Das Vertretergespräch mit Felix Wegener, dem "Makler der Bücher": „Es sind entscheidende Attribute, die uns Vertreter unverzichtbar machen. Das Lebendige, das Vertrauen, die Kompetenz und die Expertise sind alternativlos“

Felix Wegener: Seit Januar 2018 bereist er die bayerische Buchhandels-Landschaft als freier Verlagsvertreter und kennt die Branche aus verschiedenen Perspektiven: Nach einer Buchhandelslehre bei Bücher Pustet folgten Praktika in London bei Bloomsbury Publishing und der königlichen Hofbuchhandlung Hatchards sowie Stationen in Verlagen wie Berlin Verlag, Piper, Antje Kunstmann und arsEdition. Außerdem gründete er die Digital-Agentur Direttissima und veranstaltete eine Digital-Konferenz

Viele Buchhandlungen freuen sich über die Solidarität ihrer Kunden, wie aber steht es um die Solidarität der Branche mit den Vertretern? In unserem aktuellen Mai-BuchMarkt sprachen wir mit Felix Wegener über Gegenwart und Zukunft seines Berufsstands.

BuchMarkt: Wie geht es Ihnen?
Felix Wegener: „Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt“, schrieb Dante Alighieri. Die Zeiten sind herausfordernd, Attacke!

Wie also sehen derzeit, Ende April, Ihre Pläne für die Vorstellung der Herbstprogramme im Handel aus?
Das Frühjahr war die erste „richtige“ Corona-Reise. Die Vertreter-Tour hat nicht auf vier Reifen und auf der Straße stattgefunden, sondern zuhause, in meinem Büro am Telefon oder per Video- Schalte. Meine Entscheidung, nicht aktiv zu reisen, sondern von daheim zu arbeiten, war für mich eine logische Konsequenz aus der damaligen Situation und den vorhandenen Möglichkeiten in den Buchhandlungen sowie aus der Verantwortung gegenüber meinen Kollegen aus dem Handel, meiner Familie und letztendlich mir selbst. Für den Sommer ergeben sich Gott sei Dank wieder Möglichkeiten agil zu arbeiten. Durch gutes Wetter wird es wieder möglich draußen zu sitzen, vor, hinter, oder sogar auf dem Dach der Buchhandlung. Hauptsache aber: Der direkte und persönliche Kontakt ist wiederhergestellt. Ich plane also für den Sommer eine etwas den Rahmenbedingungen angepasste Vertreterreise.

Wie nehmen Sie die bisherigen Gespräche auf Distanz wahr?
Es gibt eine Parallele – wenn auch nur im Groben – zur Zusammenarbeit mit den Verlagen. Die Pandemie hat uns allen relativ schnell klar gemacht, dass der persönliche Kontakt und somit natürlich auch die Vertreter-Konferenzen nicht vor Ort in den Verlagshäusern stattfinden werden, sondern wir auf digitale Plattformen wie Zoom oder MS Teams ausweichen müssen. Das Vertretergespräch mit den Kollegen aus dem Handel stellt also rein technisch gesehen eine Kopie dar und ist nichts Neues. Mit dem derzeitigen Zustand, dem Ablauf und der daraus resultierenden Konsequenz kann weder das Sortiment noch der Vertreter zufrieden sein.

Sie haben Einbußen, weil vorsichtiger bestellt wird?
Fakt ist – der Handel passt sich den verschiedensten Pandemie-Situationen
an, so gut wie es geht. Die Mechanismen des Einkaufs könnte man mit „Auf Sicht fahren“ bezeichnen, sprich, viele Titel werden kurzfristig – auch aufgrund entscheidender Presse oder Nachfrage – über das Barsortiment bezogen. Zum einen hält es das Lager klein, zum anderen bleibt so die Liquidität der Buchhandlung bestehen. Der Handel hat sich aber durch die Regularien der Öffnungsformeln wieder vermehrt auf das für uns so Wichtige besonnen – auf persönliche Empfehlungen.

Aber was ist das eigentlich, das „Persönliche“?
Das ist die Wertschöpfung am Buch, die die Vertreter gegenüber den Buchhändlern und die Buchhändler gegenüber ihren Kunden leisten. Viele meiner bayerischen Kolleginnen und Kollegen aus den Buchhandlungen setzen vermehrt auf eigene Empfehlungstitel, und diese werden dementsprechend stark eingekauft. Es liegt mir fern, Kritik zu üben, im Gegenteil, wir sitzen alle in einem Boot, und es herrscht eine große Solidarität pro Buchhandel.

Verschärft die Pandemie einen Trend, der sich bereits abzeichnete?
Es sind in den letzten Jahren Entwicklungen im Gange, die auf den ersten Blick
kontraproduktiv im Sinne des Vertreterberufs zu sein scheinen. Was kann ich dem als selbstständiger Vertreter entgegenstellen? Eingeschränkt – durch die Pandemie- Maßnahmen der Politik – handlungsfähig, sind es unter anderem neue, digitale Wege der Kommunikation wie Instagram oder auch VLB-TIX, die wir gehen. Die Verlage agieren seit geraumer Zeit digital – es gilt, auch auf diesen Plattformen den Vertreter mit einzubeziehen. Wir, die Vertreter, sind die Makler – zu nddt. maken, „herbeischaffen, zustande bringen, machen“ – der Bücher, die Verlage sind die Makler der Vertreter. In diesen Zeiten, in denen der Berufsstand des Verlagsvertreters gegen verschiedene Stromlinien ankämpft, ist die Partnerschaft, der Schulterschluss der Verlage mit uns umso wichtiger geworden.

Sehen Sie Ihren Berufsstand in Bedrängnis?
Nein, dem ist sicher nicht so. Der Vertreter entwickelt mit der Buchhandlung
ein Profil und vor allem eine Langzeitprognose. Es sind entscheidende Attribute, die uns Vertreter unverzichtbar machen. Das „Lebendige“, das Vertrauen, die Kompetenz und die Expertise sind alternativlos.

Langzeitprognosen zu erstellen, das stelle ich mir im Moment besonders schwierig vor …

Die Buchhändler kennen ihre Kundschaft und die regionalen Begebenheiten selbst zur Genüge. Da muss ich als Vertreter nichts erklären. Ich kann aber mit der bereits angesprochenen Expertise Hilfestellung und Hinweise geben, in Sachen Titelauswahl, der Pflege von Reihen oder von Klassikern. Oft entwickelt man in gemeinsamen Gesprächen – auch über die Jahre – eine Leidenschaft für ein Thema oder einzelne Autoren, und daraus entstehen Ideen für den Verkauf. „Unser Leben mutet an wie ein Versuch“, wie einst der französische Schriftsteller Jules Renard sagte.

Für welche Herzenstitel aus dem Frühjahr hätten Sie gern mehr erreicht?
Eine kleine Auswahl: Der Klassiker in kleiner Form bei Jung & Jung: Nathaniel Hawthorne Zwanzig Tage mit Julian und Little Bunny. Eine wunderbare Vater-Sohn-Geschichte. In der Friedenauer Presse erschien von Lew Rubinstein Ein ganzes Jahr. Mein Kalender, eine literarische Globalgeschichte in Kalenderform. Genial. Finnja Feentochter und die sieben Gefährten von Elke Satzger, im Ueberreuter Kinderbuch erschienen, sorgen für Nervenkitzel bei Jungs und Mädchen ab zehn Jahren. Sinnliches Wissen lautet der Titel von Minna Salamis starkem Essay über die schwarze, feministische Perspektive (Matthes & Seitz Berlin). Asiatische Literatur bei Blumenbar hat Tradition, die Stories Die einsame Bodybuilderin von Yukiko Motoya sind gnadenlos gut. Den passenden Krimi dazu liefert David Peace bei Liebeskind mit Tokio, neue Stadt. Und in der Frankfurter Verlagsanstalt ist mit Filip von Leopold Tyrmand eine wahre Wiederentdeckung zu Tage gekommen. Es gilt noch so viele, gute Bücher zu erwähnen … Auf meinem Instagram-Kanal
@felixwegener empfehle ich gerne mehr.

Die Fragen stellte Susanna Wengeler

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