Der Roman Kurt ist ein Meilenstein auf dem Weg, der die Schriftstellerin Sarah Kuttner zur Stimme ihrer Generation von jungen Frauen gemacht hat. Er ist nicht nur ein Höhepunkt der zeitgenössischen deutschen Literatur. Mit seinen neuen Qualitäten ist er auch als Wegweiser und konkrete Lebenshilfe für die vielen Leserinnen (und Leser!) empfehlenswert, die nach Antworten auf eine Frage suchen, die sie heute in besonderer Weise umtreibt – welche Fundamente es zum Leben in einer dauerhaft tragenden Partnerschaft braucht.
Sarah Kuttner hat ein außergewöhnliches Talent – eine spezielle Fähigkeit, mit der sie seit nunmehr zehn Jahren offenbar eine breitere, stabilere Leserschaft für sich gewonnen hat als andere deutsche Bestseller-Autorinnen. Diese Fähigkeit hat sie mit ihrem vierten Roman Kurt wieder unter Beweis gestellt.
Sie ist eine Schriftstellerin, die wie in persönlicher Zwillingsidentität mit modernen Frauen im Alter von dreißig und bis Mitte vierzig denkt, fühlt und schreibt. So hat sie es fertig gebracht, dass quasi eine ganze Generation moderner Leserinnen sich im Konflikt ihrer persönlichen Lebensträume und beruflichen bzw. sozialen Alltagsnöte unter den allgemeinen gesellschaftlichen Verunsicherungen in ihren Romanfiguren wiederzuerkennen glaubt.
Im jüngsten Roman hat Sarah Kuttner die bewährte schriftstellerische Arbeitsweise überzeugend weiterentwickelt. So hat sie zu einer künstlerischen Form gefunden, die ihrem thematischen Anliegen noch mehr Klarheit und Eindringlichkeit verschafft.
Damit ist Sarah Kuttner zu einer der bedeutsamsten Autorinnen unserer zeitgenössischen Literatur geworden – und für die vielen LeserInnen, die auf ihrer Suche nach Lebensorientierung zunehmend Romane als unersetzliches, authentisches Medium wahrnehmen, als Künstlerin zur Persönlichkeit, mit der sie sich augenscheinlich in noch höherem Maße als bisher schon zu identifizieren vermögen.
Als Journalistin hat sie begonnen, drängende Sorgen und Probleme ihrer Generation genauer zu beobachten, zu erkennen und auf einen Nenner zu bringen. Sie wurde zur Fernsehmoderatorin, die „ankam“, weil sie das, was sie erfasste, so klar, plastisch und unterhaltungswirksam auszudrücken wusste, dass vieles bis dahin unaussprechlich, verdrängt Privates laut werden konnte: auf vielleicht ähnliche Weise, wie gute Kabarettisten mit komödiantischem Witz und bitterböser Satire ihr Publikum zwischen Lachen und Weinen zur Selbstbesichtigung bespiegeln. Solche Stil- und Bildschirmformen hat Sarah Kuttner dann mit großem Erfolg in die Romane Mängelexemplare (2009, 600.000 verkaufte Exemplare); Wachstumsschmerzen (2011) und 180 ° Meer (2015) umgegossen.
Über sie ist Sarah Kuttner nun hinausgewachsen. Sie hat die sich oft verselbständigenden Fernseh-Show-Effekte und die mediengerecht „authentischen“ Moderatoren-Obertöne herausgenommen. Ihre Charaktere wirken eigendynamisch, echt, ihre Verhaltensweisen durchgängig transparent.
Auch hier geht es wieder um eine generationstypische Sehnsucht – das Verlangen nach „Familie“ – und die mit dieser Sehnsucht verbundenen Ängste – vor einem Scheitern der fest erhofften Partnerschaft. Das wird hier nun jedoch so unmittelbar erfasst und dargestellt, dass es exemplarisch und in der Lektüre nachvollziehbar wird: Sie bekommt in dieser „Erlebnisgeschichte“ einer jungen Frau für Leserinnen (und Leser!) eine geradezu existentielle Eindringlichkeit. Lena droht nach einer kurzen Anfangszeit himmelhochjauchzender gemeinsamer Glückseligkeit der Mann ihres Lebens – Kurt – abhanden zu kommen; denn nach einem furchtbaren Schickalsschlag – ein Unfall beraubt ihn seines sechsjährigen, gleichnamigen Sohnes (aus einer vorhergehenden Beziehung), der auch für Lena ein Quell des Lebens war – schottet er sich in seinem Leid ab. Lena steht vor der fast unmöglichen Herausforderung, Kurt aus seiner Isolierung zu befreien und die Beziehung auf einen neuen sicheren Boden zu retten, ohne sich persönlich selbst aufzugeben. Ihr entschlossener Gang zu diesem Ziel hin wird mit einer Umsicht aufgezeichnet, so wirklichkeitsnah, detailgenau und konstruktiv, dass hier eine beispielhafte „Lebenslinie“ sichtbar wird, die den Roman auch zu einem Ratgeber macht.
Werktäglich schreibt hier Gerhard Beckmann über „große Bücher“, für Ihre Gespräche mit Kunden, die auf der Suche sind nach besonderem und relevantem Lesestoff. An jedem Werktag (also montags bis Freitags) soll ein neuer Beitrag erscheinen, er plant dazu auch ein zusätzliches „Buch zum Sonntag“.
Die Idee dahinter haben wir beim Start der Serie erläutert: Im BuchMarkt und auf buchmarkt.de wollen wir „große Bücher“ klar und deutlich profilieren. Und damit auch die deutschsprachigen Verlage darauf hinweisen, dass Bücher in erster Linie ein durch nichts anderes zu ersetzendes Medium zur Kommunikation mit und unter Menschen und Lesern sind, mit denen unsere Verlage darum auch wieder so zu kommunizieren lernen müssen, dass diese Bücher von den Menschen und interessierten Lesern überhaupt gefunden werden können, als Orientierungshilfen für Buchhändlerinnen und Buchhändler, insbesondere denen, die im Ladengeschäft „an der Front“ stehen.