Runde Geburtstage Andreas Schulz (70)

Andreas Schulz

Zum 70. Geburtstag von Andreas Schulz am 15.08.2022

 Der Name Andreas Schulz ist in der Branche mit Verlagen und Reiseveranstaltern verbunden. Der Reisebuchautor, Journalist und Filmemacher Karl Teuschl war bei VISTA POINT ein Autor der ersten Stunde.

Karl Teuschl: Wie fing das bei Dir mit dem Büchermachen eigentlich an?

Andreas Schulz:  Eher kurios – mein Bewerbungsgespräch beim damaligen Herstellungsleiter vom DuMont Verlag P.D. verlief in etwa so: P.D.: Kannst du Bücher machen? Ich: Klar doch! P.D: kramt in seiner Schublade einen Haufen Fotos heraus, knallt sie auf den Tisch und sagt: Wenn du fertig bist, komm wieder!

Ich hatte natürlich überhaupt keine Ahnung, wie man Layouts geschweige denn Bücher macht, aber durch gezielte Umfragen im Freundes- und Bekanntenkreis brachte ich mir dann die Essentials der Layouterstellung mit Rechenscheibe etc. bei. 14 Tage später lieferte ich ein gezeichnetes Layout ab und hatte den Job.

Wie ging es dann weiter?

In den folgenden Jahren lernte ich bei DuMont die Buchherstellung von der Pike auf, später kam die Entwicklung ganzer Buchprojekte und Reihen dazu.

Aber Du wolltest eigentlich Bildender Künstler werden, hattest Du mal erzählt?

Schon, aber im Job fand ich es dann spannend, wie wir in ganzheitlichen Prozessen Bücher vom Manuskript bis zum fertigen Buch hergestellt haben. Ich habe in meiner DuMont-Zeit sehr interessante Leute und Künstler kennengelernt. Max Ernst, Viktor Vasarely, um einige zu nennen, später dann Gerhard Richter und viele andere.

Wann kam die Idee auf, den eigenen Verlag VISTA POINT zu gründen?

Das war 1977 in einer Wohngemeinschaft in Köln, in der ich zusammen mit der Grundschullehrerin Gudrun Wasmuth und dem Germanisten Horst Schmidt-Brümmer lebte. Zeitgleich wurde übrigens die erste feministische Frauenzeitschrift „Emma“ in Köln gegründet, die damals die erste Publikation unseres jungen Verlages vorstellte: Frauenkunst in den USA. Unsere Veröffentlichungen waren zu Anfang bewusst auf den pädagogischen Einsatz an Schulen zugeschnitten: ausgesuchte Bildersammlungen in Form von Dias mit methodisch-didaktischen Texten für Lehrer. Das gab es damals in dieser Form nicht. Im Laufe der folgenden zehn Jahre entwickelte sich VISTA POINT zu einem der führenden kunstdidaktischen Medienverlage Deutschlands.

Der Sprung in die Buchbranche kam erst später?

Ab 1980 entwickelten wir als Auftragsproduktion für DuMont eine neue Reiseführerreihe: Richtig Reisen. Wir waren zugleich Autoren, Herausgeber und Produzenten. Das war total spannend, eine Zeit mit vielen Reisen und erfolgreichen Titeln. 1985 ergab sich durch kongenialen Zufall die Gelegenheit einen Bildband über die Romanischen Kirchen in Köln bei Vista Point zu verlegen. Das gelang sowohl optisch als auch wirtschaftlich so gut, dass sich weitere Köln-Themen anschlossen. 1988 kam dann der Startschuss für eine Reiseführerreihe im eigenen Verlag, an der Du ja von Anfang an mitgewirkt hast. Dein Reiseführer über Florida kam damals als dritter Band der neuen Reihe. Als Erinnerung an unsere Anfänge wählten wir als unser Verlagslogo für die neuen Reiseführer ein Dia.

 Ich weiß noch wie wir am Küchentisch am Konzept gefeilt haben. Reiseführer gab’s ja schon damals wie Sand am Meer. Was sollte denn jetzt anders sein? 

Neu war an dem Konzept, dass wir uns in den Reisenden hineinversetzt haben. In der Regel waren Reiseführer damals eine Ansammlung von Fakten, die weder die zur Verfügung stehende Reisezeit noch die individuellen Interessen der Reisenden widerspiegelten. Außerdem waren die allermeisten Reiseführer Bleiwüsten mit Schwarzweißfotos. Wir brachten alle Titel von Anfang an mit integrierten Farbfotos. Dazu kam das Konzept einer genauen Routenplanung, die das jeweilige Reisegebiet in wohldosierten Tagesabläufen erschloss. Das erlaubte den Reisenden eine optimale Urlaubsplanung. Übrigens gibt es dieses Konzept in abgewandelter Form noch heute in der Reiseführer-Reihe Tag für Tag.

War denn der Einstieg in den umkämpften Reiseführermarkt so leicht?

A: Mit dem Ausbau der bunt bebilderten neuen Reihe kam schrittweise auch der wirtschaftliche Erfolg. Der rief aber auch Nachahmer und Konkurrenten auf den Plan. Um den Vertrieb weiter zu pushen und gleichzeitig mehr Mittel für den Programmausbau zu generieren, gingen wir 1990 mit Langenscheidt eine Kooperation ein. Die wurde allerdings mangels Erfolgs von uns nach nur sechs Monate wieder aufgekündigt. Mit einem eigenen neuen Vertriebsleiter gelang uns der bundesweite Durchbruch im Buchhandel.

…das hört sich ja alles ganz großartig an, gab es denn auch Misserfolge?

Natürlich, der spektakulärste war der Bildband über die „Kölner Stämme“. Das kam so: Im September feierte VP mit über 10.000 Besuchern und den Kölner Stämmen die Buchpremiere im Kölner Tanzbrunnen mit großem Bühnenprogramm. Im Vorfeld der Veranstaltung generierten wir über 20 Mio Medienkontakte über Funk und Fernsehen, Titelgeschichte im ZEITmagazin etc. Etliche Kölner Buchhandlungen machten mit Accessoires der Stämme Sonderfenster. Alles das half nichts, das Buch war der Flop des Jahres, alle fanden es toll, aber kaum einer kaufte.

Ein wichtiges Standbein für Vista Point wurde ja die Reiseindustrie. Wie kam das?

Das ging auf der ITB 1994 am Stand von Dertour los, der Europadirektor gab uns fünf Minuten um unser Anliegen vorzubringen. Das reichte dann offenbar, um nach Frankfurt in die Zentrale eingeladen zu werden. Daraus entwickelte sich eine der längsten, effektivsten und umsatzstärksten Kundenbeziehungen gepaart mit vielen neuen Produktinnovationen des Verlages. 2018 war leider aus internen Kosteneinsparungen bei Dertour Schluss damit.

Mindestens ebenso wichtig wurde später, glaube ich, die Discount-Branche? Meines Wissens kam im Jahr 2000 die erste große Discount-Aktion zu Stande.

…ja das stimmt. Mit einer völlig überdimensionierten Aktion über einen Kölner Discounter lernten wir die Chancen aber auch die Risiken dieses speziellen Geschäftsbereiches kennen. Von knapp 300.000 ausgelieferten Exemplaren kamen fast 50 % unverkauft zurück, große Ratlosigkeit was damit tun?

Trotzdem habt Ihr in dem Segment weiter gemacht?

2004 ergab sich eine Zusammenarbeit mit dem Discount-Spezialisten Tandem und damit neue Vertriebswege für unsere und andere Reise-Lizenzprodukte im Discount-Bereich. Davor lagen allerdings ausgelöst durch 9/11 äußerst schwierige Zeiten. Trauriger Höhepunkt war 2003 für den Verlag sogar ein Sanierungsvergleich. Erst 2008 gelang es mit einem neuen Investor, die stillen Gesellschafter und Banken abzufinden. Danach war VISTA POINT wieder erfolgreicher unterwegs. Das Geschäft verlagerte sich allerdings immer mehr zu Reiseveranstalter- und Discountumsätzen.

…am 1.4.2010 verstarb Dein – und mein – langjähriger Freund, der Verlags-Mitbegründer und wichtigster Autor Horst Schmidt-Brümmer nach langer schwerer Krankheit. 

Das war in der Tat eine Zäsur, die schlussendlich auch zu einem mehrheitlichen Verkauf des Verlages 2013 an die R&B-Beteiligungsgesellschaft führte. Mit der Mehrheit der Verlagsmitarbeiter sind wir damals im Sommer an den Firmensitz des neuen Eigentümers gezogen. Nach 36 Jahren am Rhein ging eine schöne Zeit zu Ende und eine aufregende neue Zeit in Potsdam begann.

Immerhin kam dadurch „1000 Places To See Before You Die“ zu Vista Point, oder?

Durch eine neue Programmstruktur innerhalb der ullmannmedien-Gruppe landete dieser Bestseller von hf.ullmann 2015 bei Vista Point. In den Folgejahren kamen etliche neue Produkte und Reihen mit dem 1000 Places branding hinzu. Mit workman Publishing in New York vereinbarten wir die Kooperation “1000 Places to see before you die – Travel the book”. Dertour bewarb damals diese Kooperation in 23 Katalogen und knapp 80 Rundreisen mit Millionenauflagen.

Zum Schluss die unvermeidliche Frage: Wie hat Vista Point die Corona-Krise überstanden und wie geht es bei Dir persönlich weiter?

Corona war und ist ein schwerwiegender Einschnitt für alle Reisebuchverlage, aber auch und besonders für die Reiseveranstalter. Vista Point hat es natürlich auch hart getroffen, wenn keiner reisen kann, braucht auch niemand Reiseführer. Aber wem sage ich das. Inzwischen hat sich das Geschäft wieder etwas belebt, aber von dem Niveau von 2019 sind wir alle noch weit entfernt, zumal Fernreisen schwierig bleiben, der Ukraine-Krieg die Verbraucher verunsichert und durch die Inflation weniger Geld fürs Reisen zur Verfügung steht.

Zu mir persönlich: Anfang 2020 habe ich mit drei Kollegen aus der Softwareentwicklung ein neues Unternehmen in München gegründet. Die TourCont AG setzt sich zur Aufgabe, Verlagen bei der nötigen Digitalisierung ihrer Printprodukte zu helfen und den so gewonnenen Content an Kunden der Reiseindustrie auszuspielen: Einerseits bringt das dringend benötigte Zusatzerlöse für die Verlage, zum anderen lassen sich so komplett individualisierte Reisebeschreibungen per App für jeden einzelnen Reisenden erstellen. Dieses Projekt mussten wir allerdings wegen Corona für die letzten zwei Jahre in den Dornröschenschlaf versetzen. Nun aber geht es mit großen Schritten voran. Ende des Jahres ist nun alles für den Start in eine digitalisierte Reisewelt bereit.

 Wer auch gratulieren möchte: a.schulz@vistapoint.de

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