Runde Geburtstage Claudia Marquardt (50)

Claudia Marquardt

Claudia Marquardt wird heute 50 Jahre alt. Der Übersetzerin gratuliert Franziska Günther zum runden Geburtstag:

Die Sommer waren heiß unter dem Blechdach des Aufbau-Verlags am Hackeschen Markt. Wir Praktikantinnen wurden in das große Büro des erst kürzlich in Rente gegangenen Verlagsleiters Gotthard Erler im Dachgeschoss gesetzt. Die Durchwahl funktionierte noch, und mitunter verlangte ein erboster Autor den Chef zu sprechen. Dann galt es, trotz völliger Unkenntnis der Sachlage zu beschwichtigen, was mal mehr, mal weniger gelang.

Beinahe wöchentlich kamen neue Praktikanten hinzu, denn der Aufbau Verlag prosperierte nach dem Erfolg der „Päpstin“ und der Tagebücher Victor Klemperers. Das Programm wuchs, das Lektorat auch. Es kamen Johanna, Andreas, Gunnar, Amelie und – Claudia.

Unsere Mentorinnen waren allesamt Legenden. Seit Jahrzehnten im Verlag beschäftigt, konnten sie alles, forderten von uns alles – und trauten uns alles zu. Waltraud Schwarze, Angela Drescher und Maria Matschuk – unter ihren kundigen und strengen Augen taten wir die ersten Schritte in den Lektoratsberuf. Bis in die Nacht redigierten wir, übersetzten, schrieben Klappentexte. War eine Abgabe geschafft, wurde auf der Dachterrasse, die baupolizeilich ganz und gar nicht dafür zugelassen war, umso ausgelassener getanzt und getrunken. Und Claudia immer mittendrin.

Nach einem kurzen Abstecher zum Alexander Fest Verlag kam Claudia als Lektorin wieder zurück zu Aufbau, trug die Haare kurz wie Jean Seberg und hatte mehr Pariser Chic, als ich bis zu diesem Zeitpunkt gesehen hatte. Emails wurden noch ausgedruckt in die Postfächer gelegt, Manuskripte per Fax verschickt, zu Recherchen ging man in die Staatsbibliothek, und die Jungspunde aus dem Praktikantenzimmer rückten langsam in die Lektoratsbüros auf, stolz, am Programm dieses großartigen Verlages mitwirken zu dürfen. Der Kollektivgedanke lebte, getreu dem alten Aufbau-Banner, das neben dem falschen Kamin die Bibliothek zierte: Mit sozialistischem Gruß! Geteilte Zeit und Freundschaften endeten nicht am Verlagstor. Alles wurde gemeinsam durchlebt, durchlitten oder eben durchfeiert: Hochzeiten und Todesfälle, Geburten und Scheidungen, unzählige Buchmessen und Vertreterkonferenzen – letztere untermalt vom täglichen Soundtrack der musikalischen Kleinkünstler auf dem Hackeschen Markt – und schließlich Insolvenz, Verkauf und Umzug des Verlages nach Kreuzberg.

Claudia blieb zuständig für das Romanische, vor allem Frankophone, und es wurden Bestseller daraus: Michel Bussi Samuel Benchetrit, Annick Cojean, Fred Vargas, Guillaume Musso, Karine Tuil. Die Lektion unter dem heißen Blechdach hatte sie gut gelernt: Wenn es einen schwierigen Autor oder eine kapriziöse Autorin zu beschwichtigen galt, gelangte sie mit zarter Bestimmtheit und charmanter Durchsetzungskraft ans Ziel. Kaum verwunderlich, dass die Begehrlichkeiten wuchsen, der Wechsel zum großen Nachbarn Ullstein an der Friedrichstraße folgte, bis schließlich die Arbeit als selbstständige Übersetzerin vor die der Lektorin trat.

What a ride, liebe Claudia, und auch wenn ich es nicht glauben kann (WTFifty …!?!), von Herzen alles Gute!

Deine Franziska (Günther)

 

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