Danach fragen Kunden Umgeblättert heute: „Von süß bis bitter und wieder zurück“

Jeden Morgen blättern wir für Sie durch die Feuilletons der führenden Tageszeitungen – damit Sie schnell einen Überblick haben, wenn Kunden ein bestimmtes Buch suchen oder Sie nach einer Idee für einen aktuellen Büchertisch:

  • „Sie kam nicht aus Afrika“: Natasha Browns Roman Zusammenkunft stellt der britischen Klassengesellschaft eine harte Diagnose. „Es sind nur 113 Seiten, gedruckt mit viel Raum dazwischen. Das gibt Luft zum Durchatmen angesichts der scharfkantigen Sätze, die Jackie Thomae in die deutsche Übersetzung geholt hat. Die ständigen Abbrüche und Neuansätze im Buch könnten den Eindruck entstehen lassen, dass Brown kein kontinuierliches Er­zählen gelinge. Sie lassen sich aber besser als ein Stilmittel verstehen für das zer­brochene Selbstverständnis ihrer Protagonistin, der kein Vertrauen in eine eigene Erzählung, keine Legitimation für das Dasein in dieser großen Nation und ihrer verfestigten Gesellschaftsordnung zur Verfügung steht.“
    Natasha Brown, Zusammenkunft (aus dem Englischen von Jackie Thomae; Suhrkamp Verlag)
  • „Mit Aufbackviennoiserien lässt sich auch leben“: Schicksalsjahre einer Konsumentin: Verena Roßbachers komisches Meisterwerk Mon Chéri. „Das wirkliche Wunder, das Mon Chéri vollbringt, ist, dass der komischste Roman der Saison nicht im Stadium des Ironischen stecken bleibt, das ja bekanntlich eine Distanzierungsmasche von Angsthasen ist. Nein, Mon Chéri ist das Buch mit der Piemont-Kirsche, und es geht den Weg des Komischen zu Ende: von süß bis bitter und wieder zurück. Es erzählt uns, dass das Leben ein Witz ist, wenn es den Tod nicht mitdenkt.“
    Verena Roßbacher, Mon Chéri und unsere demolierten Seelen (Verlag Kiepenheuer & Witsch)
  • „Zwischen den Städten“: Eine Studie zur Zeitschrift „Die Schwarze Botin“. „Lux arbeitet die Gründungsgeschichte der ‚Botin‘ als Gegenblatt zu ‚Courage‘ und ‚Emma‘ heraus, denen die Autorinnen der ‚Botin‘, darunter Elfriede Jelinek und Silvia Bovenschen, Theorieverachtung und Geschichtsvergessenheit vorwarfen.“
    Katharina Lux, Kritik und Konflikt. Die Zeitschrift die schwarze Botin in der autonomen Frauenbewegung (Mandelbaum Verlag)
  • „Über die Dörfer“: Martin Kämpchen, in Indien lebender regelmäßiger Beiträger im Feuilleton der F.A.Z., hat eine Autobiographie vorgelegt. „Es galt für ihn, den Blick auf eine fremde Welt zu kultivieren ebenso wie deren Wahrnehmung von innen – um die Verknüpfung beider Perspektiven kreisen Kämpchens Bemühungen, von denen er in seinem Buch berichtet und dabei auch selbstkritische Reflexionen nicht ausspart.“
    Martin Kämpchen, Mein Indien. Zwischen den Kulturen zu Hause (Patmos Verlag)
  • „Plötzlich steht die Existenz in Frage“: Die Stadt Leipzig schädigt durch ein neues Etatvergabeverfahren ihre lokalen Buchhändler. „Peter Hinke, der in Leipzig die Connewitzer Verlagsbuchhandlung und die Buchhandlung Wörtersee betreibt, brauchte einige Stunden, um sich durch die Ver­gabeunterlagen zu pflügen, die seit dem 22. April – passenderweise Vortag des UNESCO-Welttags des Buches – digital zugänglich sind. Für die heute noch knapp dreißig zumeist inhabergeführten Leipziger Buchhandlungen sind die zwei Dutzend Dateien in trockenem Amtsdeutsch eine echte Hiobsbotschaft: Die Leipziger Städtischen Bibliotheken, formal dem Kulturamt unterstellt, schreiben ihre Etats für die Jahre 2023 bis 2026 europaweit aus.“

  • „Fröhliche Vernachlässigung“: Christiane Hoffmann hat auf den Spuren der Flucht ihres Vaters eine therapeutische Wanderung von Ost nach West unternommen. „Hoffmanns Buch ist eigentlich eine Selbsttherapie; es wechselt formal zwischen einem Monolog einer in sich hineinhorchenden, allmählich älter werdenden Tochter, der sich an den toten Vater richtet, und der subjektiven Reportage einer genau beobachtenden Reporterin, die vor allem durch die Wiedergabe von Gelegenheitsgesprächen Atmosphärisches heraufbeschwört, das hin und wieder große Geschichte erklärt.“
    Christiane Hoffmann, Alles, was wir nicht erinnern. Zu Fuß auf dem Fluchtweg meines Vaters (Verlag C.H. Beck)
  • „Industrielle Athleten“: Warum leiden so viele Menschen unter ihrer Arbeit?

    An der University of Essex untersucht die 29-jährige Philosophin Amelia Horgan aus Perspektive feministischer und Kritischer Theorie die Probleme von Arbeitern und Arbeiterinnen im Kapitalismus.

  • „Dieses Ende ist so hell, dass man sich eine Sonnenbrille aufsetzen muss“: Für Wolfgang Ullrich soll die Kunst bitte endlich aufhören, so unnütz zu sein – und sich zum Kuscheln mit nach Hause nehmen lassen. Ernsthaft? „Die Pointe des Buches liegt aber gerade in der Bewertung: überschaubare, banale Rezeptionsereignisse werden durchweg dichten, spannenden, pointenreichen vorgezogen. Originell ist nur die hier entworfene Koalition, die was Ampeliges hat: linke Aktivisten und rechte Marktfans kommen in der realen Kunstwelt nicht zusammen, niemand, der die Ziele des Aktivismus unterstützt, kann die der Kommerzialisierung unterstützen und umgekehrt – Ullrichs Pointe: er findet beides trefflich und glaubt, dass andere ihm beipflichten.“
    Wolfgang Ullrich, Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie (Wagenbach-Verlag)

 

 

  • „Fabelhafter Koloss“ erstmals auf Deutsch: Louis Ginzberg: Die Legenden der Juden. Hrsg. v. Andreas Kilcher/ Joanna Nowotny (Jüdischer Verlag) /Suhrkamp
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