Seit Nikolaustag fragen wir wieder bis zum 6. Januar 2023 (Heilige Drei Könige) in der Buchbranche herum: „Wie war Ihr Jahr?“. Heute beantwortet Anne Friebel (Verlegerin Palomaa Publishing) unseren „anderen Fragebogen“:
Welcher Tag war Ihr schönster in diesem Jahr?
Am Mittwoch, den 26. Oktober 2022, habe ich auf einer Wanderung im Allgäu erfahren, dass wir mit Palomaa Publishing den Sächsischen Verlagspreis gewonnen haben – das war an Freude, Überraschung und fröhlichem Entsetzen sicherlich nicht zu toppen in diesem Jahr.
Worüber haben Sie sich 2022 am meisten geärgert?
Ärger, Wut und Fassungslosigkeit haben natürlich der Überfall Russlands auf die Ukraine und das Leid, das dadurch über Millionen Menschen gebracht wurde, in mir ausgelöst. Der 24. Februar war sicherlich einer der schwärzesten Tage des Jahres 2022.
Was war 2022 Ihr schönster Erfolg?
Die Jahreshighlights waren für mich sicherlich unsere drei wunderbaren Titel in 2022, die Gründung unseres Netzwerkes The Female Publisher, die Nominierungen für den Young Excellence Award des Börsenblatts sowie für den Emotion Award in der Kategorie “Gender Balance in Media”. Außerdem mehrere Gelegenheiten, um Keynotes, Seminare und Workshops zu halten – das waren wertvolle Begegnungen mit sehr inspirierenden Menschen. Der schönste Erfolg war aber tatsächlich im November die Auszeichnung von Palomaa Publishing mit dem Sächsischen Verlagspreis – eine Anerkennung, die ich mir sicherlich gewünscht, mit der ich jedoch überhaupt nicht gerechnet hatte.
Und Ihr traurigster Misserfolg war?
Sehr schade fand ich, dass wir unseren Herbsttitel von Jessica Goschala nicht so in den Handel bringen konnten, wie wir uns das erhofft hatten und es das Buch auch verdient hätte. Zwar hat sich das Buch in unserer Community und der der Autorin sehr gut verkauft. Aber der Handel blieb skeptisch – und das, obwohl viele Menschen gerade jetzt in Zeiten vieler Krisen einen Hoffnungsblick gebrauchen könnten.
Ihre schönste Buchhandlung/Ihr liebster Verlag in diesem Jahr?
Tatsächlich liebe ich den jährlichen Besuch der Buchhandlung Bücher Bäck in Immenstadt – jedes Jahr im Herbst verbringen wir unseren Familienurlaub im Allgäu und seit einigen Jahren gehört ein Besuch in dieser liebevoll geführten und sehr gut sortierten Buchhandlung einfach dazu.
Ein Verlag, der mir mit seiner Gründung sehr positiv aufgefallen ist, ist der inklusive Kinderbuchverlag bli bla blub. Deren erstes Buch “Pupskraut & Erbsenmus” ist soeben erschienen.
Von welchem Thema wollen Sie (warum) im kommenden Jahr nichts mehr lesen?
Mir reicht die bisherige Berichterstattung und Bühne für einen gewissen Investor, Größenwahnsinnigen und neuen Twitter-Eigner absolut aus – viel zu viel toxische Männlichkeit für meinen Geschmack.
Und über welches Thema wollen Sie mehr lesen?
Ich würde mich freuen, im kommenden Jahr noch mehr konstruktiven Journalismus zu erleben (hier sei Perspective Daily empfohlen) und Themen wie Gleichberechtigung, Antirassismus, Kinderrechte und Umweltschutz weiter im Fokus zu sehen. Außerdem würde ich gerne mehr erfahren zu neuen Vorkehrungen der Leipziger und Frankfurter Buchmesse zum verbesserten Schutz von Minderheiten. Und natürlich freue ich mich über eine große Menge toller Berichterstattung über unseren neuen Titel „Auch gut! – Neue Impulse zum Frausein, zu gesellschaftlichen Erwartungen und dem eigenen Timing ab 30” von Jennifer Klinge, der im März 2023 erscheinen wird.
Welchen Fehler aus diesem Jahr möchten Sie im kommenden Jahr vermeiden?
Mir zu viele Projekte aufzuladen und nicht auf die eigenen Grenzen und die eigene Energie zu achten.
Und welchen Fehler werden Sie trotzdem wiederholen?
Mir zu viele Projekte aufzuladen – aber mit einem fabelhaften Grenz- und Energiemanagement.
Welches Buch hat Ihnen in diesem Jahr besonders viel Freude gemacht?
Unser Titel “Vertrauen nach Fehlgeburt” von Rosa Koppelmann ist 2022 in erweiterter Neuauflage erschienen und hat sich dadurch weiter als Longseller in unserem Verlag etabliert.
Welches wird Ihr wichtigstes Buch im neuen Jahr?
„Auch gut! – Neue Impulse zum Frausein, zu gesellschaftlichen Erwartungen und dem eigenen Timing ab 30” von Jennifer Klinge – ein Buch, das die toxischen Narrative über junge Frauen thematisiert und zeigt, was wir dagegen tun können. Es vereint die drei wichtigen Themen Mental Health, Feminismus und den Kampf gegen das Patriarchat in einem Buch.
Von wem würden Sie gern auch mal die Antworten auf diesen Fragebogen lesen?
Jona Elisa Krützfeld vom akono Verlag.
Welche Frage, die wir nicht gestellt haben, hätten Sie eigentlich gern beantwortet?
Wofür sind Sie dieses Jahr dankbar?
Hier können Sie die auch beantworten:
Ich bin sehr dankbar für viel Kolleg*innen-Liebe in diesem Jahr. Herzliche Grüße gehen raus an Stefanie Jaksch von Kemayr & Scheriau, an Verena Schörner und Julia Loschelder von Komplett Media, an Laura Nerbel, Elena Straßl, Jessica Taso und Sarah Zechel vom &Töchter Verlag, an Jona Elisa Krützfeld vom akono Verlag, an Marie Franz vom Goldblatt Verlag, an Bettina Bergmann vom Ammian Verlag, an Literaturagentin Monika Kempf, an Schreibcoach Claudia Feldtenzer, an Josefine Podei, Celina Stehr und Susanne Schneider. Und an so viele mehr, die hier leider keinen Platz finden.
Gestern antwortete Matthias Kuhlemann, morgen fragen wir Manfred Metzner