Nathan Thrall über sein Buch „Ein Tag im Leben von Abed Salama“ (Pendragon) „Informativ, Emotional, Bestürzend“

Das Buch Ein Tag im Leben von Abed Salama (Pendragon) wurde in diesem Jahr mit dem Pulitzer-Preis in der Kategorie General Nonfiction ausgezeichnet. Die Begründung der Jury: „Ein sorgfältiger und einfühlsamer Bericht über das Leben unter der israelischen Besatzung des Westjordanlandes, erzählt durch das Porträt eines palästinensischen Vaters, dessen fünfjähriger Sohn bei einem Schulbusunfall ums Leben kommt.“ Anlass für Fragen an den Autor Nathan Thrall:

(c) Judy Heiblum

Worum geht es in dem Buch?

Nathan Thrall: Auf der äußeren Ebene geht es in Ein Tag im Leben von Abed Salama um ein Verkehrsunglück, bei dem ein Bus mit palästinensischen Kindergartenkindern von einem Sattelschlepper gerammt wird und in Flammen aufgeht. Im Verlauf handelt die Geschichte dann von den verschiedenen Beteiligten sowie Angehörigen der Kinder, und wie sie mit den Folgen des Unfalls umgehen. Das ist allerdings nur die ‚Hülle‘. Im Kern des Buches stehen die Konsequenzen der Segregationspolitik Israels, und wie diese im Leben der „einfachen“ palästinensischen Bevölkerung allgegenwärtig ist. Es erzählt von Alltagen, die in unserem Sinne kaum als solche bezeichnet werden können und davon, wie sich Leute unter den schlimmsten Umständen mit ihrem Schicksal abfinden müssen.

Wie entstand die Idee dazu?

Es zu veröffentlichen oder es zu schreiben? Zu letzterem kann ich wenig sagen, aber zu ersterem wäre die Antwort:

Das Manuskript wurde uns von einer Agentur angeboten, nachdem sie es nirgendwo sonst unterbringen konnte, da alle größeren Verlage abgelehnt hatten. Uns wurde ebenfalls von vielen Seiten gesagt, dass es Risiken birgt, das Buch in Deutschland zu veröffentlichen. Doch wir waren überzeugt von dem Werk und davon, dass es auch hierzulande gelesen werden muss, dass wir uns zu dritt im Verlag dazu entschlossen haben, es trotz allem hier rauszubringen.

Mit welchem Argument kann der Buchhändler das Buch gut verkaufen?

Das Buch ist gleichermaßen literarisch und informativ. Die Rahmenhandlung um das Busunglück und die darin involvierten Charaktere reißen mit und lassen nicht wieder los. Es hat die große Emotionalität eines Romans, doch alles, was darin beschrieben wird, ist real. Neben der Handlung erfährt man zudem vieles über die Besatzung, aber es wird nie zu viel – es ist die perfekte Balance, die man sich von einem erzählenden Sachbuch wünscht.

Welche Leserschaft soll angesprochen werden?

Leute, die sich lange für den Nahost-Konflikt interessieren und eine differenzierte Sicht lesen wollen. Leute, die erst vor kurzem Interesse an dem Konflikt bekommen haben und nun einen Einstieg in das Thema suchen. Sowohl Leute, die sich für den politischen und historischen Hintergrund des Konflikts interessieren als auch solche, die wissen wollen, wie er sich auf die Leben der gewöhnlichen Bevölkerung auswirkt.

Welche drei Wörter beschreiben das Buch ideal?

Informativ, Emotional, Bestürzend

Franziska Altepost