Am heutigen Samstag, den 18. November, wäre der ehemalige BuchMarkt-Herausgeber Christian von Zittwitz („CvZ“) 80 Jahre alt geworden. Hier gratuliert sein Freund Markus Klose – und nimmt gleichzeitig Abschied. (Am 21. August ist CvZ verstorben):
„Diktiert mit Siri und von meinem iPhone gesendet, deshalb auch hier mit der Bitte um Verständnis für etwaige Hör- und Tippfehler.“ Das ist der legendäre Satz, den du, Christian, jahrelang unter deinen Mails an alle und jeden gesetzt hast. Und ja, diese Erläuterung war dringend nötig, denn deine Mails und auch Nachrichten waren tatsächlich hin und wieder so hieroglyphisch, dass selbst Jean François Champollion seine Entschlüsselungsschwierigkeiten gehabt haben dürfte.
„Ubd dinde, hast g Amnworten geben. Manche.“
„Al les nor al!“
„Dachte nur richtig runde, seine lumpels.“
Egal, lieber Christian, deine Nachrichten sind es wert, verstanden werden zu wollen. Nein, anders, besser, du bist es wert, verstanden zu sein. Denn, wenn du kommunizierst, dann, weil du mir etwas zu sagen hast. Und weil deine Neugier an mir ganz früh schon so groß gewesen und geblieben ist, dass es immer selbstverständlich war, selbst neugierig zu sein.
Netzwerken war einer der ausgeprägten Kernkompetenzen. Gerade weil das für dich nie ein Werkzeug war, dass du gekonnt einzusetzen wusstest. Sondern weil du Menschen unabhängig von ihrer Relevanz, ihrer Position, ihrer Macht wahrgenommen hast. Der Mensch hat dich interessiert, nicht die Aufgabe. Umso besser natürlich, wenn beides zusammenpasste.
Und wenn das nicht so war, hast du deine Verbindungen genutzt, um deinen von dir geschätzten Menschen nächste Schritte anzubieten. Du warst deshalb auch Supporter, Mentor und Stepstone 1.0 für viele in dieser Branche. Die übergroße Dankbarkeit dafür erkennen wir alle an den vielen persönlichen und angerührten Aussagen der letzten Wochen.
Dein Support kannte dabei keine Grenzen. Du wolltest mich mal verkuppeln, warst dir sicher, die richtige gefunden zu haben. Wir saßen im Künstlerhaus am Lenbachplatz in München, am Nachmittag vor der IG BellSa, die damals aber auch noch ganz anders hieß. Meine Suche sei beendet, erklärtest du mir, du würdest die Braut auch zum Altar führen. Nun war ich aber gar nicht auf einer Suche, sondern sehr einverstanden mit meiner Situation. Das aber ficht dich nicht an. Wenn ich sie kennenlernen würde, dann wäre alles klar. Und auch wenn es in diesem Fall zu keiner Trauung kam, so weiß ich doch, dass du auch in dieser Art des Zwischenmenschlichen hin und wieder erfolgreich gewesen bist.
Du denkst immer ganzheitlich, das zeichnet dich aus. Wozu das Geschäft und die Freundschaft, das Leben aufteilen? Du findest alles spannend, was die Menschen betrifft, mit denen du dich beschäftigst.
Diese Kolumne – „Wie war Ihr Jahr?“ – ist natürlich erst einmal ein Bindungsinstrument für im BuchMarkt Werbende. Es war schmeichelhaft, in der Riege der Befragten mit aufgenommen zu sein, man gab sich Mühe bei den Antworten, nicht selten ist die Lektüre dann auch spannend und informativ.
Aber wie passend ist diese Frage „Wie war dein Jahr?“ in deiner Gedankenwelt?! Das bist du, das ist deine Frage an deine Freunde, Familie, an die Branche: Wie geht es dir, wie erging es dir, ja, wie war dein Jahr?
Aus den Würdigungen deines Lebens weiß man, dass du dein Magazin gegründet hast, als ich wahrscheinlich noch Dick Bruna anschaute. Eine große, mutige Erfolgsgeschichte eines jungen Mannes, der die von ihm geliebte Branche mit einem unabhängigen Magazin versorgte. Und dessen Fokus ganz besonders auf den Buchhandlungen und ihrer Entwicklung lag. Branchenpolitik interessierte dich auch, konkrete Fragen und Antworten auf konkrete Herausforderungen von Handel und Verlag aber weit mehr. Dein Heft sollte Nutzen bringen, darum ging es dir.
Ich las deinen BuchMarkt auch immer besonders gerne wegen des People-Business. Als ich zum allersten Mal Protagonist einer Branchenblase war, ich glaube, gemeinsam mit Joachim Kaufmann, war ich stolz. Nun schien ich zu den Wahrgenommenen zu gehören, durfte ich mir einbilden. Die von dir initiierten Geburtstagstexte aus der Branche für die Branche waren immer Einblicke in die privaten Welten auch der Geehrten. Und werden breit gelesen.
Deine Balance lässt keine Trennung von privat und Business zu. Man trifft dich und redet gleichzeitig über alles. Oder man trifft dich und hört dir zu, während du über alles redest. Du erzählst nämlich gerne, auch ausführlich, manchmal dachte man, du könntest ein wenig schneller zur Sache kommen. Aber die Stories sind immer exquisit, lustig, geistreich und spiegeln die Geschichte der Buchbranche. Also setzt man sich hin und gibt ihm sich hin, dem Fluss deiner Erinnerungen.
Und du kennst dein Gegenüber so gut, dass du weißt, welche Personen auftauchen müssen, dass er ganz Ohr ist. Du bist unglaublich kontextuell. Du stellst nicht nur persönlich, sondern auch thematisch Verbindungen her und kommst so zu Erkenntnissen. Entwicklungen, die dich beunruhigten, hast du analytisch und präzise verfolgt und bewertet. Du bist am Ball.
Die Zeiten wurden dunkler, als dich die Diagnose traf. Deine Lust am Leben verlor sich nicht, deine Bereitschaft, es anzugehen mit Mut und der Kraft, die dir zur Verfügung stand, ist beeindruckend.
Dein Trick ist fraglos auch der der Ausblendung. Du kannst Unerfreuliches zumindest dann, wenn es dir körperlich halbwegs stabil geht, absorbieren und ignorieren. So warst du am Telefon auch dann entschlossen und tatkräftig, wenn du im Hospital auf den nächsten Behandlungsschritt gewartet hast.
Noch etwas anderes, hinreißend Schönes hast du drauf: Die Freude am Kleinen, am Detail. Du bist ein großer Cineast, Filme haben dich immer sehr fasziniert. Deine DVD-Sammlung zeugt davon. Zum ersten Mal in deinem Leben aber sahst du erst in der Weihnachtszeit des letzten Jahres im Krankenhaus den Film „Der Kleine Lord“. Und er hat dir unglaublichen Spaß gemacht, das hattest du mir (lesbar!) geschrieben. Der kleine Lord, der große CVZ.
Der nun nicht mehr da ist. Einfach gegangen, unaufgeregt, erstaunt wohl, verblüfft.
Dein liebevoller Blick auf die Welt, die deinen, dich, bleibt immer in Erinnerung.
Du schriebst mir in diesem Sommer: „Merke, dass mir das fehlt, ihr alle.“
Ja, Christian, das fehlt uns auch allen: du!
Markus Klose, Die Gute Agentur
Du fehlst mir sehr, lieber Christian.
Ich kann mich nur dem von mir sehr geschätzten Kämpfer für das gedruckte Medium und die Freiheit der Literatur, Bernd F. Lunkewitz, anschließen: Christian, du fehlst sehr, ganz vielen, aber vor allem mir, und ich freue mich, dich irgendwann wiederzusehen. Dann lernen wir uns richtig kennen – auf Erden war mir das (leider) nicht vergönnt, so von Angesicht zu Angesicht.
Dieter Klug, Wolfratshausen
Du fehlst einfach, lieber Christian, da kann ich mich Markus Kose nur anschließen. Ein Mensch der die Großen und die Kleinen und die dazwischen gesehen und gehört hat ohne irgendeine Eitelkeit.
(und eine Zeitlang fanden meine Buchschweine auch Unterschlupf auf seinen Seiten)