Die Verlagsgruppen Hachette (USA) und Bonnier (Deutschland) halten, was Details ihrer Auseinandersetzungen mit Amazon [mehr…] betrifft, dicht, was durchaus verständlich ist und in ihrem eigenen Interesse liegt, wenngleich solches Schweigen von Amazon erzwungen scheint und vor allem der Förderung amazonischer Interessen dient.
Wir wissen folglich gar nicht so genau, um was es alles da in Wirklichkeit alles geht. Das ist umso bedauerlicher, als die dort anstehenden kritischen Punkte ja nicht nur Hachette und Bonnier angehen, sondern – weil es sich sozusagen um Versuchsballons handelt, mit denen Amazon künftiges Allgemein-Verhalten vorexerziert – alle Verlage und den gesamten Buchhandel affiziert.
Es ist darum von höchster Bedeutung, dass das britische Branchenmagazin The Bookseller diese Schweigemauer nun durchbrochen hat. Wie? Nun, es hat von dem einen oder anderen Verlag gehört, dass Amazon ihnen neuerlich Dinge abverlangt, die absolut unzumutbar sind – ihnen aber auch diesmal wieder absolutes Stillschweigen oktroyiert: Sie dürfen, unter Androhung von Sanktionen, wie sie gegenüber Hachette und Bonniers ruchbar geworden sind, nichts davon erzählen, was der Online-Konzern nun auch noch von ihnen will. Hier hat der Herausgeber des Bookseller einen Weg gefunden, ihnen aus dem Dilemma – der wiederum unzumutbaren, von Amazon angelegten Daumenschraube – der Schweigepflicht herauszuhelfen: Er hat den Verlegern, die den Mund aufmachen wollen, absolute Anonymität zugesagt. Und Philip Jones, dieser Herausgeber und Chefredakteur, genießt, gottlob, offenbar so viel Vertrauen, dass ihm viele tatsächlich vertrauen.
Diese Aktion hat Neues zutage gefördert. Dass Amazon gegen Verlage von Staat zu Staat unterschiedlich vorgeht, hat schon ein Vergleich der Geschichten um Hachette und Bonnier gezeigt. Hier wird er bestätigt. Das neue Beispiel beweist aber noch etwas Anderes: Dass Amazon es, je nach Einschätzung der Möglichkeiten, die ihm in einem Land gegeben scheinen, immer weiter und immer ärger treibt.
So verlangt Amazon nun etwa von den Verlagen. eine Klausel zu unterschreiben, die den Onliner dazu berechtigen, dass, „sollte ein Titel bei einem Verlag nicht mehr lieferbar sein, Amazon mit Hilfe seiner eigenen Publishing-on-Demand-Techniken den Kunden eigens hergestellte Exemplare verkaufen kann“! Und damit deutet sich eine Zielrichtung an, so folgert Philip Jones, mit der Amazon ein beträchtliches Maß an Kontrolle über die Lagerhaltung und das Marketing der Verlage gewönne.
Die Forderung des Versenders betrifft aber auch Urheberrechtsfragen und Autoren. „Kein Unternehmen“, schreibt darum auch die Geschäftsführerin der britischen Society of Authors, Nicola Solomon, „sollte eine derartige Vorrangstellung haben oder in so hohem Grade die beherrschende Antriebsmacht einer ganzen Branche sein dürfen.“
Wer Amazon beobachtet, muss endlich eine Frage stellen: Wie kann es sein, dass Verlage schweigen, auch wenn sie zur Unterschrift zu Klauseln gezwungen werden, die einen Rechtsbruch darstellen? Und, noch grundsätzlicher: Wie kann ein Rechtsstaat ein Unternehmen gewähren lassen, das eine Erfolgspolitik betreibt, die wissentlich Gesetzesbruch voraussetzt?