Wenn jährlich anstehende Zahlungsaufforderungen einmal nicht, wie gewohnt, pünktlich eintrudeln, wird es niemanden grämen. Die deutschen Verlage mag es freilich wundern, dass sie jetzt nicht, wie alle Jahre wieder, im September vom MVB Post mit der Rechnung über ihre VlB-Gebühren erhalten.
Keine Angst! Sie wird schon noch kommen. Aber erst im Oktober, nach dem 17. Sie wird eben erst nach der Frankfurter Buchmesse bei ihnen eintreffen.
Es gibt weiteren Grund zur Beruhigung: Nein, beim MVB ist keinesfalls schon wieder einmal etwas schiefgelaufen. Er hat wirklich alles im Griff. Die ganze Sache läuft ganz nach Plan.
Dennoch wirkt das nicht ganz koscher und bedarf einer Erklärung. Diese Erklärung freilich wird unsere Verlage sehr wohl grämen, und die im Oktober einlangenden Rechnungen werden es dann erst recht.
Da liegt auch das Motiv für ihre verspätete Zusendung: Der MVB möchte den Verlagen nämlich nicht die – hoffentlich – gute Laune auf der Frankfurter Buchmesse verderben. Anders – weniger altruistisch, weniger menschenfreundlich – gewendet: Der MVB will vermeiden, dass die Verlage übellaunig anreisen und auf der Frankfurter Buchmesse sozusagen kohortenmäßig gegen ihn Rabatz machen.
Also, worum geht’s?
Vor fast genau einem Jahr – siehe meine damalige Kolumne Unruhe unter Verlegern [mehr…] – hatte der MVB die Verlage beglückt mit seinem vom Verlegerausschuss des Börsenvereins abgesegneten Beschluss, „dass die Leistungen des VlB und des neu etablierten VTO künftig nicht einzeln, sondern gebündelt und damit kostengünstiger angeboten werden“. Da wurde freilich nichts „angeboten“; es war ein fait accompli, in das die Verlage sich schicken mussten. Einen Aufruhr hatte es dennoch nicht gegeben. Weil der MVB – in seiner damals menschenfreundlichen Güte, aber auch schon äußerst clever – in den Rechnungen für 2007 lediglich die geltenden VlB-Gebühren ansetzte und auf diese Weise auch Proteste verhütet hatte.
In diesem Jahr jedoch fallen erstmals die „gebündelten“ Sätze für VlB und VTO – mittlerweile umbenamst zu libreka! – an, und d.h. statt 1,55 Euro nun 3 Euro pro Titel im Kalenderjahr. Eine Erhöhung um fast 100 Prozent! Eine zwangsweise Quasi-Verdoppelung des Gebührensatzes! Denn nur für einen Eintrag ins VlB können Verlage ja nicht optieren. Selbst wenn sie sich der Möglichkeit der libreka! verweigern, auch wenn sie mit der libreka! nie und nimmer was zu tun haben wollen, haben sie 2008 erstmals auch für libreka! mit zu blechen.
Die im Oktober kommende Rechnung wird für einen Kleinverlag, der mit 80 Titeln im VlB steht, statt, wie noch 2007, auf 124 Euro jetzt auf 240 Euro lauten, etc etc.
Kostengünstiger?! Da lachen ja die Hühner.
Betrachten wir’s von einer anderen Seite: Wie viele Titel deutscher Verlage laufen denn bis dato über das libreka!-System? Lassen Sie uns annehmen, dass stimmt, was gemunkelt wird: Dann sind es 60.000 Titel. Im VlB aber sind rund eine Million Titel verzeichnet. Woraus sich laut Adam Riese ergäbe: Für ca. 940.000 Titel erhebt der MVB ohne Gegenleistung, sachlich unberechtigt, einen Zwangszuschlag, der sich auf 1.363.000 Euro summiert.
Kein Wunder, dass der MVB auf der Buchmesse keine pöbelhafte Aufruhrstimmung riskieren will.
Wolken des Ungemachs dräuen allerdings schon jetzt für den MVB herauf. Denn eine Handvoll Verlage hat auf die VlB/libreka!-Zwangsbeglückung letzten Jahres längst reagiert und eine Beschwerde gegen den MVB beim Kartellamt eingereicht.
Laut Auskunft eines befreundeten Juristen steht ihre Sache nicht schlecht. Man bedenke: Das VlB ist eine einzigartige Einrichtung, an der die Verlage gar nicht vorbeikommen. Denn von einer Listung ihrer Titel im VlB hängt im wesentlichen ab, ob sie und ihre Autoren an den Ausschüttungen der VG Wort teilhaben. Insofern stellt das VlB eine Art von Monopol dar. Das fait acccompli des Beschlusses von MVB/Börsenverein zu einer „Bündelung“ der Gebühren für VlB und libreka!, mit der resultierenden Zwangserhebung von Mehrkosten ohne entsprechenden Nutzen für viele – die meisten? – Verlage lässt sich folglich durchaus als Missbrauch einer mit einem Monopol gegebenen Macht interpretieren. In solchen Fällen aber ist die Instanz des Kartellamts gefragt.
Im übrigen erhebt sich auch hier wieder die unangenehme, lästige Frage: Sind Börsenverein und MVB nun für die Verbandsmitglieder und Branchenteilnehmer da, oder existieren die Mitglieder zu oft nur für die Interessen des Verbandes und seiner Wirtschaftstöchter?