Der Zsolnay Verlag trauert um den Journalisten, Autor und Übersetzer Andreas Oplatka, der am 27. Mai in Zollikon nahe Zürich im Kreis seiner Familie gestorben ist.
Als 14-jähriger flüchtete er 1956 nach der Niederschlagung des ungarischen Volksaufstandes über Österreich in die Schweiz, wo er 1968, nach absolviertem Germanistik- und Geschichtsstudium, in die Redaktion der Neue Zürcher Zeitung eintrat, für die er als außenpolitischer Korrespondent in Stockholm, Paris, Moskau und Budapest tätig war. Zu einem Höhepunkt seiner journalistischen Karriere wurde der Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989, den er sowohl für die NZZ als auch für das Schweizer Fernsehen kommentierend begleitete. Nach seiner Pensionierung habilitierte er sich an der Universität Wien mit einer Biografie über Graf Stephan Széchenyi, der wesentlich zur Modernisierung Ungarns im 19. Jahrhundert beitrug und zu einem Pionier Europas wurde. Von 2005 bis 2012 lehrte Andreas Oplatka als Professor für neuere Geschichte an der Andrássy Universität in Budapest.
Széchenyi, Der Mann, der Ungarn schuf (2004), stand auch am Beginn der Zusammenarbeit mit dem Paul Zsolnay Verlag, die sich über die Jahre zu einer veritablen Freundschaft entwickelte. 2009 erschien seine essayistische Analyse Der erste Riss in der Mauer – September 1989, Ungarn öffnet die Grenze und im Herbst 2019 seine Biografie über seinen Freund, den Dirigenten Adam Fischer (Die ganze Welt ist ein Orchester), die die beiden gemeinsam u.a. an der Staatsoper Wien, in München, Zürich und Düsseldorf präsentierten.
Darüber hinaus übersetzte Andreas Oplatka Miklós Bánffys 1800seitige Siebenbürgische Trilogie, die unter den Titeln Die Schrift in Flammen (2012), Verschwundene Schätze (2013) und In Stücke gerissen (2015) erstmals auf Deutsch erschien. Diese Romane wurden geschrieben, um von Andreas Oplatka übersetzt zu werden, hieß es in einer der zahlreichen Besprechungen.
„Noch Anfang des Jahres“, sagt Zsolnay-Verlagsleiter Herbert Ohrlinger, „entwickelte Andreas den Plan einer Art Doppelgänger-Geschichte: Wäre 1956 die Flucht über den Neusiedlersee nach Österreich nicht gelungen, hatte sein Vater entschieden, es nicht noch einmal zu probieren, und der Junge wäre im kommunistischen Budapest aufgewachsen. In den achtziger Jahren treffen dann zwei Männer aufeinander und rechtfertigen ihr Leben und ihre Denkweise. Dieser Grundeinfall hat Andreas sehr animiert, auch wenn ihm die Komplexität der Umsetzung bewusst war, aber so etwas hat ihn immer gereizt. Weltläufigkeit, Belesenheit, ja der vielleicht altmodische Begriff von Herzensbildung machten ihn nicht nur zu einer Stütze des Verlages, sondern zu einem Freund, der mir in vielerlei Hinsicht fehlen wird. Worüber er nie sprach, was aber jetzt öffentlich werden soll, ist die Tatsache, dass er vor ein paar Jahren einen sehr hoch dotierten Preis in zwei Stiftungen eingebracht hat, deren Ziel es ist, die Lebens- und Ausbildungsbedingungen u.a. von Roma-Kindern in Ostungarn und Siebenbürgen zu verbessern. Wir trauern mit seiner Frau Helen und der ganzen Familie.“