, weshalb jemand ein solches Gerät haben wollen würde.Ihr Roman wurde vor einem Jahr in den USA und Großbritannien veröffentlicht. Die deutsche Übersetzung erscheint im Februar 2019.
Begleiten die Figuren Sie noch immer – denken Sie noch viel an die Geschichte?
Ich denke (natürlich) noch an den Roman – und an die Figuren. Ich habe so viel Zeit mit Jim verbracht, dass er wie eine Art Appendix wurde, den man nicht so leicht wieder los wird. Wenn ich jetzt an die Geschichte denke, kommen mir meist die Welt, in der sie spielt, und die Figuren, mit denen ich nicht sonderlich viel Zeit verbringen konnte, in den Sinn. Es gibt eine Menge Figuren, die für Jims Geschichte nicht zentral sind, deren Leben weiter zu erkunden jedoch interessant wäre. Ich denke da vor allem an Sally und Wes und Sudeepa und das Bildhauer-Medium in New York. Vielleicht komme ich irgendwann einmal dazu.
Woran arbeiten Sie gerade?
Ich habe kürzlich eine neue Kurzgeschichtensammlung über das Leben auf der Erde und anderen Planeten fertiggestellt und arbeite nun an einem weiteren Roman.
Das Interview führte DuMont-Lektorin Antonia Marker