Frankfurt: Wortmeldungen-Förderpreise überreicht

Gestern Abend fand im schönen frankfurtersalon die lange w( )ortmeldungen lesenacht statt. Es wurde aber nicht nur miteinander geredet und gelesen, sondern auch gesungen – Absolventen des Studiojahres Schauspiel an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, am Flügel begleitete von Günter Lehr, trugen zwischen den drei Leseblöcken Songs vor.

Sandra Poppe, Projektleiterin der Crespo Foundation – die Stiftung initiierte 2018 den Wortmeldungen Literaturpreis für kritische Kurztexte – begrüßte die Gäste im voll besetzten Salon. Sie erinnerte an die vor wenigen Wochen verstorbene Gründerin der Stiftung Ulrike Crespo.

Florian Werner moderierte die Lesenacht und prophezeite „mehr als wagnerianische Länge“. Das schreckte allerdings niemanden ab.

Der Wortmeldungen Förderpreis wurde zum zweiten Mal vergeben. Thomas Stangl, Gewinner des zweiten Wortmeldungen Literaturpreises für kritische Kurztexte, hatte im April 2019 die Frage für die Texte formuliert: „Im Schreiben tauschen Tote und Lebende höflich die Plätze. Oder: Kann man dem Tod die kalte Schulter zeigen?“ Bewerben konnten sich bis zum 30. Juni deutschsprachige Autoren bis 30 Jahre, die noch keine eigenständige literarische Buchpublikation verfasst haben, mit einem zwischen vier und acht Seiten langen Text. Mehr als 300 Bewerbungen sind eingegangen.

Auf der diesjährigen Shortlist standen zehn Texte, drei davon wurden für den Förderpreis von einer Jury ausgewählt. Dem Gremium gehörten an: Christoph Schröder, Literaturkritiker; Diana Stübs, Lektorin im Rowohlt Verlag; Jörg Sundermeier, Verleger Verbrecher Verlag; Angela Tsakiris, Lektorin für den DuMont Buchverlag sowie Wortmeldungen-Preisträger Thomas Stangl.

Im Gespräch mit Florian Werner bemerkte Stangl, dass das von ihm vorgeschlagene Thema an kein Alter gebunden sei. Auch habe es nichts mit Georg Kreislers Lied Der Tod muss ein Wiener sein zu tun. Stangl, selbst in Wien zu Hause, sagte: „Ich will das Klischee nicht überstrapazieren.“

Werner stellte die Nominierten jeweils kurz im Gespräch vor. Als erste Shortlist-Autorin las Annina Haab aus Wo du bist, ihr folgte Nils Langhans mit einer Passage aus Alabama. Den ersten Block beendete der erste Preisträger Luca Manuel Kieser mit Von einer, die aus Namen ein Geheimnis macht. Rumpelstilzchen? Oder: Die Höhle. Kieser erzählt darin ein Frauenleben von der unmittelbaren Nachkriegszeit bis fast zur Gegenwart.

Laudator Christoph Schröder würdigte: „Mit situativer Komik, aber einem dahinterliegenden tiefen Ernst verbindet Kieser die individuellen Brüche einer Biografie – Krankheit, Diskriminierung, Schicksalsschläge – mit dem Großen und Ganzen der Zeitgeschichte. Ein klug strukturierter und rasanter Text.“

Mit dem MarleneDietrich-Lied Wenn ich mir ‘was wünschen dürfte wurde der Block musikalisch abgerundet, es folgte der Gassenhauer Das letzte Hemd hat leider keine Taschen, populär vor allem durch die Version von Hans Albers.

Im zweiten Teil des Abends ging es um den „subkutanen Tod“, wie Florian Werner formulierte. Tabea Zeltner las aus Flüssiger Mensch, Rudi Nuss trug aus Nebenan, die Weite vor. Anschließend las die zweite Preisträgerin Katherina Braschel – sie hatte bereits am ersten Wortmeldungen-Förderpreis teilgenommen und war auf der Shortlist 2018 vertreten – ihren Text ICD-10 – F63.9 vor. Dazu äußerte Jurorin Angela Tsakiris: „Der Text verblüfft zunächst mit der Recherche, die ihm zugrunde liegt. Dann erstaunt er durch die Genauigkeit, mit der Braschel ihren Körper beschreibt, mit der sie nachvollzieht, dass sie lebt, indem sie verfällt. Schließlich überrascht die Erzählerin ihre Leser, indem sie alles Politische, das sich in ihrem Text verbirgt, mit der Schönheit ihrer Sprache überdeckt und so erst hervorhebt, das sie uns zu einem zweiten Lesen zwingt.“

Die Schauspiel-Absolventen überraschten ebenfalls, und zwar mit Monte Carlo des österreichischen Rappers Money Boy. Dem folgte das Schubert-Lied Leiermann.

Die letzte Runde startete mit Thomas Empl aus Das Leben auf ein paar Metern, ihm folgte Caroline Weigele mit einer Passage aus Veilchenblaue Wände. Der dritte Wortmeldungen-Förderpreis ging an Jana Krüger für weiterweg. Die Laudatio hielt Thomas Stangl. Die Jury begründete ihre Wahl mit folgenden Worten: „weiterweg ist ein neugieriger, unruhiger Text, der in jedem einzelnen Satz um eine eigene Sprache – die Sprache für eine nicht einzuordnende Erfahrung – kämpft. Wie Krüger körperliches Erleben, die konkrete Erfahrung eines Ortes, der Insel Malta, und die mediale und politische Hilflosigkeit im Umgang mit dem Sterben im Mittelmeer in ihren Sätzen aufeinanderstoßen lässt, ist von einer klaren und schroffen Poesie und zeigt zugleich mehr von unserer Wirklichkeit als politische Appelle und Analysen es können.“

Die drei Preisträger teilten sich den mit insgesamt 15.000 Euro dotierten Wortmeldungen-Förderpreis.

Den musikalischen Schlusspunkt des kurzweiligen Abends setzte der Doors Song The End.

Die Texte sind auf wortmeldungen.org nachlesbar.

JF

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