Das 10. Festival LIT:potsdam ging Sonntagabend im Garten der Villa Quandt zu Ende, wo Bruno Preisendörfer seine vierbändige Kulturgeschichte Deutschlands vorstellte und die Gäste mitnahm auf eine Reise in den Alltag von Luther, Bach, Goethe und Bismarck. Acht Tage lang hat LIT:potsdam mit über 20 Veranstaltungen, auf denen rund 30 Autorinnen und Autoren auftraten, mit einer Fachkonferenz über „Digital Games“ und einem Schulklassenprogramm, insgesamt mehr als 3.000 Gäst angezogen. Bei nahezu durchweg schönem Wetter konnte das Festival größtenteils open air veranstaltet werden. „Was uns verbindet“ lautete das Motto, das Literatur als Erkundungsraum vorstellte, um Menschen-Verbindendes zu entdecken, zu beschreiben und weiterzugeben.
„Diese Woche war eine Feier des Gemeinsamen, des Teilens, des Mitteilens“, unterstreicht der neue Programmleiter Thomas Böhm. „Sie hat gezeigt, dass aus dem, was uns verbindet, Anfänge für neue Geschichten entstehen können, mit denen wir gemeinschaftlich die Zukunft gestalten.“ Und Marianne Ludes, Vorsitzende des Fördervereins lit:pots e.V. hebt hervor: „Mit viel Freude an der Literatur, bewegenden Begegnungen und einem großen Gemeinschaftsgefühl geht die Festivalwoche zu Ende. Potsdam war ein großartiger Gastgeber für alle Autorinnen und Autoren, und wir freuen uns natürlich schon auf das neue Festival 2023.“
Bereits zu Beginn gab es einen ersten Höhepunkt: Der norwegische Schriftsteller Erik Fosnes Hansen begeisterte das Publikum im Schirrhof mit der Premierenlesung aus seinem neuen Roman Zum rosa Hahn. Im Anschluss trat die Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga im Filmmuseum auf, um über den Kampf von Frauen für ihre Rechte in Simbabwe zu sprechen. Dabei zeigte sie die Geschichte der Gewalt in ihrem Land als Resultat einer langen, über 500-jährigen Unterdrückung durch den Kolonialismus auf, der zu großer Armut und „Dehumanisierung“ führte. Ein weiteres nicht minder beeindruckendes Erlebnis war die „Rede zum Ende der Schulzeit“ von Bachmann-Preisträgerin Sharon Dodua Otoo, in der sie über die Erfahrungen ihres Sohnes mit Legasthenie in der Schule berichtete, und die nicht angemessenen Reaktionen unseres Bildungssystem auf diese Schreib- und Leseschwäche. Dennoch gehe es für die betroffenen Schülerinnen und Schüler immer wieder darum, eine neue innere Haltung zu finden, mit der sie über sich hinauswachsen können.
Im stimmungsvollen Park der Villa Schöningen lauschte das Publikum der Lesung aus Texten von Virginia Woolf und Joan Didion durch Fritzi Haberlandt. Antje Rávik Strubel und Zaïa Alexander stellten die besondere Auswahl für LIT:potsdam zusammen. Zum ersten Mal veranstaltete LIT:potsdam einen „Bücher-Ball“, bei dem bis tief in die Nacht getanzt wurde, unterbrochen nur durch „ermunternde“ literarische Textlesungen von Radioeins-Nachrichtenchef Jan Vesper.
Das 10. Festival LIT:potsdam ist zu Ende, aber zwei Zugaben stehen noch bevor: Am Freitag, 15. Juli, 17 Uhr, tritt im Park der Villa Jacobs Margot Friedländer im Gespräch mit André Schmitz auf. Margot Friedländer ist 101 Jahre alt. Die Holocaust-Überlebende, aktive Zeitzeugin und Buchautorin spricht über ihre Lebenserinnerungen. Und am Samstag, 17. September, 19.30 Uhr, wird US-amerikanische Bestsellerautor Jonathan Franzen im Hans Otto Theater erwartet. Im Gespräch mit seiner Übersetzerin Bettina Abarbanell, moderiert durch Wieland Freund, geht es unter dem Titel „Crossroads – von Chicago nach Potsdam“ um seinen jüngsten Roman Crossroads und die jahrzehntelange Zusammenarbeit.