
Saša Stanišić ist nicht nur erfolgreicher Buchautor, seit diesem Jahr unterstützt er als Schirmherr auch den Leseförderverein Mentor als Schirmherr, deren Unterstützer auch die Buchhandelsverbundgruppe eBuch ist, zu der BuchMarkt gehört. Zum heutigen Welttag des Buches 2025 will der Verein ganz besonders auf die entscheidende Rolle des Lesens aufmerksam machen. Wir haben mit Saša Stanišić über seine neue Rolle gesprochen und was er rät, um Kinder zum lesen zu animinieren.
BuchMarkt: Herr Stanišić, warum haben Sie sich dazu entschieden Schirmherr von MENTOR zu werden?
Saša Stanišić: Lesen ist für mich nach wie vor die wichtigste Kulturtechnik, aber leider als Fertigkeit heutzutage aus verschiedenen Gründen kein Selbstläufer. Die Idee von MENTOR, Lesen als eine 1:1-Begegnung zu inszenieren und auf lange Dauer zu setzen, hat sich in Vergangenheit als erfolgreich herausgestellt. Die Mischung aus persönlicher Verbindung und Zuwendung hätte auch der junge Saša – als er nach Deutschland kam und die Sprache erlernte – super gefunden. Und auch als jemand, der viel dem Lesen verdankt, fühlt es sich für mich nur richtig an, meine „Prominenz“ zu investieren, wenn ich dabei helfen kann, dass MENTOR bekannter wird und hoffentlich noch mehr Freiwillige findet, die sich auf die sehr dankbare Tätigkeit der Lesementor:innen einlassen.
Was möchten Sie als solcher erreichen und wie gehen Sie das an?
Ja eben vor allem zu mehr Sichtbarkeit von MENTOR sorgen, für eine Arbeit also, die nicht laut ist, aber wesentlich. Mein Beitrag sehe ich darin, Aufmerksamkeit auf das Projekt zu lenken, auf das Engagement der Mentor:innen, auf die Wirkung der 1:1-Förderung, und allgemeiner auch auf die Freude, die Lesen geben kann. Konkret möchte ich über den Verband sprechen, wo ich kann – auf Lesungen, in Gesprächen, in Interviews wie diesem.
Warum liegt Ihnen als Autor und Vater Leseförderung so am Herzen?
Mein Sohn ist zehn Jahre alt. Wenn wir zusammen lesen, dann geschieht zwischen uns mehr als bloßes Nachsprechen einer Geschichte. Wir unterhalten uns über die Welt, über Entscheidungen der Figuren, wir spinnen das Erzählte weiter. Das ist nicht nur schön, es ist wichtig, sich auf andere Perspektiven und Ideen einzulassen, die uns auch aus unseren oft tief wurzelnden Einstellungen und Milieus bewegen. Lesen heißt nicht nur Wörter aneinanderreihen können, sondern auch, sich selbst besser kennen- und andere verstehen lernen. Es heißt Sprache betreten, die größer und „anders“ ist, als die des eigenen Alltags – und das lässt die eigene Sprache wiederum wachsen. Gerade für Kinder, deren Biografie nicht voller Bücher steckt, kann das alles eine immens wertvolle Erfahrung sein. So war es jedenfalls bei mir in der ersten Zeit in Deutschland. Bücher waren Ausbruch aus der tristen Wirklichkeit des Flüchtlingdaseins, sie waren Fenster in andere Welten, deren Ausblicke mich motivierten, selbst aktiv zu werden und mich auf die mich umgebende Welt einzulassen.
Wie funktioniert Ihre interaktive Lesefördermethode und welche Erfahrungen haben Sie damit bisher gesammelt?
Ich weiß nicht, ob man das gleich „Methode“ nennen sollte, es handelt sich eher um ein weiterführendes Spiel mit dem vorhandenen Text. Wenn ich meinem Sohn vorlese, dann bleiben wir oft an Wörtern und Sätzen hängen. Ich lese nicht bloß vor, sondern unterbreche und stelle Fragen zu einem Begriff oder dem Handeln einer Figur. So ein „Warum macht er/sie das?“ zum Beispiel – da mich interessiert, wie mein Sohn die Motivation der Figuren versteht. Vor allem als er noch kleiner war, haben wir die Geschichten auch oft spontan geändert. Und gerade beim Erfinden von Geschichten gibt es für mich nichts Schöneres als vom Gegenüber die Antwort zu bekommen auf die Frage: „Was meinst du, wie könnte es jetzt weitergehen?“ So wird aus dem Vorlesen und Geschichtenerfinden ein Dialog, ein gemeinsames Erleben der Sprache.
Ich glaube, das Wichtigste ist, dem Kind die Sicherheit zu geben, dass jedes Buch/jede Geschichte auch ihm gehört, indem er sie liest. Die Lektüre ist Aneignung von Welt und Wissen, es ist Kommunizieren mit einem papiernen Gegenüber, der aber lebt und antwortet; es gibt wenig Schöneres, das Sprache vermag.
Welche Tipps haben Sie für Menschen, die sich ebenfalls in der Leseförderung engagieren möchten?
Man muss nicht glauben, gut lesen zu müssen, um beim Kind gut anzukommen. Eher man muss da sein und bereit, zuzuhören, Fragen zu beantworten, und vielleicht eben auch selbst Fragen zu stellen. Lesen mit einem Kind bedeutet auch neugierig sein, was das Kind mitnimmt aus dem Lesen. Es bedeutet auch, sich nicht entmutigen lassen, wenn das Kind mal nicht gleich Feuer fängt. Der entscheidende Moment ist ein eher unscheinbarer: wenn ein Kind zum ersten Mal fragt, wie es weitergeht. Also mein Tipp: Fangt an, probiert es aus. Werdet Mentor:innen. Es gibt nichts Wertvolleres, als gemeinsam ein Buch zu entdecken.
Die Fragen stellte Hanna Schönberg
Wie bereits am Telefon gesagt, hört der letzte Satz mittendrin auf.
… dabei eiunander …?
Danke für den Hinweis, ist korrigiert. Herzlich, Hanna Schönberg