Nur wenige deutsche Autoren fallen uns im Unterhaltungsbereich ein, die in den USA Fuß fassen konnten. Der langjährige Droemer Verleger Dr. Hans-Peter Übleis soll deshalb künftig für die Autoren der Holtzbrinck-Verlage dieses Trauma deutscher Autoren lindern helfen.
Und das war dann auch Thema im Oktober-BuchMarkt : Da diskutierten wir mit Dr.Hans-Peter Übleis und Dr. Peter Prange darüber, ob es gelingen kann, für deutsche Autoren mehr Präsenz auf dem englischsprachigen Buchmarkt zu erobern. Hier dieses Gespräch heute als SONNTAGSGESPRÄCH:
BuchMarkt: Herr Dr. Übleis: Warum übernehmen Sie doch noch einmal eine Aufgabe für die Verlagsgruppe? Was ist so viel reizvoller als die neue Freiheit nach dem Hamsterrad zu genießen?
Hans-Peter Übleis: Das wollte ich ursprünglich auch – aber die Idee, wenigstens für einige Autoren und Bücher aus den Verlagen Rowohlt, Fischer, Droemer Knaur und Kiepenheuer & Witsch noch intensiver um angemessene Verbreitung in der englischen Sprache weltweit zu kämpfen, habe ich als eine wirkliche Herausforderung empfunden.Das ist eigentlich bislang kaum jemandem so recht gelungen. Und ich denke, es wäre doch gelacht, wenn es nicht gelänge, das traditionelle Einbahnsystem der Übersetzungen aus dem Englischen ins Deutsche punktuell umzudrehen!
Ich merke, Sie haben wenig Selbstzweifel. Sie trauen sich das zu?
Ein wenig Erfahrung habe ich, ich habe schon mal den Amerikanern American Bar in Lizenz verkauft (es wurde ein Bestseller bei Abbeville Press), den Italienern ein Buch über Oliven und einem französischen Verlag ein Werk über Champagner, jeweils von deutschen Autoren. Aber in der Realität wird das schon mühsam, ein „uphill battle“, wie es so prägnant wie martialisch auf Englisch heißt.
Herr Dr. Prange: Denken Sie genauso? Welche Hoffnung schürt diese Initiative bei Autoren?
Peter Prange: Sie schürt die Hoffnung, dass es Hans-Peter Übleis gelingt, einen wahrhaft Gordischen Knoten zu durch-schlagen. Für uns deutsche Autoren ist die aktuelle Situation ja wirklich deprimierend. Während Jahr für Jahr zigtausende Titel aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt werden und diese dann hier die Regale der Buchhandlungen füllen, ist umgekehrt der angloamerikanische Markt für uns ein „closed Shop“. Und dabei ist ja nun wirklich nicht alles, was in England und Amerika eingekauft wird, das pure Gold, auch wenn die Titel hier noch so sehr auf Hochglanz poliert werden.
Ist dies die Sicht eines enttäuschten Autoren? Oder ist das wirklich die angemessene Beschreibung?
Übleis: Ich verstehe jeden Autor, der an diesem Punkt enttäuscht ist – und jeden deutschen Verleger, der sich verzweifelt abmüht, diesen Gordischen Knoten zu durchschlagen.
Prange: Manche deutschen Verleger haben leider den Knoten noch fester geschnürt. Mein traumatisches Urerlebnis: Als mein Agent Roman Hocke vor Jahren meine Principessa anbot, hat ein Verleger, den ich bis dahin für seriös hielt, allen Ernstes den Vorschlag gemacht, den Roman als eine Entdeckung aus Amerika und mich als amerikanischen Autor einzuführen – mein Name sei dafür ja wie geschaffen. Obwohl das damals das bestdotierte Angebot war, habe ich es abgelehnt, und mich für Droemer entschieden. Zum Glück. Denn Hans-Peter Übleis hat es mit seinem Team geschafft, den Roman nicht nur zum Bestseller, sondern auch zu einem Longseller zu machen, trotz des deutschen Autors.
Gibt es nachvollziehbare Gründe für diese Einbahnstraße, die ja auch Medien wie Film und Musik betrifft?
Übleis: Eine Vielzahl sogar, das ist ein weites Feld, hier müssen einige Stichpunkte genügen: Historische Gründe und die absurde Unterscheidung von U und E-Literatur etwa.
Der zentrale Punkt ist und bleibt aber wohl unsere Sprache?
Ja, das trifft es. Zugespitzt formuliert: 99% der deutschen Lektoren sprechen Englisch, 99% der amerikanischen und englischen Verlagsmenschen sprechen kein Deutsch. Verlegen aber funktioniert über Qualität, Kreativität und vor allem Begeisterung, letztere ensteht primär aus der eigenen Lektüre eines Manuskriptes, nicht unbedingt auf der Basis eines Gutachtens. Insofern sind Erfolge oder gar Bestseller in England und den USA ausgesprochen selten, Ausnahmen wie Der Vorleser von Bernhard Schlink oder Lavendelzimmer von Nina George bestätigen die Regel und kommen nur alle paar Jahre vor.
Schuld des Systems oder Schuld der deutschen AutorInnen?
Prange: Da müssen wir uns in der Tat ein wenig an die eigene Nase fassen. Manchen deutschen Autoren, so ist zumindest mein Eindruck, scheint das Feuilleton wichtiger als ihre Leserschaft zu sein. Originalzitat eines Kollegen: „Wenn ich meinen Namen auf der Bestsellerliste wiederfinde, habe ich was falsch gemacht.“
Kann der Verleger das bestätigen?
Übleis: Zusehends weniger. Wir haben heute genug tolle Autoren, auch in jahrzehntelang von den Angloamerikanern dominierten Bereichen wie Krimi, Thriller, Historischer Roman und zunehmend in Fantasy und selbst Science Fiction. Alte Berührungsängste wurden abgelegt, das Selbstbewusstsein ist gestiegen, die Bereitschaft zur (häufig unumgänglichen) Selbstvermarktung auch – ich finde die Entwicklung sehr erfreulich, und sie wird weitergehen. Als ich vor 20 Jahren bei Droemer begann war diese Entwicklung erkennbar, sodass wir von Anfangan, stärker als damals in Publikumsverlagen üblich, auf deutsche Autoren und Autorinnen setzten und damit den Verlag, dessen Spitzenautoren nahezu alle weg waren, Schritt für Schritt wieder nach oben brachten. Heute ist der Anteil angloamerikanischer Autoren nochmals zurückgegangen, und das ist gut so.
Prange: In Deutschland ist Literatur allzu lange ein extremes Entweder-Oder gewesen: Entweder Hochliteratur, von Goethe an aufwärts, oder Schund, vom Bahnhofskiosk an abwärts. Dabei gilt in der Regel die Maxime: Was unterhält, ist verdächtig. Was für eine Hochnäsigkeit! Da halte ich es lieber mit Horaz: „Aut delectare aut prodesse volunt poetae“, schrieb der bereits vor über zweitausend Jahren in seiner Ars poetica.
Ich darf mal übersetzen: Entweder unterhalten oder nützen, das ist der
Sinn von Literatur …
… noch besser ist aber beides zusammen!
Der „deutsche“ Charakter Ihrer Autoren wird dabei kein Hindernis sein?
Übleis: Das Klischee von „den Deutschen“ und daher auch über deutsche Autoren sitzt sicher noch in einigen amerikanischen Verlegerhirnen und englischen Lektorenseelen fest. Und es gibt viele sachliche Probleme.
Und die wären?
Das ist der Mangel an Sprachkenntnissen, kaum Kenntnis unserer Kultur, wenige und teure Übersetzer aus dem Deutschen ins Englische, sprachliche und räumliche Distanz zum Autor (klassische US-Verlegerfrage über deutsche Autoren „is he promotable or has he got a radio face?“). Und ab und an ist ebenfalls auch eine gewisse Arroganz vorhanden (es gibt großartige Ausnahmen). Aber diese Arroganz haben wir deutschen Verleger bei Manuskripten beispielsweise aus der Türkei, aus Polen oder Korea (um drei Länder zu nennen, die ein ähnliches Einbahnsystem aus dem Deutschen in ihre jeweilige Sprache beklagen) überwiegend auch.
Soweit die Situtation Belletristik. Wie steht‘s um das Sachbuch?
Übleis: Die Grundproblematik ist identisch. Dazu kommt aber, dass die amerikanischen und britischen Spitzenunis von Harvard bis Yale, Oxford und Cambridge weltweit in einer anderen Liga spielen als unsere Universitäten. Als Professor in Harvard, dessen neuestes Buch in der New York Times besprochen wurde, ist die Chance, ins Deutsche übersetzt zu werden, ungleich größer als eine englische Übersetzung für ein tolles Sachbuch von Yogeshwar, der in den deutschen Medien sehr präsent ist. Auch die politischen Gewichte sind klar verteilt: Der Amoklauf von Donald Trump gefährdet die gesamte Welt, für den Amoklauf von Herrn Seehofer interessiert sich zwischen New York und Los Angeles niemand. Hervorzuheben ist auch die weltweit bedeutende Rolle britischer Autoren bei Biografien und Zeitgeschichte, denen in vielen Sprachen (nicht immer zurecht) ein hohes Maß an Objektivität zugeschrieben wird.
Sie sollen, wenn ich das richtig verstanden habe, nicht alle Holtzbrinck-Autoren vertreten …
Übleis: … ja, das wird vorerst nur eine Auswahl. Klein, aber fein ist die Grundidee, eine Art Best-of-Holtzbrinck-Auswahl, mit den jeweiligen Verlagen abgesprochen, nur Bücher, die ich gelesen habe und guten Gewissens empfehlen kann und denen ich außerdem wegen ihrer Qualität, Thematik und „Absenderkompetenz“ gewisse Marktchancen im englischsprachigen Markt zutraue.
Eine Zahl würde mich interessieren.
Das sind zwei, drei Bücher aus jedem der vier Verlage, nicht unbedingt alles Novitäten. In den ersten Gesprächsrunden in London, Frankfurt und New York will ich in einem kleinen und ebenfalls feinen Netzwerk dafür mit Begeisterung werben. Mit weiteren Autoren sollte die Vorgangsweise von Saison zu Saison weiter entwickelt werden – schnelle Erfolge erwarte ich ebensowenig wie das große Geld. Vom Angebot über die Annahme, die Übersetzung bis zur hoffentlich erfolgreichen Publikation vergehen meist mindestens zwei Jahre.
Peter Pranges kommender Roman Eine Familie in Deutschland gehört schon dazu. Warum könnte der Titel auch in den USA Chancen haben?
Übleis: Wenn es ein deutsches Thema gibt, das im angloamerikanischen Raum über die Jahrzehnte hinweg auf dunkle Weise fasziniert, ist es die Nazi-Zeit. Peter Prange hat für seinen Roman die Form der Familiengeschichte gewählt.
Aber reicht das zum Beispiel wirklich als Argument?
Dadurch kann er auf engstem Raum und überschaubare Weise die gegen-
sätzlichsten Perspektiven wie auch die verschiedensten Handlungsstränge miteinander verknüpfen, um das Spektrum der damaligen Zeit mit sehr vielen Grau- und Zwischentönen auszuleuchten. So ist, über die erzählte Epoche hinaus, ein Roman über die Verführbarkeit von Menschen in politisch prekären Zeiten entstanden – ein Thema, das heute, da sowohl diesseits wie jenseits des Atlantiks wieder jede Menge Rattenfänger unterwegs sind, große Aktualität besitzt.
Welche Hoffnung setzt der Autor in seinen langjährigen Verleger? Selbst Ihr Riesenerfolg Das Bernstein Amulett war bislang in den USA unverkäuflich.
Prange: Meine Bücher sind in insgesamt 24 Sprachen übersetzt, aber
nur ein einziger Roman ins Englische. Die Philosophin erschien als The Philosopher‘s Kiss bei Simon & Schuster, leider nur mit mittlerem Erfolg, sodass ich in dem Land, in dem angeblich jeder eine zweite Chance bekommt, keine zweite Chance bekam. Die erhoffe ich mir nun durch die Inititative der Holtzbrinck-Gruppe.
Was hat denn Hans-Peter Übleis, was andere Experten nicht haben?
Prange: Hans-Peter Übleis scheint mir der ideale Vermittler zwischen dem deutschen und dem angloamerikani-schen Markt.
Das sagen Sie über ihn nicht nur, weil Sie mit ihm befreundet sind?
Sie wissen doch noch viel besser, dass das stimmt. Als Droemer-Chef hat er jahrzehntelang mit Uk-und US-Verlegern verhandelt und weiß deshalb, wie Verleger in England und in den USA ticken und welche Verlage für welche Themen von Interesse sein könnten. Außerdem hat er auf Grund persönlicher Kontakte Zugang zu den Etagen, in denen die Entscheider sitzen und die einem Agenten für gewöhnlich verschlossen bleiben.
Dann also jetzt auf zur Eroberung des angloamerikanischen Markts ?
Übleis: Von Eroberung kann keine Rede sein, der eine oder andere Einzelerfolg als Eisbrecher für Bücher aus Deutschland wäre aber schön und langfristig hilfreich. Da lohnt Zeit und Mühe, denn viele unserer Autoren haben es wahrlich verdient, weltweit besser wahrgenommen zu werden. Es ist noch ein weiter Weg, bis „made in Germany“ auch als literarische und unterhaltende Qualitätsmarke weltweit Anerkennung findet, aber jeder Beitrag dazu ist richtig und wichtig. Ich verspreche: „We try harder!“
Die Fragen stellte Christian von Zittwitz