Beim Schreiben des Netzrückblicks September sitzt einem der Schock der Bundestagswahl noch im Nacken; eine Wahl, die eine offen rassistische, antisemitische und reaktionäre Partei zweistellig in den Bundestag gespült hat. Dies ist auch der Grund, warum ich diesen Rückblick ausnahmsweise mit einem Hinweis auf einen eigenen Blogbeitrag auf Kaffeehaussitzer beginne. Unter dem Titel „Wir haben die Wahl. Jeden Tag“ musste ich ein paar Gedanken loswerden. Es geht es um die Frage, wie die Bundestagswahl, das Lahntal, ein Sachbuch, der Mittlere Westen der USA und Amazon miteinander zusammenhängen.
Doch lehnen wir uns erst einmal zurück, am besten in einem Kaffeehaus. Perfekt passend dazu die Buchvorstellung von Hermann Kestens Klassiker „Dichter im Café“ im von mir sehr geschätzten Blog notizhefte.
Sehr beschäftigt hat die Buchblogger-Szene die Auslobung des ersten Buchblog-Awards, der vom Börsenverein in Zusammenarbeit mit NetGalley vergeben wird. Im September fand die öffentliche Abstimmung für die Longlist statt, aus der dann die Shortlist hervorging. Der Sieger wird am 13. Oktober 2017 auf der Frankfurter Buchmesse bekanntgegeben. Im Prinzip fand der Award große Zustimmung, zur Durchführung gab es aber auch kritische Stimmen – wobei die Kritik meist sehr konstruktiv ausfiel. Besonders lesenswert fand ich dazu die Beiträge auf Book Walk und auf my Bookblog.
Da wir gerade beim Thema Shortlist sind: Was geschieht bei den Buchpreisbloggern? Hier tut sich viel; neben zahlreichen Buchbesprechungen der beteiligten Blogs hat mir ein Beitrag besonders gut gefallen, in dem Frank Rudkoffsky mit drei Buchhändlerinnen über die nominierten Bücher der #dbp17-Shortlist gesprochen hat. Schön fand ich auch den Beitrag auf pinkfisch, in dem zwei der Buchpreisblogger ihre unterschiedlichen Ansichten zu Jonas Lüschers „Kraft“ diskutierten, einem der Longlist-Titel.
Auch Jochen Kienbaum, ein Buchpreisblogger-Veteran der Jahre 2015 und 2016, hat sich in seinem Blog lustauflesen.de ein paar lesenswerte Gedanken über die Buchpreis-Shortlist gemacht. Durch diesen Blog bin ich auch auf das Buch „Wir leben hier, seit wir geboren sind“ von Andreas Moster aufmerksam geworden: Nach der Besprechung wusste ich, dass ich es unbedingt lesen muss.
Und noch einmal Buchpreisblogger: Zum zweiten Mal mit dabei ist Booktuberin Ilke Sayan mit ihrem YouTube-Kanal Buchgeschichten. Der Beitrag „3 Buchpreisbloggerinnen sprechen über den #dbp17“ zeigt ein sehr sympathisches Gespräch zwischen ihr, Isabella Caldart vom Blog novellieren und Sarah Reul vom Blog pinkfisch. Ein Detail zum Schluss: Ilke Sayan ist Teil der Jury für den Deutschen Buchtrailer-Award, der 2018 zum ersten Mal auf der future!publish vergeben wird. Ich erzähle das vor allem deswegen, weil dies ein weiteres Beispiel für die zunehmende Verzahnung der Blogs mit dem Literaturbetrieb ist.
Die Literaturblog-Welt ist ein ständiges Kommen und Gehen; ganz neu entdeckt habe ich den Blog Lesen…in vollen Zügen. Hier gibt es einen wunderbaren Beitrag, der eine Lanze bricht für das langsame Lesen. In Zeiten von Lese-Challenges ein Text, der mir aus dem Herzen spricht.
Nach einer längeren Blogpause ist auch die Leserin wieder am Start, was mich sehr freut. Gut gefallen hat mir dort der Beitrag „Wie subjektiv darf eine Buchkritik sein?“
Die Aufregung um die angedachte Entfernung eines Eugen-Gomringer-Gedichts von der Fassade der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin hat hohe Wellen geschlagen. Lars Hartmann hat sich in seinem Blog AISTHESIS des Themas angenommen, wie gewohnt verbunden mit einem lohnenswerten Blick über den Tellerrand.
Einen unglaublich langen und unglaublich lesenswerten Blogbeitrag hat Katharina Herrmann in 54books veröffentlicht. Sie schreibt über Frauen im Literaturbetrieb und lässt keine Facette dieses komplexen Themas unberücksichtigt. Es ist ein Text, der sich auch als Dossier in der ZEIT oder der taz sehr gut machen würde.
Das Buch „Suppen für Syrien“ ist seit dem Frühjahr ein Projekt des DuMont-Verlags, dessen gesamte Erlöse den Menschen in Syrien zugute kommen. Jetzt haben sich verschiedene Blogs zusammengetan, um mit einer Blogtour noch mehr Aufmerksamkeit für das Buch zu generieren. Auftakt machte die Bücherkrähe, hier findet man auch die Hinweise zu den anderen Beiträgen zu verschiedenen Aspekten der syrischen Katastrophe.
Und zum Schluss noch etwas Phantastisches: Im September wurde bekanntgegeben, dass es mit Startschuss zur Frankfurter Buchmesse eine monatliche Bestenliste für Phantastik-Titel geben wird. Initiatoren sind das Phantastik-Netzwerk PAN und das Portal Literaturschock. In der Jury für die monatlichen Listen sind u.a. die Blogger Annabelle Stehl mit ihrem Blog Stehlblüten, Philip Aschermann mit seinem Blog Book Walk und Jürgen Seibold mit seinem Blog Hysterika. Feine Sache, kann ich da nur sagen.
Das war es für den September. Jetzt steht der Oktober vor der Türe und mit ihm die Buchmesse. Ich werde Donnerstag und Freitag dort sein und freue mich schon auf viele Begegnungen und Gespräche. In diesem Sinne: Man sieht sich.
Uwe Kalkowski ist seit vielen Jahren in der Buchbranche tätig und kennt sie aus unterschiedlichen Perspektiven: Als Buchhändler in großen und winzigen Buchhandlungen, als Absolvent des Studiengangs Verlagswirtschaft in Leipzig und als Marketingmensch in verschiedenen Fachverlagen; seit 2009 ist er Marketingleiter des RWS Verlags in Köln. Als Kaffeehaussitzer bloggt er über Bücher, Literatur und Leseerlebnisse. In der Kolumne Kaffeehaussitzers Netzrückblick gibt er hier auf buchmarkt.de regelmäßig eine Übersicht über lesenswerte Fundstücke aus den Literaturblogs. „Vollkommen subjektiv, handverlesen und rein persönlich ausgewählt ohne Anspruch auf Vollständigkeit, denn eine solche kann es in einer so vielschichtigen Szene gar nicht geben“, wie er sagt.