Der Verkündungstermin des LG Berlin im Aufbau-Verlag Prozess ist für seinen früheren Eigner enttäuschend verlaufen. Kläger Bernd F. Lunkewitz sagte danach: „Das Verhalten der Justiz ist bösartig.“ Das war noch einmal Anlass für Nachfragen:
Bernd, Deine Deine Klage gegen die BvS/Treuhandanstalt wurde abgewiesen. Was sagst dazu?
Bernd F. Lunkewitz: Das Urteil ist eine Bankrotterklärung der Justiz.
Das behauptet jeder, der einen Prozess verliert.
Nein. Das Versagen der Justiz das fängt ja schon bei der Behandlung des Verfahrens an. Die Klage wurde 2009 in Frankfurt eingereicht, blieb acht Jahre lang unbearbeitet und wurde 2017 nach Berlin abgegeben. Ab dem Januar 2019 hat die 16. Kammer des Landgerichts viermal Termine zur mündlichen Verhandlung angesetzt und sie dann jeweils um Monate verschoben, aus angeblich dienstlichen Gründen, die aber nicht erklärt wurden. Danach wurde ein für November 2020 angesetzter Termin sehr kurzfristig abgesagt, weil mehr als 300 Dokumente aus der Gerichtsakte verschwunden waren. Gleichzeitig wurde der Rechtsstreit von der Kammer auf Dominik Reith als Einzelrichter übertragen, weil der Fall angeblich keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Erst im Juli 2021 wurde endlich verhandelt. Das dauerte nur eine Stunde.
Das sprach eigentlich dafür, dass der Fall einfach zu beurteilen war.
Die Realität sah anders aus, wir haben uns darüber ja schon mehrfach unterhalten. Die Verkündung der Entscheidung wurde dann zwei Mal verschoben, weil „versehentlich“ das Protokoll der Verhandlung nicht zugestellt wurde. Es vergingen fast vier Monate bis zur Urteilsverkündung. Da erst sagte der Einzelrichter Dominik Reith, die Vorgänge beim Verkauf des Aufbau-Verlages seien „so verworren und schwer aufzuklären“, dass er sich „nicht die Gewissheit“ über den tatsächlichen Ablauf habe verschaffen können und im Urteil steht, dass „eine Aufklärung der Übertragungsvorgänge hinsichtlich der beiden Verlage nicht möglich ist und daher nach dem hier anzuwendenden Beweislastgrundsätzen von einer rechtswirksamen Übertragung durch die Beklagte an die Klägerin auszugehen ist.“
Hatte der Richter in der mündlichen Verhandlung auf die angebliche Unmöglichkeit der Aufklärung hingewiesen?
Ganz im Gegenteil. In der mündlichen Verhandlung am 9. Juli 2021 erklärte der Richter, die Klage sei zulässig, die Ansprüche seien nicht verjährt und es liege auch keine entgegenstehende Rechtskraft früherer Entscheidungen vor. Es gehe es jetzt nur um die Frage, ob die Treuhandanstalt von den damaligen Umständen überlegene Kenntnis erlangt habe. Das müsse noch überprüft werden. Irgendwelche Unklarheiten über tatsächliche Vorgänge hat er mit keinem Wort angedeutet und keine einzige Frage gestellt. Eine Beweisaufnahme oder Zeugenvernehmung gab es nicht.
Der Gegensatz zwischen der mündlichen Verhandlung im Juli 2021 und dem Urteil vom Oktober 2021 könnte nicht größer sein.
Jetzt behauptete der Richter sogar die Verjährung der Ansprüche. Was und wer den Richter Dominik Reith dazu veranlasst hat, kann ich nur vermuten. Ich nehme an, dass er demnächst befördert wird.
Du bist wütend?
Ich habe jeden Grund dazu. Das ist ja nicht zum ersten Mal, dass die deutsche Justiz die rechtswidrigen Handlungen staatlicher Behörden deckt. Im Kammergericht hat mir schon im Jahr 2000 der damalige Vorsitzende des 27. Zivilsenats, Herr Grüter, vor dem Gerichtssaal im Beisein meines Anwalts wörtlich gesagt: „Wir wissen, daß Sie Recht haben, das kriegen Sie hier aber nicht.“
Das hast Du in Deinem Buch „Der Aufbau-Verlag und die kriminelle Vereinigung in der SED und der Treuhandanstalt“ alles dokumentiert.
Wer das gelesen hat und erst recht, wer die Akten des Prozesses auf www.prozessbeobachter.net gelesen hat, wird mir zustimmen, dass alle diese „Vorgänge“ komplett aufgeklärt und in historisch / chronologischer Reihenfolge erschöpfend und urkundlich unterlegt nachgewiesen sind. Diese Tatsachen hat der Richter gezielt übergangen. Das ist ein Muster, das ich auch in anderen Verfahren um den Aufbau-Verlag festgestellt habe.
Willst Du die so schwer aufzuklärenden Vorgänge noch einmal kurz zusammenfassen?
Kurz und knapp: Der Kulturbund war der – auch von der SED – anerkannte Eigentümer des Aufbau-Verlages in der DDR. In den sechziger Jahren wurde nach Beschlüssen des Politbüros der SED und des Ministerrats der DDR zur Reorganisation des Verlagswesens auch der Aufbau-Verlag des Kulturbunds der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel im Ministerium für Kultur unterstellt. In diesen Beschlüssen wurde bestimmt, daß die Eigentumsverhältnisse der Verlage nicht verändert werden. Der Kulturbund blieb also Eigentümer. Er schloss 1964 den Verwaltungsvertrag mit dem Ministerium für Kultur und erhielt bis Ende 1989 die Gewinne des Aufbau-Verlages. Das hat 1994 auch die „Unabhängige Kommission zur Überprüfung des Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR“ bestätigt.
Was geschah dann in der Wendezeit?
Als im November 1989 die „führende Rolle“ der SED zusammenbrach und auch der Präsident und die Gremien des Kulturbunds zurücktraten, wurde klar, daß der damals handlungsunfähige Kulturbund den Aufbau-Verlag weder personell noch finanziell selbst führen könnte. Deswegen behaupteten der Verlagsleiter Elmar Faber, einige Funktionäre der SED / PDS und Verantwortliche des Ministeriums für Kultur, darunter Klaus Höpcke, vormals stellvertretender Minister und damals im Präsidium der SED/PDS für Kulturfragen zuständig, wider besseres Wissen, dass die SED die Eigentümerin des Aufbau-Verlages sei, und täuschten im April 1990 die Übergabe in Volkseigentum vor.
Das sollte die staatliche Finanzierung, also das Überleben des Verlages, sichern?
Ja, die Partei hatte noch die Hoffnung, dass die DDR und das „Volkseigentum“ weiterbestehen und die Treuhandanstalt gab es noch nicht. Erst im Treuhandgesetz vom Juni 1990 wurde dann bestimmt, dass die Kapitalgesellschaften „im Aufbau“ als Eigentum der Treuhandanstalt nur aus den volkseigenen Betrieben entstehen konnten. Die „organisationseigenen“ Betriebe der Parteien und Massenorganisationen der DDR wurden nicht Eigentum der Treuhandanstalt.
Was ist mit denen passiert?
Das Direktorat Sondervermögen der Treuhandanstalt und eine Unabhängige Kommission überprüften einvernehmlich, ob sie rechtsstaatlich erworben waren und gaben die Betriebe entweder den Organisationen zurück oder zogen das Vermögen ein, das dann für den Wiederaufbau in den neuen Bundesländern verwendet wurde.
Was hat der Kulturbund damals gemacht?
Der Kulturbund hatte sich fast aufgelöst und ist erst im Sommer 1990 ins Vereinsregister eingetragen worden. Ab Herbst 1990 hat er dann den Aufbau-Verlag zurückverlangt, weil der nie volkseigen und erst recht nicht Eigentum der SED gewesen sei. Weil der Verlag angeblich Volkseigentum war, hat die Treuhandanstalt das abgelehnt, aber schon vor dem Verkauf im September 1991 feststellt, dass der Aufbau-Verlag nicht ihr Eigentum, sondern Organisationseigentum war und deshalb der Unabhängigen Kommission unterstand. Gleichzeitig erfuhr sie durch strafrechtliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft von Verletzungen des Urheberrechts durch den Aufbau-Verlag, die Schäden in Millionenhöhe verursacht hatten. Sie entschloss sich, den Käufern diese Sachverhalte zu verschweigen und die Kaufverträge durchzuführen, um alle diese Probleme auf die Käufer abzuwälzen.
Die SED/PDS hatte dem Aufbau-Verlag mit der Behauptung, er sei ihr Eigentum, im Frühjahr 1990 immerhin fast 10 Millionen Mark gegeben?
Das stimmt. Die SED / PDS hat damals Milliarden verteilt, die ihr auch nicht gehörten. Den Funktionären der Partei und des Ministeriums für Kultur kann ich aber noch zubilligen, dass sie die vorsätzlich falsche Behandlung des Aufbau-Verlages aus angeblich „guten“ Motiven betrieben haben, nämlich zu dessen Rettung. Doch Elmar Faber hatte auch das Motiv, selber Miteigentümer des Verlages zu werden. Er gestand erst 2015 in seiner Autobiographie, dass er nach der Satzung des Kulturbunds Mitglied des Präsidialrats des Kulturbunds war, „weil der Aufbau-Verlag dieser Organisation angehörte.“
Klaus Höpcke, der langjährige Leiter der Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel und stellvertretender Minister für Kultur, war ebenfalls Mitglied im Präsidialrat …
… und der hat in 2018 eidesstattlich versichert, dass die persönlich von ihm veranlasste Übergabe des Verlages in Volkseigentum nur vorgetäuscht war und deshalb der Kulturbund alleiniger Eigentümer geblieben ist.
Wurde er nicht als Zeuge vernommen?
Natürlich nicht. Entgegen der eidesstattlichen Versicherung von Klaus Höpcke steht im Urteil: „Nach Auffassung des erkennenden Richters spricht vieles dafür, dass eine wirksame Rechts- und Vermögensübertragung stattgefunden hat. Demnach wurden die beiden Verlage durch die SED in Volkseigentum übertragen. Dass die SED als herrschende Partei in einer Ein-Parteien-Diktatur hierzu die Rechtsmacht gefehlt hätte, erscheint fernliegend.“
Weil die SED die „herrschende Partei in einer Ein-Parteien-Diktatur“ war, soll sie die „Rechtsmacht“ gehabt haben, den Aufbau-Verlag des Kulturbunds zu verstaatlichen?
So steht es im Urteil, obwohl die angebliche Übergabe des Verlages durch den Beauftragten der PDS erst am 2. April 1990 unterzeichnet wurde, als die Alleinherrschaft längst beendet war.
Im Urteil steht aber auch, das Schadensersatzansprüche selbst dann nicht bestehen, wenn der Verkauf gescheitert wäre. Wie kannst Du das erklären?
Diese Behauptung ist nur eine neue Variante der im Fall Aufbau-Verlag üblichen Verdrehungen. Dieses Verhalten der Justiz hat durchaus Ähnlichkeit mit einem Virus, der mit immer neuen Varianten die Pest der Lüge verbreitet. Der Richter Reith behauptete schon bei der Urteilsverkündung sehr verdruckst und meiner Meinung nach wider besseres Wissen, die Treuhandanstalt hätte damals keine Zweifel daran gehabt, daß der angeblich „erste Übertragungsakt“ des Eigentums am Aufbau-Verlag vom Kulturbund auf die SED nicht gescheitert sei. Sie habe angenommen, die SED sei Eigentümerin gewesen und den Verlag wirksam in Volkseigentum übertragen. Deshalb müsse Sie für die entstandenen Schäden nicht haften.
Was spricht dagegen?
Es gab keinen „ersten Übertragungsakt“ des Kulturbunds an die SED. Weder der Präsident noch der Präsidialrat des Kulturbunds, die dazu allein berechtigt waren, haben jemals über das Eigentum am Aufbau-Verlag verfügt. Es gab nur die in der Wendezeit verabredeten falschen Behauptungen, dass die Partei Eigentümerin des Verlages sei. Der Kulturbund hatte diesen Behauptungen schon 1990 vehement widersprochen und der Treuhandanstalt zahlreiche Beweise angeboten, aber die Behörde weigerte sich, den Vertreter des Kulturbunds anzuhören. Ich habe das alles detailliert in meinem Buch nachgewiesen.
Als die Treuhandanstalt auf Verlangen der Unabhängigen Kommission am 9.10.1991 ihre Akten zum Aufbau-Verlag übergeben musste und die Zustimmung zum Verkauf des Verlages beantragte, ohne die der Kaufvertrag gar nicht wirksam werden konnte, stellte der zuständige Referent Hingst schon am nächsten Tag fest: „Die Annahme, der Aufbau-Verlag sei Parteieigentum gewesen, beruht allein auf der Existenz des Überführungsprotokolls“. Es kann also nicht so schwer gewesen sein festzustellen, dass die PDS die Übergabe des Verlages in Volkseigentum vorgetäuscht hatte.
Was wusste die Treuhandanstalt zu diesem Zeitpunkt?
Die Treuhandanstalt hatte im Gegensatz zu mir direkten Zugang zu allen Akten der Regierung der DDR, der SED und des Kulturbunds. Erst recht zu ihren eigenen Akten und denen der Unabhängigen Kommission. In dem Streit um die Genehmigung meines Kaufs vom Kulturbund, verweigerte sie jahrelang sogar dem Verwaltungsgericht die Akteneinsicht und legte dann nur „bereinigte“ Auszüge vor.
Du hast trotzdem sehr viele Urkunden vorlegen können.
Die von mir dem Gericht vorgelegten Urkunden stammen aus den genannten Archiven, die vorrangig der Treuhandanstalt und der Unabhängigen Kommission zugänglich waren. Die Treuhandanstalt war verpflichtet, die Eigentumsverhältnisse der von ihr treuhänderisch verwalteten Unternehmen genau zu prüfen und hätte nur diese Akten, darunter ihre eigenen, zur Kenntnis nehmen müssen.
Nach dem geltenden Recht kommt es ja nicht nur darauf an, was sie wusste oder angeblich nicht wusste, sondern auch auf das, was sie hätte wissen müssen, was also erkennbar war. Der Richter Dominik Reith hat das geflissentlich übersehen. Er behauptet, daß erst „später“ die Beweise für das Eigentum des Kulturbunds „aufgetaucht“ seien. Das ist falsch. Aber selbst wenn er Recht hätte, würde das an der Haftung der Treuhandanstalt nichts ändern, da es ja auch nachvertragliche Aufklärungspflichten gibt.
Gab es schon vor dem Verkauf ernsthafte Hinweise, dass die SED nicht die Eigentümerin des Aufbau-Verlages war?
Der Richter übergeht, wie bereits gesagt, dass der Kulturbund schon seit 1990 die Treuhandanstalt auf sein fortbestehendes Eigentum am Aufbau-Verlag hingewiesen und zahlreiche Beweise angeboten hat. Er übergeht, daß die Unabhängige Kommission gegenüber der Treuhandanstalt nochmals am 7.10.1991 klargestellt hat, dass der Verkauf nur wirksam werden kann, wenn die Unabhängige Kommission ihre Zustimmung erteilt, was bedeutet, daß der Verlag nicht Eigentum der Treuhandanstalt war – und dass die Treuhandanstalt deshalb am 9.10.1991 beim Direktorat Sondervermögen die Genehmigung der Verträge beantragte – was ebenfalls bedeutet, dass sie nicht Eigentümerin des Aufbau-Verlages war.
Die beantragte Genehmigung der Kaufverträge wurde abgelehnt, weil sie unwirksam seien und die Behörde erklärte: „Sollte eine nachträgliche Zustimmung in Betracht kommen, weisen wir Sie darauf hin, daß der erzielte Verkaufserlös dem Sondervermögen zusteht,“ was ebenfalls bedeutet, dass der Verlag nicht volkseigen und folglich nicht Eigentum der Treuhandanstalt war.
Die Genehmigung wurde nie erteilt und der Vorgang verschwand in die Akten. Eine Woche später führte die Treuhandanstalt trotzdem die Kaufverträge durch, ohne die Käufer über ihre Kenntnisse zu informieren.
Im Urteil steht, dass die damals vermutete Unwirksamkeit „der Übertragung des Verlages von der SED auf das Volkseigentum“ nicht „schadensursächlich“ sei, weil die Klägerin ja das fortbestehende Eigentum des Kulturbunds behauptet.
Das ändert nichts daran, dass die Geschäftsanteile an einer GmbH i. A. der Treuhandanstalt nur aus der Umwandlung volkseigener Betriebe entstehen konnten. Es ist egal, ob die vermeintliche Übertragung des Verlages in Volkseigentum wegen Fortbestehens des Eigentums des Kulturbunds oder wegen der Unwirksamkeit der Übertragung durch die SED gescheitert ist. Beide Varianten waren der Treuhandanstalt bekannt und auf beide Umstände ist die Klage gestützt. Aus beiden Gründen existieren die verkauften Geschäftsanteile nicht und ist die Erfüllung des Kaufvertrages objektiv unmöglich.
Was hätte denn die Treuhandanstalt Deiner Meinung nach tun müssen?
Die Treuhand hatte im Kaufvertrag garantiert, dass sie Eigentümerin ist. Deshalb musste ich dieses Thema nicht prüfen. Als allererstes hätte sie deshalb über die Zweifel an den Eigentumsverhältnissen aufklären müssen. Weil sie nicht Eigentümerin des Aufbau-Verlages war, sondern ihn mit der Scheingesellschaft „Aufbau-Verlag GmbH i. A.“ rechtswidrig betrieb, hätte die Treuhandanstalt die von ihr verbürgten Schulden dieser nichtexistierenden „Aufbau-Verlag GmbH i. A.“ in Höhe von mehr als elf Millionen DM aus ihren eigenen Mitteln zurückzahlen müssen und der Kulturbund, dessen Abwicklung aber damals „politisch“ gewollt war, hätte den Verlag selbst verkauft oder behalten und Anspruch auf Ersatz des Schadens gehabt. Die Treuhandanstalt hätte den Käufern den ergaunerten Kaufpreis von 4 Millionen und ihren vergeblichen Aufwand erstatten müssen. Das alles hätte die Treuhandanstalt schon damals viele Millionen DM gekostet. Und dann wurde sie auch noch über die Ermittlungen gegen Verantwortliche des Aufbau-Verlages wegen Lizenzbetrugs durch Raubdrucke („Plusauflagen“) und die daraus entstandene Schäden in Millionenhöhe informiert.
Und wie hat die Treuhandanstalt darauf reagiert?
Der Verlagsleiter Elmar Faber, der den Verkauf als „Management-Buy-Out“ eingefädelt hatte, wurde fristlos von der Treuhandanstalt entlassen und als Käufer gestrichen, ohne dass die Behörde mich oder die anderen Käufer über die Plusauflagen aufklärte, sondern wahrheitswidrig behauptete, er sei Stasimitarbeiter gewesen.
Hast Du eine Erklärun dafür?
Die Treuhandanstalt wollte die Probleme des Verlages auf die Käufer abwälzen und vor allem den erschwindelten Kaufpreis für den Verlag und sein Grundstück behalten. Die Behörden stritten sich dann intern jahrelang, wem der Erlös aus dem nichtigen Verkauf zusteht und wer die Kosten der Plusauflagen bezahlt. Deshalb informierte mich Ende 1994 das Sekretariat der Unabhängige Kommission, dass der Kulturbund noch immer der Eigentümer des Aufbau-Verlages war.
Du hattest also nur eine „vermögenslose Hülle“ gekauft?
Noch nicht mal das. Wie ich Dir schon oft erklärt habe, war der Verlag am 1.7.1990 nicht im Volkseigentum und konnte deshalb nicht durch das Treuhandgesetz in eine GmbH i. A. umgewandelt werden. Die verkauften Geschäftsanteile konnten aus diesen Rechtsgründen nie entstehen und der Kaufvertrag war wegen der Unmöglichkeit der Erfüllung von Anfang an nichtig.
Du hattst also ein „Nichts“ gekauft?
Ich habe von der Treuhandanstalt leider nicht den real existierenden Aufbau-Verlag sondern die nichtexistierenden Anteile an einer nichtexistierenden Aufbau-Verlag GmbH i. A. gekauft. Als ich das erkannte, habe ich – wie übrigens noch heute die meisten Journalisten – nicht gleich verstanden, dass der Kaufvertrag nicht erfüllt werden kann. Die Unabhängige Kommission hatte mir nur erklärt, dass die Aufbau-Verlag GmbH eine „vermögenslose Hülle“ sei, weil der Aufbau-Verlag noch immer Eigentum des Kulturbunds war.
In den Prozessen bestreitet das die Treuhandanstalt …
… und das vorsätzlich und prozessbetrügerisch alles und jedes und die Gerichte akzeptierten das trotz der eindeutigen Beweislage. Als ich vorsorglich vom Kulturbund persönlich den Verlag kaufte, erlies der damalige Vorsitzende der Unabhängigen Kommission, Prof. Papier, der spätere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, auf deren Verlangen und wider besseres Wissen einen Eilentscheid, der dem Kulturbund den Schutz seiner Eigentumsrechte verweigerte.
Was ist also das Resultat dieser „ganzen Vorgänge“ die angeblich „so verworren und schwer aufzuklären“ sind?
Der Aufbau-Verlag war kollektives Eigentum der 260.000 Mitglieder des Kulturbunds. Sie wurden nach der Wende vom damaligen Verlagsleiter und von Verantwortlichen der SED/PDS, des Ministeriums für Kultur und dann, aus politischen und finanziellen Gründen, von den Behörden der Bundesrepublik betrogen mit der falschen Behauptung, der Verlag sei von der SED in Volkseigentum übertragen worden. Mit dieser faktischen Enteignung von 260.000 an Literatur und Kultur interessierten Bürgern der DDR begann 1990 die Wiedervereinigung.
Und was ist das Resultat für Dich persönlich?
Ich wollte die kulturelle Institution Aufbau-Verlag, der in vier Jahrzehnten bedeutende Werke der deutschen Literatur publiziert hatte, für die wiedervereinigte Nation erhalten. Irgendeine Arglist oder Böswilligkeit der Vertreter einer öffentlich-rechtlichen Bundesanstalt habe ich mir in diesem Zusammenhang noch nicht einmal vorstellen können. Als ich die Kaufverträge mit der Treuhandanstalt unterschrieb, handelte ich guten Glaubens. Aber leider war der Erwerb der Verlagsrechte „guten Glaubens“ nicht möglich, man kann sie nur vom tatsächlichen Rechteinhaber erwerben.
Das war bis dahin der größte Fehler in Deiner beruflichen Karriere?
Als ich das erkannt hatte, machte ich einen noch größeren Fehler: Ich vertraute auf die Unabhängigkeit der deutschen Justiz, auch bei einer Klage gegen den Staat.
Was machst Du jetzt?
Ich möchte Dir zwei Verse aus dem Gedicht „The Cure at Troy“ von Seamus Heaney vorlesen:
History says, Don ’t hope
on this side of the grave.
But then, once in a lifetime
the longed-for tidal wave
of justice can rise up,
and hope and history rhyme.
So, hope for a great sea-change
on the far side of revenge.
Believe that a further shore
is reachable from here.
Believe in miracles
and cures and healing wells.
Ich werde Berufung gegen dieses Urteil einlegen und hoffe, dass es in Deutschland noch Richter gibt, die staatliches Unrecht verurteilen.
Die Fragen stellte Christian von Zittwitz
Ich kommentierte schon kurz am Tag des Urteils – und möchte heute ergänzen: Herzlichen Dank für das lange, ausführliche Gespräch mit Christian von Zittwitz!
Die zwei größten Fehler, die Bernd F. Lunkewitz machte, rufen mir den Ausspruch des großen Bert Brecht ins Gedächtnis: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen kann.“ Wer heute noch an die Unabhängigkeit der Justiz glaubt, glaubt sicher auch an den Weihnachtsmann und den Osterhasen.
Ich hoffe, dass Herr Lunkewitz noch einen ehrlichen, redlichen Richter findet!
Dieter Klug, Wolfratshausen