Gestern Abend wurde an neuem Ort, nämlich im Großen Saal der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) in Frankfurt, zum elften Mal der Robert Gernhardt Preis verliehen.
Den Auftakt gestaltete das SRS Trio mit Yuriy Sych am Klavier, Tim Roth am Kontrabass und E-Bass sowie Martin Standke am Schlagzeug.
Anschließend waren Robert Gernhardts Materialien zu einer Kritik der bekanntesten Gedichtform italienischen Ursprungs zu hören – kein Plädoyer für das Sonette. Aber wunderbar giftig.
Ernst August Klötzke, Vizepräsident der HfMDK, begrüßte die Gäste: „Es ist eine große Ehre, Gastgeber für die feierliche Verleihung des elften Robert Gernhardt Preises zu sein.“ Allerdings berge so ein Preis für noch Unfertiges auch Risiken, die jedoch mutig von den Preisstiftern, der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WI Bank) und dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, in Kauf genommen würden.
„Wir suchen immer neue, spannende Orte, wo sich Theater, Musik und Literatur verbinden – in diesem Jahr ist es die HfMDK“, sagte Ayse Asar, Staatssekretärin im hessischen Kultusministerium. Der seit 2009 vergebene Robert Gernhardt Preis habe einen hohen Anspruch: Literatur müsse schon nach sechs Seiten spürbar werden. Für die elfte Preisverleihung las die Jury – Eva Demski, Christoph Schröder und Karl Heinz Götze – 79 Bewerbungen. Die Namen der Autoren blieben zunächst geheim. „Waren es in manchen Jahren zwei Bewerbungen, die von der Jury für die Auszeichnung vorgeschlagen wurden, fand für den elften Preis nur Nina Bußmann die Anerkennung der Juroren“, bemerkte Asar.
Sie freute sich, dass es Norbert Zähringers Roman Wo wir waren, im März dieses Jahres bei Rowohlt erschienen, auf die gerade veröffentlichte Longlist zum Deutschen Buchpreis geschafft hat. Zähringer hatte 2016 den Robert Gernhardt Preis für eben dieses Projekt erhalten.
Hessen sei nicht nur wegen des Gernhardt Preises ein Literaturland, mit dem Hessischen Verlagspreis und einem Gemeinschaftsstand des Bundeslandes auf der Frankfurter Buchmesse werde deutlich, wie geschätzt Literatur in Hessen sei.
Michael Reckhard, Mitglied der Geschäftsleitung der WI Bank, erinnerte an den Namensgeber des Preises: „Robert Gernhardt hatte die Gabe, genau die richtigen Worte zur richtigen Zeit zu finden.“ Das sei etwas Besonderes – viele vergebliche Versuche könne man täglich auf Twitter nachlesen. Die Versuchung sei groß, alles Mögliche mit der Welt zu teilen. Dabei sei allerdings auch eine Verrohung der Sprache, die in Gesellschaft und Politik hineinreiche, feststellbar.
Die WI Bank unterstütze den Robert Gernhardt Preis, um „ausgezeichneter Literatur den Weg zu ebnen“. In diesem Jahr ist es das Romanprojekt Dickicht von Nina Bußmann. Der Robert Gernhardt Preis verschaffe Zeit bei der Suche nach den richtigen Worten.
Gernhardt war ein weiteres Mal mit Ach! zu hören.
Anschließend hielt Beate Tröger die Laudatio, in der sie über das „Verschweigen, Verschwinden und Vergessen“ sprach. Am Anfang zitierte sie Gernhardts Wunsch und Wirklichkeit. Sowohl bei Gernhardt als auch bei Bußmann gehe es um Tabus. Tröger führte auch den Philosophen Günther Anders und sein 1986 bei C. H. Beck erschienenes Buch Lieben gestern. Notizen zur Geschichte des Fühlens an. Wie Anders gehe es auch Bußmann um diffizile Studien menschlicher Verfasstheit. So steht in ihrem Debüt Große Ferien, 2012 bei Suhrkamp veröffentlicht, die ambivalente Gestalt des Lehrers Schramm im Mittelpunkt. Im zweiten Roman Der Mantel der Erde ist heiß und teilweise geschmolzen, 2017 im gleichen Verlag publiziert, begibt sich die Erzählerin auf Spurensuche nach ihrer in Nicaragua verschollenen Studienfreundin Nelly – und kommt dabei irgendwann nicht weiter. „Bußmann liefert keine schnittigen Plots, sondern forscht eher nach Hintergründen“, urteilte Tröger.
Nach der Übergabe der Urkunde des mit 12.000 Euro dotierten elften Robert Gernhardt Preises bedankte sich die Ausgezeichnete: „Das Geld bedeutet, dass man Zeit geschenkt bekommt. Dafür bin ich dankbar. Gleichzeitig ist es auch ein bisschen unheimlich.“
Robert Gernhardts Nachmittag eines Dichters begeisterte das Publikum ebenso wie der musikalische Ausklang mit dem SRS Trio.
Anschließend konnte man sich auf dem Empfang sowohl das 2017 bei S. Fischer erschienene Der kleine Gernhardt von Robert Gernhardt als auch Norbert Zähringers Roman Wo wir waren mitnehmen – eine nette Geste der WI Bank.
JF