Die Rechte-Kolumne Rainer Dresen: „Esra“: erfreuliche Klageabweisung

Das Oberlandesgericht München hat in einer gestern veröffentlichten Entscheidung das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts München aufgehoben. Dieses hatte bekanntlich Maxim Biller und seinen Verlag Kiepenheuer & Witsch zur Zahlung von 50.000 Euro Schmerzensgeld an die ehemalige, im Buch vorkommende Freundin verurteilt, nachdem deren Persönlichkeitsrechtsverletzung letztinstanzlich vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden war.

Zur Begründung der aus Verlags- und Autorensicht höchst erfreulichen Klageabweisung wurden vor allem drei Argumente genannt, die allerdings unterschiedlich plausibel scheinen:

Ein eher schwaches Argument ist, dass bei der Erstveröffentlichung des umstrittenen Romans die nunmehr höchstrichterlich bekräftigten strengen Grundsätze zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen in Romanen weder Verlag noch Autor bekannt gewesen seien. Das Argument überzeugt deshalb nicht so recht, da die Verbotsentscheidungen aller Instanzen gegen „Esra“ weitgehend die Jahrzehnte alten, bekannten „Mephisto“-Grundsätze lediglich akzentuiert, aber nicht revidiert haben.

Sehr überzeugend aber war das zweite richterliche Argument: Angesichts der vergleichsweise geringen Druckauflage von rund 4.000 Exemplaren, die auch längst nicht alle vor Wirksamwerden des Buchverbotes verkauft waren, erschien ein Schmerzensgeldbetrag von 50.000 Euro als deutlich überhöht. Dem kann man nur beipflichten, denn selbst dann, wenn Boulevardzeitungen mit ihren Millionenauflagen vorsätzlich Persönlichkeitsrechte verletzen, werden selten Beträge von 50.000 Euro oder mehr ausgeurteilt.

Das wichtigste Argument, das nicht nur zu einer Ermäßigung des erstinstanzlichen Urteilsbetrages, sondern zu dessen vollständiger Abweisung führte, aber könnte fast einer früheren Kolumne entnommen sein: http://www.buchmarkt.de/archiv/index.php?mod=news&q=esra+dresen&seite=7&page=22589:

Das OLG stellte völlig zu Recht fest, was offenkundig ist, „Esra“ ist ein Roman und war von Autor und Verlag genau als solcher und nicht als sachbuchartige Abrechnung mit Freundin und deren Mutter gewollt. Damit streitet nun endlich auf dieser Ebene stark und entscheidend die Kunstfreiheit für dieses Werk: Wer Kunst schaffen will, der begeht vielleicht eine „einfache“ Persönlichkeitsrechtsverletzung, dem fehlt jedoch der Vorsatz zu einer gravierenden Rechtsverletzung. Mangels Schuldhaftigkeit aber entfällt dann auch die Schmerzensgeldverpflichtung.

Insgesamt gesehen bestätigt dieses richtige Urteil die richterlichen Tendenzen der letzten Jahre: Immer schneller und leichter werden heutzutage Bücher, vor allem Sachbücher, ganz vereinzelt aber auch Romane, verboten. Bei der Zuerkennung von darüber hinausgehenden Geldentschädigungsansprüchen hingegen sind die Gerichte weiterhin sehr restriktiv.

Verlage und Autoren können das Urteil nur uneingeschränkt begrüßen, wird doch so sichergestellt, dass es auch weiterhin sehr schwer ist, um kommerzieller Interessen willen Bücher verbieten zu lassen.

Rainer Dresen arbeitet als Rechtsanwalt und Verlagsjustitiar in München auf dem Gebiet des Urheber- und Medienrechts. Mail: Dresen-Kolumne@freenet.de

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