Danach fragen Kunden Umgeblättert heute: „Ein bebendes Buch“

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:

 

„Was sagen Hendrix, Cohen oder Lennon?“: Prall gefüllt mit Stars und Tönen: David Mitchells Musikroman Utopia Avenue erzählt von einer fiktiven Band in den realen Sechzigern. „Das Beste an diesem Popmusik-Roman ist, dass die Musik selbst im Mittelpunkt steht und detailliert vergegenwärtigt wird. Mitchell erfindet drei komplette Alben von Utopia Avenue und beschreibt deren Stücke mit so viel Raffinement, dass man am Ende des Romans meint, sie gehört zu haben.“

  • David Mitchell, Utopia Avenue (aus dem Englischen von Volker Oldenburg; Rowohlt)

„Pixel für Pixel wird die Vergangenheit rekonstruiert“: Wachsende Bredouille: „ein vibrierendes kind“, die nachgelassenen Erinnerungsminiaturen des iranisch-deutschen Dichters SAID. „Groß ist das Erstaunen, sobald man das Buch aufschlägt. Als nachgelassener Roman wird es vom Verlag bezeichnet, und so erwartet man Memoiren, Blocksatz, Prosa von der Zeit des letzten persischen Schahs. Stattdessen flirren über die Buchseiten gedichtähnliche, mit willkürlich wirkenden, zickzackartigen Einzügen versehene Notate, viele kürzer, keines länger als eine Seite. Ein bebendes Buch.“

  • SAID, Ein vibrierendes Kind. Erinnerungen an eine persische Kindheit (C.H. Beck)

„Nach dem Abendland“: Friedrich Sieburgs Tagebuch von 1944/45. „Friedrich Sieburg ist kein großer Name mehr. Doch war er es einmal. In den Zwanzigerjahren Pariskorrespondent der Frankfurter Zeitung, hatte er sich hohes Ansehen in Deutschland und Frankreich erworben. Er war weltgewandt, gebildet, seine Bücher wurden viel gelesen. Auch nach 1933 schrieb er weiter, machte Reisen im Auftrag des Auswärtigen Amtes, 1940 arbeitet er für anderthalb Jahre an der deutschen Botschaft in Paris. Noch einmal schloss er sich der Frankfurter Zeitung an; als sie 1943 geschlossen wurde, zog er nach Rübgarten bei Tübingen, wo seine Frau ein Schlösschen besaß. Was hat ein solcher Mann in einem Tagebuch der letzten Kriegsmonate, das jetzt erschienen ist, zu sagen?“

  • Friedrich Sieburg, Die Fliege im Bernstein. Tagebuch vom November 1944 bis zum Mai 1945 (Hg. und mit einem Nachwort von Joachim Kersten unter Mitarbeit von Klaus Deinet; Wallstein)

„Dietmar Dath, Redakteur im Feuilleton dieser Zeitung, hat zum fünfundsiebzigsten Geburtstag des Schriftstellers Stephen King eine kurze Einführung in dessen Werk und Leben verfasst. Das Büchlein bietet außer einer kompakten Gesamtschau auch einen Versuch an, das Rätsel zu lösen, wie einer der größten Schöpfer unheimlicher und Grauen erregender Phantastik unserer Zeit zugleich einer ihrer weltzugewandtesten Realisten werden konnte. Wer zu denen gehört, die King seine Millionenauflagen verschafft haben, wird hier Übersicht und Querverweise schätzen; wer dagegen noch nie ein Buch von King gelesen hat, aber Literatur liebt, wird erfahren, warum es ein Fehler ist, diesen Erzähler zu ignorieren.“

Dietmar Dath, Stephen King. 100 Seiten (Reclam Verlag)

„Der König von Madrid“: Javier Marías rückte die spanische Literatur wieder ins Zentrum des internationalen Interesses. Zum Tod des bedeutendsten spanischen Schriftstellers der Nach-Franco-Ära. „Trotz des internationalen Flairs seiner Romane, die sie einer globalen Leserschaft unmittelbar zugänglich machten, gibt es sehr viele genuin spanische Elemente in den Texten. Die berühmteste Szene in Mein Herz so weiß bietet einen unvergesslichen Dialog zwischen einer namenlosen britischen Regierungschefin (Margaret Thatcher?) und einem spanischen Ministerpräsidenten (Felipe González?), die durch die Frechheit ihrer gelangweilten Übersetzer zu einem überraschend persönlichen Gespräch verführt werden.Das daraus resultierende schallende Gelächter des Lesers kann nur größte Literatur produzieren, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt.“

„Fliege auf der Stirn“: Unser Bild von der Geschichte: Der Kunsthistoriker Peter Geimer untersucht den Blick auf das Gewesene. „Es stimmt, Vergangenheit ist unbeobachtbar. Und die Geschichten, die darüber erzählt werden, mit Worten oder in Bildern, entstehen im Dazwischen, entstehen in den Bezugnahmen zwischen all denjenigen, die beständig dieses Unsichtbare im Blick behalten.“

  • Peter Geimer, Die Farben der Vergangenheit. Wie Geschichte zu Bildern wird (C.H. Beck)

„Die Ungewissheit der Dinge, die Verlässlichkeit des Papiers“: Zum viel zu frühen Tod von Javier Marías, von dessen Romanwerk Menschen noch lange werden zehren können. „Einen Nachruf auf einen Autor zu schreiben, bedeutet vom Ende her zu denken, das Werk im Ganzen zu betrachten. Eigentlich hätte es erst in wenigen Wochen in vielen deutschen Zeitungen neue Artikel über ihn geben müssen. Da hätte es heißen können, der große spanische Schriftsteller hat ein neues Meisterwerk vorgelegt. Zum Spanien-Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse, am 12. Oktober, wird sein Roman Tomás Nevinson in der Übersetzung von Susanne Lange bei S. Fischer erscheinen.“

„Menschenleben? Es ist doch für ein höheres Ziel“: Oliver Bottinis politischer Thriller Noch einmal sterben über die Lügen, die den Irakkrieg begründeten. „Am Ende steht die Leserin mit mehr Fragen als Antworten da, das liegt in der Natur der Sache – und Oliver Bottini war noch nie ein Vereinfacher.“

  • Oliver Bottini, Einmal noch sterben. Roman (Dumont)

„Alle Nachrichten schwarz wie Pech“: Ilma Rakusa blickt in ihrem Gedichtband Kein Tag ohne auf Corona-Blues und Krieg, dazu gibt es fünf Prozent Glückseligkeit. „Waffen und Krankheiten können Menschen trennen, aber diese einfachen Worte stiften Gemeinschaft. Auch Wirklichkeit und Möglichkeit, Wunde und Wunder lagen selten so nah beieinander wie in diesem Band, der eine bewegende Suche nach dem äußeren und inneren Frieden ist.“

  • Ilma Rakusa, Kein Tag ohne. Gedichte (Droschl)
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