Laura Noll über ihren Roman "Der Tod des Henkers" (Gmeiner) „Es ist ein Kriminalroman, der das Heydrich-Attentat aus ungewöhnlicher Perspektive zeigt“

Laura Noll: „Bei einem sensiblen Thema wie diesem muss man darauf achtgeben, was man erfindet oder insinuiert“  (c) Dana Maitwerth

Laura Noll ist in diesem Jahr für ihren Roman „Der Tod des Henkers“ (bei Gmeiner) mit dem GLAUSER 2021 in der Kategorie „Debütroman“ ausgezeichnet worden – und wir haben nachgefragt:

Was bedeutet für Sie die Auszeichnung?

Laura Noll: Den Glauser-Preis zu erhalten ist eine riesengroße Ehre für mich. Ich habe im Vorfeld der Preisverleihung in die anderen nominierten Debütromane hineingelesen und war wirklich beeindruckt! Ich habe mich gefreut, dass ich überhaupt in diese engere Auswahl aufgenommen wurde, und dass es am Ende mit dem Preis geklappt hat, ist für mich eine starke Motivation, mit dem Schreiben weiterzumachen.

Worum geht es in Der Tod des Henkers ?

Der Roman schildert die Geschehnisse rund um die Ermittlungen nach dem tödlichen Anschlag auf Reinhard Heydrich 1942 in Prag. Erzähler ist der Gestapo-Kommissar Heinz Pannwitz, der hin und hergerissen ist zwischen seiner vermeintlichen Pflicht, die Attentäter zu jagen und der Abscheu vor den Methoden des NS-Regimes.

Sie behandeln im Roman ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte. Wie kam es zur Idee, darüber zu schreiben?

Als ich bei Recherchearbeiten zu einem anderen Thema auf die Auszeichnungen des historischen Heinz Pannwitz gestoßen bin, haben mich die Ambivalenz seines Charakters und seiner Rolle bei den Ermittlungsarbeiten sofort fasziniert. Pannwitz ist beileibe kein Held oder gar Widerständler gegen das Regime, aber auf den wenigen, nüchtern verfassten Seiten seines Abschlussberichts scheint immer wieder sein Ringen mit sich selbst und den Umständen durch, unter denen er seine Arbeit zu machen gezwungen ist. Ich wusste gleich, dass es sehr spannend sein könnte, einer Romanfigur Pannwitz bei diesem inneren Kampf zuzusehen. Darüber hinaus ist und bleibt die Besetzung Tschechiens im zweiten Weltkrieg und der Umgang der Besatzer mit der Bevölkerung ein wichtiges Thema, das wir nicht aus den Augen verlieren sollten.

Wie gestaltete sich die Recherche?

„Alles, was um Pannwitz herum geschieht, hat sich tatsächlich so ereignet, und das gilt besonders für die zahlreichen Beispiele des menschenverachtenden Handelns von SS und Gestapo. Hier halte ich Fiktion für unangebracht und auch unnötig“

Das historische Kernstück ist der erwähnte Bericht Pannwitz‘, den der Historiker Stanislaw Berton 1985 aufgearbeitet, kommentiert und veröffentlicht hat. Darüber hinaus habe ich ganze Bücherstapel zur Geschichte der deutschen Besatzung in Osteuropa sowie zur Militärgeschichte gelesen. Das tschechische Verteidigungsministerium hat 2002 eine ausführliche Dokumentation auch auf Englisch veröffentlicht, die sich den Beteiligten und Opfern auf tschechischer Seite intensiv widmet und sehr hilfreich für meine Recherchen war. An einem bestimmten Punkt aber wurde mir klar, dass ich die Schauplätze des Romans auch selbst sehen muss, so dass ich einige Tage lang in Prag genau die Wege beschritten habe, die auch die Protagonisten genommen haben, bis hin zur Krypta der Kirche, in der das finale Gefecht stattfand. Ich habe versucht, die Häuser, Bäume und Straßen aus ihrem Blickwinkel zu betrachten.

Wie ließen sich Fakten und Fiktion miteinander vereinbaren?

Bei einem sensiblen Thema wie diesem muss man darauf achtgeben, was man erfindet oder insinuiert. Der Roman bewegt sich insgesamt sehr eng entlang der historischen Fakten. Die fiktiven Elemente habe ich bewusst überschaubar gehalten: Sie sind vor allem im Innenleben des Erzählers verortet, was ihn als Mensch in seinen Empfindungen betrifft, ist fiktiv. Alles, was um Pannwitz herum geschieht, hat sich tatsächlich so ereignet, und das gilt besonders für die zahlreichen Beispiele des menschenverachtenden Handelns von SS und Gestapo. Hier halte ich Fiktion für unangebracht und auch unnötig.

Fiel es Ihnen schwer, sich in die Protagonisten hineinzufühlen?

Auch wenn ich weit davon entfernt bin, Pannwitz als durchweg positive Figur zu sehen, glaube ich, dass er ein hohes Identifikationspotential hat. Wir leben heute glücklicherweise unter ganz anderen Bedingungen, aber Pannwitz‘  Streben nach dem richtigen und guten Handeln bei gleichzeitigem Scheitern an den eigenen Schwächen und Defiziten macht ihn für mich zu einem glaubwürdigen Erzähler der Geschichte.

An welche Leserschaft richtet sich eigentlich Der Tod des Henkers?

Ich habe versucht, den Roman sowohl für Leser*innen zu schreiben, die sich für die deutsch-tschechische Geschichte interessieren, als auch für solche, die sich gerne von einem spannenden Plot mitreißen lassen. „Der Tod des Henkers“ soll bei aller Sorgfalt der Recherche kein Lehrbuch sein, sondern vor allem ein Roman, der die Ereignisse um das Heydrich-Attentat herum aus der ungewöhnlichen Perspektive eines äußerlich regimetreuen, innerlich jedoch zerrissenen Ermittlers zeigt.

 

 

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