Egon Ammann nimmt zu Plagiatsvorwürfen Stellung

Die Plagiatsvorwürfe gegen Eric-Emmanuel Schmitt haben jetzt Verleger Egon Ammann zu einer öffentlichen Reaktion veranlasst. Zudem ist im „Tages-Anzeiger“ von Martin Ebel ein Beitrag zur Debatte um Schmitt erschienen, der auf der Homepage des Ammann Verlages nachzulesen ist www.ammann.ch.

Hier die Stellungnahme von Egon Ammann:

Monsieur Ibrahim und die Folgen
Eric-Emmanuel Schmitt und sein Erfolgsbuch

Erbsenzählerinnen und selbstsichere Hüter literaturästhetischer Massstäbe vermeinen herausgefunden zu haben, dass zwischen zwei Erfolgsbüchern aus Frankreich, demjenigen von Eric-Emmanuel Schmitt, erschienen auf Deutsch 2002 – Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran – und demjenigen von Emile Ajar, erschienen auf Deutsch 1977 – Du hast das Leben noch vor dir – so zwingende Parallelen bestünden, dass sie das erstere in die hautnahe Nähe des Plagiats des zweiten rücken. Ein anwaltlich auftretender iranisch-deutscher Poet bekräftigt justiziabel, seine Legitimation in dieser Sache ist mir jedoch nicht bekannt, die im Raum stehende Spekulation. Ein Filmemacher spitzt seine Fragen an den Autor so zu, dass man von fehlendem Respekt dieses Filmemachers gegenüber dem Autor Schmitt sprechen muss. – Soweit die künstlich heraufbeschworene Nachgeschichte zu einem verdienten Bucherfolg.

Was hat es mit den beiden Büchern auf sich. Zuerst einmal ist festzustellen, dass beide Geschichten im, salopp gesagt, Pariser Soukh angesiedelt sind. Das Personal beider Erzählungen ist nun mal dasjenige dieser Viertel, es ist sich seit Jahrzehnten bis auf den heutigen Tag gleich geblieben. In beiden Büchern wird es entsprechend abgebildet.

Was die Bücher grundsätzlich voneinander unterscheidet, ist die Ausrichtung der beiden Texte. Begleitet bei Monsieur Ibrahim die Titelfigur, ein alter Muslim, einen jüdischen Jungen in dessen Leben, ist es bei Ajar ein muslimischer Junge, der seine alte jüdische ‚Ziehmutter‘ in deren Tod begleitet. Hier von Parallelen oder Ausbeutung des einen durch den andern zu sprechen, ist verfehlt.

Dass beide Bücher, Ajar wie Schmitt, von einem grossen Lesepublikum begeistert und dankbar an- und aufgenommen worden sind, sowohl in Frankreich wie in Deutschland, spricht für die Erzählkunst der beiden Autoren. Der eine ist ausführlicher und breiter – Ajar –, der andere – Schmitt – knapp und konzise. Beide Autoren sind gebildete Menschen, die mit offenen Augen in ihrem Paris gelebt haben und leben und dort entsprechend die Topoi und die Erzählsprache ihrer Geschichten gefunden haben und finden, und diese Tatsache taugt beim bösest-schwärzesten Willen nicht als Grundlage für einen Plagiatsvorwurf.

Eric-Emmanuel Schmitt hat es nicht nötig, stoffliche Anleihen bei seinen Kolleginnen und Kollegen zu machen. Wer sein Werk, das dramatische wie das erzählerische kennt, ist beeindruckt von seiner intellektuellen und ästhetischen Kreativität, die sich auf alle Seiten hin exponiert und stets dem tiefinneren Sinn – und Unsinn – des Lebens auf der Spur ist.

Steckt hinter der ganzen Attacke auf einen interessanten Autor, Schmitt, und sein wunderbares Buch, Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran, gerade wegen dessen überwältigendem Erfolg, etwas anderes? Ich bin geneigt, dies anzunehmen. Jedenfalls ist die Weltwoche, von wo aus der Vorgang seinen Lauf nahm, Skandälchen zugeneigt, wie das Blatt selbst sich zunehmend darstellt, und sie nimmt, entgegen ihrer bewährten Tradition, Provokation um der Provokation willen wahr. Und in der Hamburger Zeit druckt man gerne, was Frau Elke Heidenreich, tatsächlich eine gebildete und damit unverbildete, eine für die Literatur offene und sie liebende Leserin, was sie mit ihrem persönlichen Engagement für die Literatur und als Autorin mit ihren Büchern immer wieder beweist, schaden könnte und explizit schaden soll. Wirkungslos bleiben die einen, unsere Gütesiegel-Wahrer, nachhaltig folgenreich die andern, Frau Heidenreich. Ist das ausreichend, einen bitteren Stachel zu hegen? Unbenommen sind subjektiv ästhetische Urteile, ja diese werden erwartet – nur, bitte, ohne Häme und mit dem gebührenden Respekt vor dem Grösseren, hier der Literatur.

In einem filmischen Beitrag von wenigen Minuten kann nur eine Sicht auf den Vorgang geboten werden, und auch hier ist die Tendenz deutlich Richtung Anklage festzustellen. Das Buch von Emile Ajar, wie in diesem Beitrag behauptet wird, sei seit Jahren nicht mehr lieferbar, ist nachweislich falsch. Im März 2002, nota bene im selben Jahr wie unser Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran, ist es in einem angesehenen deutschen Taschenbuch Verlag unbemerkt neu aufgelegt worden. Das zu überprüfen, ist niemandem eingefallen, man kapriziert sich auf die erste deutschsprachige Veröffentlichung im S. Fischer Verlag, die im Jahre 1977 erfolgte, vor langer Zeit also, als die jetzt auftretenden Empörungs-Solisten noch in Röckchen oder Strampelhosen durch die Welt spazierten. Allein dieser Sachverhalt zeigt, wie oberflächlich die Aufdeckung einer unerhörten Begebenheit vonstatten ging und an der Reputation eines Erfolgsautors mit Absicht, um hier nicht Neid hinzusetzen, gekratzt wird.

Abschliessend sei mir erlaubt festzuhalten, dass wir Leserinnen und Leser, wir Liebhaber und Partisanen der guten Literatur, es zunehmend mit lebensunerfahrenen, sich spreizend aufspielenden Kritikern und Vermittlern zu tun haben – die zum Glück immer noch beachtlichen Ausnahmen bestätigen nicht nur die Regel, sie mögen mir das hier geübte Generalisieren nachsehen – deren Anliegen es augenfällig ist, sich selbst ins Licht zu rücken und das einer Sache Dienen, was etwas mit sich zurücknehmen und lieben zu tun hat, nie gelernt, geschweige denn als Lebenshaltung erprobt haben. Dass sie selbst an dem Ast sägen, auf dem sie so bequem und wohltemperiert eingerichtet selbstgefällig sitzen, ist ihnen dabei noch nicht aufgegangen. Wie manches gute ja hervorragend literarische und notwendige Buch ist ohne die geringste Beachtung durch die Kritik von den verschiedensten Verlagshäusern still vor sich hin publiziert worden? Die Zahl dürfte annähernd Legion sein.

Aber: wir sind lernfähige Wesen, und einige von uns gutmütig. Darauf ist zu bauen, dass man sich nach diesem unsinnigen Versuch der Herabminderung eines höchst anregenden Autors neu zu Gesprächen über Literatur zusammenrauft und -findet.

Egon Ammann

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