Bücher, die Buchhändler und Leser bereichern können „Erstmals richtig erzählt“: Ulinka Rublacks „Der Astronom und die Hexe. Johannes Kepler und seine Zeit“ (Klett-Cotta)

Erstmals richtig erzählt – eines der faszinierendsten Kapitel aus dem persönlichen Leben von Johannes Kepler, einem der berühmtesten Astronomen der Welt.

Vor genau 400 Jahren begann in Leonberg bei Stuttgart der Gerichtsprozess gegen die wegen Hexerei angeklagte Witwe  Katharina Kepler. Die Rolle des Verteidigers übernahm ihr  Sohn Johannes Kepler , der seine Forschungsarbeiten deshalb für ein ganzes Jahr unterbrach. Für dieses sensationelle Buch ist die Autorin Ulinka Rublack im November 2019 mit dem Deutschen Historikerpreis ausgezeichnet worden.

Im Januar 1620 kam die Vernehmung von 24 Zeugen in der Klage gegen Katharina Kepler in Leonberg zum Abschluss. Die Protokolle wurden an die Regierungskanzlei in  Stuttgart  geschickt.

Im August 1620 stand Johannes Kepler vor der größten Herausforderung seines Lebens: Seiner Mutter sollte, wie er durch einen überaschenden Brief eines Bruders erfuhr, der Prozess gemacht werden.

Als Wissenschaftler, der wegen seiner revolutionierenden neuen Erkenntnisse immer wieder von der Kirche – hauptsächlich, aber nicht nur der römischen –   misstrauisch beobachtet und verfolgt worden war, daheim in Tübingen, in Graz wie in Prag, hatte er  mit Anschuldigungen gegen die eigene Person umzugehen gelernt.  Die Vorwürfe gegen seine Mutter waren aber völlig anderer Natur. In diesem Fall ging es darum, das Leben einer Unschuldigen und Wehrlosen vor amtlich protegierter Mordlust aus  irrem Aberglauben zu retten. Und den Familien-Namen zu schützen, nicht zuletzt im eigenen persönlichen Interesse; denn falls seine Mutter als Hexe verurteilt würde, müsste er  auch für sich mit dem Schlimmsten rechnen – als einer der Astronomen, deren Schriften regelmäßig auf dem Index verbotener Bücher landete, hatte er sozusagen einen zweiten Sinn für das, was andere dachten und an ihm aussetzten . Ob er zum Beistand seiner Mutter also von seinem gegenwärtigen Arbeits- und Wohnort, dem oberösterreichischen Linz, ins würrtembergische Leonberg  reiste, oder nicht, war für ihn möglicherweise eine Frage von Leben oder Tod.

Johannes Kepler entschied sich für die Sohnespflicht, um die Verteidigung seiner Mutter zu übernehmen. Er “packte seinen Haushalt in Linz –einschließlich seiner Bücher und wissenschaftlichen Instrumente – zusammen“, machte sich mitsamt seiner Familie auf die Reise,  kam Ende September in Leonberg an und kam auch so schnell nicht wieder weg. Denn der Prozess zog sich über ein ganzes Jahr hin. Es war, auch wenn es am Ende gut ausging,  ein schlimmer Prozess, weil der Vogt des Herzogs von Württemberg all seine Mittel und Möglichkeiten einsetzte,  damit die 73jährige Witwe Katharina Kepler als Hexe verurteilt wurde. Was Johannes Kepler gelang, war eine meisterliche Leistung, auf die jeder Spitzenjurist hätte stolz sein können.

 

Es ist eine lange, überaus spannende und aufschlussreiche Geschichte, die den Astronomen Johannes Kepler in ein neues Licht rückt, die Ulinka Rublack hier  erzählt.  Seltsamerweise hat es vor ihr noch keiner getan. Denn es ist ja gerade wegen der Berühmtheit von Johannrs Kepler, dass die  vielen umfangreichen Gerichtsprotokolle über vier Jahrhunderte komplett und unversehrt erhalten geblieben sind.  Ulinka Ruckblack hat sie als erste vollständig ausgewertet und uns damit auch eine faszinierende neue Gesamtansicht des großen deutschen Astronomen geschenkt.  

  

Dank  ihres packenden Historiendramas kommt noch eine weitere, bislang gänzlich unbekannte gesellschaftliche Bedeutung Keplers zum Vorschein:In Deutschland wurden ab 1560 fast 25.000 Menschen  – darunter etwa 20.000 Frauen – wegen angeblicher Hexerei hingerichtet. Dass die Hexenverfolgung um 1700 endlich (nahezu)  aufgehört hat, war einem entschiedenen Kampf um Gerechtigkeit zu danken, für den Johannes Keplers Verteidigung seiner Mutter  beispielhaft war. Und Johannes Kepler er hatte Erfolg, weil er als von vielen Seiten her gefährdeter Ausnahme-Wissenschaftler seiner Zeit  ein besonderes Talent darin  entwickelt hatte, „Anfeindungen abzuwehren und sich in Streitgesprächen zu behaupten, indem er eisern an einer schlüssigen Argumentation festhielt und alle Vorwürfe Punkt für   Punkt widerlegte“.  Auf diese Weise  har er entscheidend zur Entwicklung einer modernen Rechtsordnung in unserem Land beigetragen.

Regelmäßig schreibt hier Gerhard Beckmann über „große Bücher“,  für Ihre Gespräche mit Kunden, die auf der Suche sind nach besonderem und relevantem Lesestoff.  

Die Idee dahinter haben wir beim Start der Serie erläutert: Im BuchMarkt und auf buchmarkt.de wollen wir „große Bücher“ klar und deutlich profilieren. Und damit auch die deutschsprachigen Verlage darauf hinweisen, dass Bücher in erster Linie ein durch nichts anderes zu ersetzendes Medium zur Kommunikation mit und unter Menschen und Lesern ist, mit denen unsere Verlage  darum auch wieder so zu kommunizieren lernen müssen, dass diese Bücher von den Menschen und interessierten Lesern überhaupt gefunden werden können, als Orientierungshilfen für Buchhändlerinnen und Buchhändler, insbesondere denen, die im Ladengeschäft „an der Front“ stehen. 

Zuletzt schrieb Gerhard Beckmann über Durchblicke von C.S. Lewis

 

Kommentare (1)
  1. Normalerweise stelle ich mir zu Beginn eines Jahres eine Leseliste zusammen und lese dann so ungefähr all diese Bücher im Laufe der Zeit.
    Danke, Herr Beckmann, ich muss mir jetzt nicht mehr den Kopf zerbrechen, sondern lese eins nach dem anderen die von Ihnen so faszinierend und überzeugend vorgestellten Werke, die ja auch ganz unterschiedlich sind. Vielen Dank!
    Maria Regina Kaiser

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