Danach fragen Kunden Umgeblättert heute: Alexander Kluge zum 90. Geburtstag

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:

 

„Unser Ein-Mann-Nachrichtendienst“: Ein hoch organisierter literarischer Sozialarbeiter: Zum Neunzigsten des Schriftstellers und Filmemachers Alexander Kluge. „Seine Bücher wollen nicht durchgelesen werden, sondern hie und da aufgeschlagen, durchgeblättert wie ein Magazin, stellenweise diskutiert oder fortgesponnen. Man kann sie nicht zusammenfassen. Man kann trotz der Anmutung von Chronik und Lagebericht nicht einmal sagen, wo sie von Geschehenem und wo von bloßen Möglichkeiten handeln. Das teilt die Leserschaft, der wenig Chancen geboten werden, sich in jemanden einzufühlen, und die auch wenig moralische Stärkung erhält. Dafür bekommt, wer darauf nicht besteht, viel Stoff zum Nachdenken, im Grunde mehr, als verarbeitet werden kann. Woraus sich kein Vorwurf machen lässt, im Gegenteil.“

„Die Ein-Mann-Guerilla“: Keiner operiert wie er im Zwischenreich der Rationalität: Zum Geburtstag des Geschichtenerzählers Alexander Kluge. „Tausende Seiten hat Kluge in sechzig Jahren geschrieben. Er liefert damit die Bedingungen der Möglichkeit, und der Leser, die Leserin ist angehalten, die Skizze auszumalen, den Entwurf zum Bau zu vollenden, einfach daran weiterzuarbeiten, so wie er es seit je mit seinen Geschichten macht. Sie dürfen sich nicht zu einem Ganzen fügen und sich vor allem nicht an die Wirklichkeit verraten.“

„Von der Kunst des vertikalen Erzählens“: Kluges Kommentare auf das eigene Leben. „Gleich zwei aktuelle Kluge-Bücher tragen diese Form im Titel: Das Buch der Kommentare. Unruhiger Garten der Seele und Zirkus Kommentar. Beide sind in hohem Grade von Selbstauskünften durchsetzt. Teile einer großen Konfession, gar einer Autobiografie sind sie nicht. Wohl aber Anwendungen des Prinzips Kommentar auf das eigene Leben.“
Alexander Kluge, Das Buch der Kommentare. Unruhiger Garten der Seele (Suhrkamp Verlag)
Alexander Kluge, Zirkus Kommentar (Suhrkamp Verlag)

„Die Übel eines humanen Krieges“: Samuel Moyns behauptet, dass sich die USA seit 9/11 in einer Dauerschlacht gegen den Terror befinden, gerade weil diesem Krieg ein humaner Anstrich verpasst wurde. Das ist brillant erzählt – führt aber zur Hollywoodisierung des modernen Kriegsvölkerrechts. „Wie bereits in früheren Veröffentlichungen gelingt es dem Autor auch mit diesem Buch in eindrucksvoller Weise, ein sperriges, ja sprödes Thema für ein größeres Publikum aufzubereiten. (…) Nimmt man Humane als Geschichtsschreibung ernst, was man unbedingt tun sollte, wird aber klar, welcher Preis für die betont pointierende Erzählweise zu entrichten ist. Dieser liegt darin, dass das eigentliche Kriegsvölkerrecht in Moyns Ideengeschichte kaum eine Rolle spielt, sondern es letztlich nur eine Bühne für intellektuelle Kontroversen und Konzepte abgibt.“
Samuel Moyn, Humane. How the United States Abandoned Peace and Reinvented War (Farrar, Straus and Giroux)

„Almanach voller Analysen“: Der Atlas der Zukunft lädt ein zu einer enzyklopädischen Reise. „‚Populisten und Schreihälse‘, die ja eh wenig lesen, würden sich über diese Lektüre ärgern. Die zwei Autoren haben nämlich umfassend recherchiert und belegen ihre differenziert formulierten Aussagen anhand glaubwürdiger Medien, zumeist mit wissenschaftlichen Publikationen. Zusätzlich ergänzen sie ihre Beiträge teils durch persönliche Erfahrungen.“
Ian Goldin, Robert Muggah, Atlas der Zukunft. 100 Karten, um die nächsten 100 Jahre zu überleben (aus dem Englischen von Tobias Rothenbücher; Dumont-Verlag)

 

„Der Walfisch“: Von der tanzenden Bewegung seiner Gedanken: Alexander Kluge zum 90. Geburtstag. „Die vier Musketiere der einstigen Suhrkamp-Kultur waren Hans Magnus Enzensberger (11.11.1929), Jürgen Habermas (18.6.1929), Alexander Kluge (14.2.1932) und Martin Walser (24.3.1927). Heute feiert auch Alexander Kluge, der d’Artagnan der Gruppe, seinen 90. Geburtstag.“

„Die gefährliche Stille des Wattenmeers“: Mathijs Deens stimmungsvoller Kriminalroman Der Holländer. „Der Holländer ist kein dicker Roman. Trotzdem liest er sich unaufgeregt, hat man das Gefühl, dass der Autor sich nicht hetzen lässt – ohne umgekehrt an irgendeiner Stelle geschwätzig zu werden. Und am Ende hat die Bergwanderin einiges gelernt, über die Gefahren wie die dunklen Schönheiten des Watts.“
Mathijs Deen, Der Holländer (aus dem Niederländischen von Andreas Ecke; Mareverlag)

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